Gerecht und Geschlecht – Luise F. Pusch hat einen weiteren Band mit sprachkritischen Glossen vorgelegt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit geraumer Zeit erscheint im Wallstein Verlag alljährlich zu Beginn des neuen Jahres ein Band mit Glossen von Luise F. Pusch. So auch 2014. Im Vorwort des „Geschlecht und Gerecht“ betitelten Buches blickt die Autorin erfreut auf das gerade vergangene „Jahr der Frau“ zurück, zu dessen Beginn Frauen gegen den alltäglichen Sexismus nicht nur eines Politikers aufschrien und das damit endete, dass Alice Schwarzers Appell gegen Prostitution erste Erfolge zeitigte.

Diesmal prangert die Autorin des Klassikers „Das Deutsche als Männersprache“ nicht nur verschiedene, mal offensichtliche, mal weniger offensichtliche Maskulinismen an, die nach wie vor noch in der deutschen Sprache virulent sind, sondern wirft zudem mehr als nur einen kritischen Blick auf „völlig unnötige Sprachquerelen“, derer sich „bestimmte Spielarten der Gender Theory  und der noch schickeren Queer Theory“ befleißigen.

Puschs Glossenband bietet zahlreiche Texte aus den vergangenen zwölf Monaten, die durch einige ältere ergänzt werden. Dabei gliedert er sich in sechs Rubriken höchst unterschiedlichen Umfangs. Anfängliche Glossen zu „Lücken im Wortschatz“ bereiten quasi auf den im Zentrum stehenden „Kampf um das Femininum“ vor. Hier zeigt Pusch in sechs Glossen zunächst, wie Frauen in der deutschen Sprache noch immer unsichtbar gemacht werden, um anschließend in weiteren acht Texten Beispiele und Belege dafür zu sammeln, wie sich das Femininum „erholt“. Muss sie einerseits „die Einheit der Gemeinheit“ und „eine Formulierkunst, die seinesgleichen sucht“ beklagen, kann sie sich andererseits über „Hera und ihre neuen Verwandten“ oder über die neue „Töchterhymne“ Österreichs freuen.

Nicht weniger umfangreich als ihre Glossen zum „Kampf um das Femininum“ sind ihre in zwölf Texten angestellten Überlegungen zu der Frage, wie das Deutsche als zugleich gerechte und bequeme Sprache aussehen könnte. Dabei übt sie zunächst einmal Kritik an der medialen Erregung einer Reihe von Maskulinisten angesichts des an der Universität Leipzig eingeführten generischen Femininums und am in Kreisen der Queer-Theorie beliebten linguistischen Gender Gap, dem so genannten Unterstrich, den verschiedene seiner „Anhänger_innen“ inzwischen „weiterentwickelt“ haben und einsetzen, „wo sie wollen“, wie Pusch an einigen dem Buch „Feminismus schreiben lernen“ (2011) entnommenen Beispielen wie etwa den „Doze_ntinnen“ oder den „Ver_Ant_W_Ortungen“ zeigt. Pusch bezweifelt, „dass der Unterstrich das beste Mittel zur Erreichung des Ziels sprachlicher Gerechtigkeit ist“. Und Sprache funktioniere zudem anders, „als Queer-TheoretikerInnen sich das vorstellen“. Deren Absicht sei zwar „edel und verständlich“, der Unterstrich führe aber nicht nur zu „Leseverdruss und Unverständlichkeit“, sondern mache „die Sache“ sogar „noch schlimmer als vorher“. Deshalb entwickelt Pusch einige „andere Lösungen“, die „besser geeignet“ sind, „die ‚geschlechtlich nicht Festgelegten’ sprachlich sichtbar zu machen“.

Ein veritabler Aufsatz, der sich in den Glossenband eingeschlichen hat, hat zwar die Frage, „Sind Lesben Frauen?“ im Titel, doch bietet er weit mehr als dessen Beantwortung. Denn Pusch entzaubert auch hier den „hochtrabenden Jargon“, der sich namentlich in den Queer Studies breit gemacht hat. Dabei verhehlt die Begründerin der feministischen Linguistik keineswegs, wie viel „Spaß“ es ihr bereitet herauszuarbeiten, dass diverse AutorInnen der Gender und Queer Studies „sich in ihrer Begrifflichkeit“ zwar „gern bei der Linguistik bedienen“, dabei aber „linguistisch nicht ganz auf der Höhe sind.“

Zwei kleinere Rubriken beschließen den Band. Während sich die erste mit „Lesben, Schwulen und Sprache“ befasst, zeigt Pusch in der zweiten am Beispiel des männerfeindlichen Ausdrucks „bemannen“, dass feministische Sprachkritik auch dem anderen Geschlecht zugute kommt.

R. L.

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Titelbild

Luise F. Pusch: Gerecht und Geschlecht. Neue sprachkritische Glossen.
Wallstein Verlag, Göttingen 2014.
144 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783835314283

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