Blutig, brutal und ohne Moral

James Carlos Blake räumt mit dem romantischen Bild des Wilden Westens auf

Von Jutta LadwigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jutta Ladwig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Rastlose Revolverhelden, die Weite der Prärie und schöne Frauen, die in Saloons der Männerwelt den Kopf verdrehen. Schauspieler wie John Wayne und Gary Cooper prägten in Filmen wie „High Noon“, „Rio Bravo“ oder „Der Marschall“ unser Bild des Wilden Westens. Mit Clint Eastwood wurde der Western raubeiniger, für die zahlreichen Italo-Western standen Zuschauer an den Kinokassen Schlange. Doch in den letzten Jahrzehnten galt Western als Kinogenre bereits als ausgestorben, bis ihn die Coen-Brüder Ethan und Joel mit „True Grit“ wiederbelebten. In den USA sorgten Serien wie „Deadwood“ und „Hell on Wheels“ für Aufsehen, da sie den Wilden Westen als gefährlich und gewalttätig zeigten. Realistisch eben. Außerdem gelang Quentin Tarantino mit „Django Unchained“ ein gelungenes, wenn auch umstrittenes Comeback des Spaghetti-Westerns.

Das macht aber auch vor der Literatur nicht Halt. Auch James Carlos Blake reiht sich mit „Das Böse im Blut“ in die Reihe des Westerns in Buchform ein.

Die Geschichte zweier Brüder

Bereits 1997 erschien der Roman in den USA und begeisterte die Leser dort. Erzählt wird die Geschichte der beiden rastlosen Brüder John und Edward Little im Jahr 1842. Als ihr Vater aus banalen Gründen einen Mord begeht, sucht die Familie in den Sümpfen Floridas Schutz vor dem Gesetz. Doch hier kommt es erneut zur Katastrophe und die Teenager Edward und John sind plötzlich auf sich alleine gestellt. Sie beschließen, sich nach Texas durchzuschlagen, um ein neues Leben zu beginnen. Das ist alles andere als einfach, denn die Schuldgefühle, die die beiden plagen, sowie der Geist des ermordeten Vaters, lassen ihnen keine Ruhe. Auf dem Weg nach Texas werden die Brüder getrennt und stehen sich im Amerikanisch-Mexikanischen Krieg als Feinde gegenüber.

Nein, die beiden sind bei Weitem keine Sympathieträger. Sie sind aggressiv, kaltblütig und roh. Doch angesichts der Welt, in der die beiden leben, ist das kein Wunder. In der eigenen Familie dominiert die Gewalt. Dass Frauen bestraft werden, wenn sie nicht tun, was man ihnen sagt, ist an der Tagesordnung. Die jüngere Schwester von John und Edward ergreift bei der ersten Gelegenheit die Flucht und Edward erschießt seinen Vater im Affekt, als dieser sich an seinem Bruder vergreifen will. Aufgehetzt durch ihre Mutter, einer ehemaligen Hure.

Auch der Weg nach Texas ist von Gewalt, Hurerei und Diebstahl bestimmt. Die Brüder werden getrennt, John verbringt einige Zeit im Gefängnis und wird dann zwangsrekrutiert für die Armee. Eine schicksalhafte Begebenheit, denn im blutrünstigen Krieg gegen die Mexikaner steht ihm plötzlich sein Bruder als Feind gegenüber.

Eine bildgewaltige und düstere Charakterstudie

James Carlos Blake beschreibt die Lebensgeschichte der Littles detailliert und bildhaft, sodass sich die Leser mühelos vorstellen können, was in dieser düsteren Welt vor sich geht. Und schon bald hat man den Eindruck, man würde einen neuen Film von Quentin Tarantino sehen, von fast jeder Seite schlägt einem Brutalität entgegen. In der Szene, in der John und Edward Zeuge werden, wie ein Sklave von einem blutdürstigen Mob bestialisch zu Tode gequält wird, ist nur ein Beispiel dafür.

Der Autor räumt schonungslos mit dem romantischen Bild des Wilden Westens und der Besiedlung der USA auf. Die Menschen, denen die Brüder begegnen, sind verroht. Sie betrügen, suchen sich ihre persönlichen Vorteile heraus und scheuen vor heimtückischen Morden nicht zurück. Es ist ein Spiel, bei dem jeder gegen jeden kämpft.

Es fällt schwer, in diesem Roman für irgendjemandem auch nur eine winzige Spur Mitleid oder Sympathie zu empfinden. Das Verhalten der Figuren ist zutiefst abstoßend. Trotzdem schafft es James Carlos Blake bei seiner düsteren Charakterstudie, dass wir auf den letzten Seiten Mitleid mit dem kaltblütigen Edward Little haben, der alles verloren hat, was ihm jemals etwas bedeutet hat.

Es ist nicht immer einfach, diesen Roman zu lesen. Es erfordert Durchhaltevermögen, denn auf den insgesamt 448 Seiten reihen sich Gewaltexzesse an Brutalitäten, sodass schnell Eintönigkeit aufkommt. Die Handlung spielt eine vergleichsweise untergeordnete Rolle in diesem Roman, der Fokus liegt auf den Persönlichkeiten der Brüder. Die weiß James Carlos Blake authentisch in Szene zu setzen. Ebenso wie die historischen Ereignisse um den Amerikanisch-Mexikanischen Krieg zwischen 1846 und 1848.

Von dieser finsteren Seite sieht man den Wilden Westen nur selten.

Titelbild

James Carlos Blake: Das Böse im Blut. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Matthias Müller.
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2013.
448 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783954380169

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