Der Erste Weltkrieg als „Katastrophe“

Herkunft, Bedeutungen und Funktionen einer problematischen Metapher

Von Oliver JahrausRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Jahraus und Christian KirchmeierRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christian Kirchmeier

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kennans Schlagwort

Der amerikanische Diplomat und Historiker George F. Kennan (1904-2005) hat mit seinem Schlagwort „the great seminal catastrophe of this century“ (Kennan 1979, 3) die zentrale Deutungsperspektive auf den Ersten Weltkrieg geliefert. Seine Metapher der „great seminal catastrophe“ verfolgt eine doppelte Strategie: Zum einen wird der Erste Weltkrieg als Kontinuitätsbruch der Weltgeschichte herausgehoben und zum anderen in eine Linie mit dem Zweiten Weltkrieg als ‚großer Katastrophe‘ gestellt. Kennan imaginiert den Ersten Weltkrieg in diesem Sprachbild als Samen, der zwei Jahrzehnte später aufgeht und die Katastrophe erst im vollen Umfang sichtbar macht. Ausgehend von der deutschen Übersetzung ist das Wort ‚Urkatastrophe‘ zu einem Narrativ ausgeweitet worden, das den Beginn des ‚kurzen 20. Jahrhunderts‘ (Eric Hobsbawm) markiert und so die Wahrnehmung des vergangenen Jahrhunderts maßgeblich bestimmt. Doch schon in der Weimarer Republik, bevor der Krieg auf die noch größere Katastrophe des Zweiten Weltkrieges bezogen werden und bevor von einer ‚Ur-Katastrophe‘ die Rede sein konnte, hatte sich die Metapher der Katastrophe als Deutungsperspektive etabliert.

Die Konjunktur dieser Metapher hat den Blick darauf verstellt, welcher ideengeschichtliche Umbruch sich hinter diesem Schlagwort verbirgt. Denn nun wurde erstmals ein von Menschen verursachtes Ereignis, also ein kulturell hervorgebrachtes Phänomen, mit einem Begriff charakterisiert, der zuvor auf die Zerstörungskraft von Naturgewalten wie Fluten und Erdbeben beschränkt war. In diesem Beitrag soll daher untersucht werden, welche Konsequenzen sich aus dem Wechsel vom Paradigma der Naturkatastrophe im 19. Jahrhundert zu dem der Kulturkatastrophe im 20. Jahrhundert ergeben haben. Methodologisch setzen die folgenden Überlegungen eine Art ‚Historiographie zweiter Ordnung‘ oder eine ‚metaphorologische Historiographiegeschichte‘ voraus, die nicht die Katastrophe des Ersten Weltkriegs untersucht, sondern den Ersten Weltkrieg als Katastrophe.

Die Leitfrage lautet: Was bedeutet die diskursive Bearbeitung des Ersten Weltkriegs als globale Katastrophe für die Vorstellung einer geopolitischen Ordnung bzw. einer katastrophalen Unordnung und wie wirkt diese Vorstellung bis in die gegenwärtige europäische Kultur nach? Bei der Beantwortung dieser Frage gilt es insbesondere, die These zu untersuchen, ob die Charakterisierung des Ersten Weltkriegs als (Ur-)Katastrophe nicht sogar eine geschichtsphilosophische Zäsur plausibel machen kann. Wenn es nämlich einen Bruch zwischen dem Aufklärungsoptimismus des 19. Jahrhunderts und einem ‚katastrophistischen Pessimismus‘ des 20. Jahrhunderts gibt, könnte dieser gerade dadurch möglich geworden sein, dass die Katastrophe nicht mehr nur als Bedrohung von außen, von einer unkontrollierbaren Natur wahrgenommen wurde, sondern selbst Teil der Kultur und der Kulturgeschichte geworden ist.

Zur Metapherngeschichte von ‚Katastrophe‘

Im gegenwärtigen Katastrophendiskurs wird die Metapher auf unterschiedlichste Ereignisse bezogen, die teils nur lokal begrenzte Wirkungen haben, teils gewaltige globale Konsequenzen nach sich ziehen. Wenn in den Massenmedien von Katastrophen berichtet wird, reicht das Spektrum von Niederlagen in Sport und Politik, von Erdbeben, Hochwasser, Pandemien und Hungersnöten über nukleare Unfälle und Unfälle im Schiffs- und Flugverkehr bis hin zu Wirtschaftskrisen, Krieg und Vertreibung. Die Entgrenzung des Bezugsfeldes der Metapher hat so dazu beigetragen, dass die Gegenwart insgesamt als eine Zeit von permanenten Katastrophen erscheint.

Die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung hat spät begonnen, Katastrophen und Katastrophendiskurse in historischer Konstellation zu untersuchen. Die historische Semantik von ‚Katastrophe‘ ist erst seit der Arbeit von Olaf Briese und Timo Günther (Briese 2009; Briese/Günther 2009) begriffsgeschichtlich erschlossen. Sie haben gezeigt, dass im 20. Jahrhundert „‚Katastrophe‘ zu einer ubiquitären Krisenkategorie [wurde], die sich allmählich von einem Ereignis- in einen Prozeß- und schließlich in einen Zustandsbegriff wandelte“ (ebd., 188). Die Katastrophe ist am Ende dieser begriffsgeschichtlichen Entwicklung nicht mehr das Ereignis, das schon vorbei ist, wenn die kulturelle Deutung einsetzt, sondern sie ist ein permanenter Zustand, dessen Deutung immer auch eine Deutung der eigenen Gegenwart ist. Genau diesen Umbruch, so ließe sich die These von Briese/Günther ergänzen, leistet die Metapher von der Urkatastrophe, weil sie den Anfang einer Serie von Katastrophen bezeichnet. Wer also vom Ersten Weltkrieg als Urkatastrophe spricht, richtet seinen Blick auf das ganze 20. Jahrhundert. Wenn Volker Ullrich (2007, 407) schreibt, „[d]er Erste Weltkrieg war ‚die große Urkatastrophe‘ (George F. Kennan) des an Katastrophen reichen 20. Jahrhunderts“, dann lässt sich darin exemplarisch die zukunftsgerichtete Perspektive der Metapher ablesen.

In der Antike bezieht sich das griechische ‚katastrophé‘ auf ein bestimmtes Ereignis, es bedeutet weitgehend wertneutral ‚Umwendung‘. In diesem Sinn wurde der Katastrophenbegriff auch in der Geschichtsschreibung verwendet, wo er vor allem eine militärische Unterwerfung bezeichnete. Als poetologischer Begriff fand er dann in der Dramentheorie Anwendung, in der er bis ins 18. Jahrhundert hinein die Wende zu einem eher positiven Ende von Komödien – und explizit auch von Tragödien – meinte. Auch in dieser Bedeutung steht das Ereignis der Umwendung im Vordergrund, nicht der Blick auf mögliche Folgen eines Unglücks.

In der Neuzeit entwickelte sich das Konzept der Naturkatastrophen allmählich zu einem neuen Prototyp. Über das Motiv der Sintflut war die Katastrophe dabei zunächst an einen theologischen Diskurs gekoppelt. In einer Wissensordnung, die dem Beispiel einen epistemologischen Wert zumaß, war die Sintflut das Exemplum der Katastrophe schlechthin. Und es war im 18. Jahrhundert auch ein ursprünglich theologischer Diskurs, nämlich die Debatte um die Theodizeefrage, die zu einem neuen Verständnis von Naturkatastrophen führte. Das einschneidende Ereignis hierfür war das Erdbeben von Lissabon im Jahr 1755 (vgl. Lauer/Unger 2008). Wenn seither in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Zuge der neu entstehenden Geologie ein Erdbeben mit dem Begriff der Katastrophe thematisiert wurde, dann hatte das zwei Konsequenzen: Erstens traten nun zwei typologische Konzepte gegeneinander an, die sich bis in die Kriegsmetaphorik des 20. Jahrhunderts nachvollziehen lassen, nämlich die Katastrophe als Sintflut, wie sie um 1800 im Paradigma des Neptunismus verhandelt wurde, und die Katastrophe als Erdbeben, wie im Paradigma des Vulkanismus. Zweitens war mit Aufkommen der Erdbebenmetaphorik eine Säkularisierung des Katastrophenbegriffs verbunden. Es genügte eben nicht mehr, das Erdbeben von Lissabon als göttliche Strafe zu begreifen. Die Ent-Theologisierung der Metapher löste die Katastrophe von einem providentiellen Kausalzusammenhang und schuf einer modernen Kontingenzerfahrung in geradezu epochalem Ausmaß Raum (vgl. Walter 2010, 95-180). Denn diese Erfahrung hat es ermöglicht, Naturkatastrophen nicht nur passiv zu erdulden, sondern ihr Risiko vorausschauend zu kalkulieren. Katastrophen wurden so zu Ereignissen, vor denen man sich schützen und gegen die man sich versichern konnte. Gerade der Fortschrittsoptimismus seit der Aufklärung lässt sich als ein Versuch begreifen, das Katastrophenrisiko mithilfe moderner Technik (etwa durch die Erfindung des Blitzableiters, vgl. ebd., 96-116) zu minimieren.

Das Erdbeben von Lissabon kann aufgrund dieser historischen Entwicklung als ‚Ursprungskatastrophe‘ für den Katastrophendiskurs seit der Aufklärung gelten. Es macht zudem darauf aufmerksam, dass sich die Katastrophe als Ereignis nicht losgelöst von seiner kulturellen Deutung und Verarbeitung beobachten lässt. Nicht erst die Kulturkatastrophen des 20. Jahrhunderts, sondern bereits die Naturkatastrophen des 18. Jahrhunderts sind „von vornherein hybride (‚gemischte‘) Ereignisse“ (Schenk 2009, 11f.), die eine scharfe Grenzziehung zwischen Natur und Kultur unterlaufen. Erst in der medialen Vermittlung werden Naturereignisse zu Katastrophen. Naturbegriff und Theodizeeproblematik gehen ineinander über und schaffen so die Voraussetzung, Naturkatastrophen zugleich als Erklärungsmodelle für künstliche und kulturelle Ereignisse zu verwenden (Kittler 1987).

Das Deutungsmuster der Katastrophe zwischen den Kriegen: Natur/Technik, Religion und Décadence

Die Katastrophenmetapher hat sich schon bald nach Kriegsende als Deutungsperspektive etabliert. Sie fungiert zwischen den Kriegen als hochgradig ambigues Konstrukt, mit dem unterschiedliche und widersprüchliche Konzepte ausgedrückt werden können. Zunächst wird noch nicht einmal klar unterschieden, worauf sich die Metapher bezieht, auf den Krieg selbst oder lediglich auf die Niederlage. Beispielsweise verwendet Karl Friedrich Nowak die Metapher in Der Weg zur Katastrophe (1919) in beiden Zusammenhängen: Einerseits ist die Katastrophe der Weltkrieg selbst, der „Zusammenstoß aller“ (ebd., 17), andererseits ist sie der endgültige Verlust des Krieges: „Das Spiel war aus. Dies war der Weg in die Katastrophe“ (ebd., 293f.).

Im Einklang mit der antiken Verwendung der Metapher bleibt es lange Zeit möglich, die Niederlage einer einzelnen Schlacht als Katastrophe zu bezeichnen, so etwa den sogenannten ‚schwarzen Tag des deutschen Heeres‘ bei Amiens (Bose 1930). Diese Verwendung bleibt allerdings die Ausnahme. In den 1920er Jahren wird das Schlagwort der Katastrophe zur konventionellen Metapher für den Krieg als Ganzen. So kann schon wenige Jahre nach Kriegsende die letzte Abteilung der groß angelegten Quellensammlung der diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes mit „Europa vor der Katastrophe. 1912-1914“ überschrieben werden (Schwertfeger 1927).

Die Kriegskatastrophe wird dabei als ein Ereignis imaginiert, das sogar – jedenfalls im Rückblick auf die Vorkriegszeit – eine prognostische Qualität gewinnt. In diesem Sinn verwendet beispielsweise Thomas Mann im Zauberberg (1924) die Metapher. Gegen Ende des Romans – Settembrini versucht, mit Hans Castorp über „[d]ie Weltlage“ (Mann 2002a, 960) zu sprechen – reflektiert dieser über die nahende Zukunft:

Ihm war, als könne ‚das alles‘ kein gutes Ende nehmen, als werde eine Katastrophe das Ende sein, eine Empörung der geduldigen Natur, ein Donnerwetter und aufräumender Sturmwind, der den Bann der Welt brechen, das Leben über den ‚toten Punkt‘ hinwegreißen und der ‚Sauregurkenzeit‘ einen schrecklichen Jüngsten Tag bereiten werde (ebd., 961).

Dieses Zitat ist aufschlussreich, weil es die drei zentralen Konnotationsräume der Metapher verbindet: Die Décadence-Thematik, die religiöse Semantik des ‚Jüngsten Tages‘ und vor allem das semantische Feld der Natur, wobei dieser letzte Bereich, der hier mit Begriffen aus dem Umfeld von Naturkatastrophen als „Donnerwetter“ und „Sturmwind“ angedeutet wird, in vergleichbaren Texten oft mit dem Thema der Technik in Verbindung steht. Diese drei Bedeutungsfelder – Natur/Technik, Religion und Décadence – finden sich in der Zwischenkriegszeit immer wieder, wenn vom Krieg als Katastrophe die Rede ist.

(1) Natur und Technik: Der Bereich der Naturkatastrophen ist für die Metapher der Kriegskatastrophe zentral, weil in ihr Elemente aus dem Herkunftsbereich (dem Zerstörungspotenzial der Natur) auf den Zielbereich der Kultur übertragen werden. Immer wieder greifen die Autoren der Zeit auf die Metaphern von Orkan, Flut und Sturm zurück. So ist beispielsweise vom „Orkan des Trommelfeuers“ (Volkmann 1922, 101) oder von „einem Orkan von Eisen und Feuer“ (Stegemann 1917, 163) die Rede. Im Juli 1918 findet sich in einem Flugblatt der Ausdruck von „furchtbaren Flutwellen sinnlos vergossenen Blutes“ (Frölich 1924, 237), und Hans von Hentig benutzt die Metapher einer „große[n] Flutwelle der russischen Armee“ (Hentig 1927, 68). Karl Helfferich, 1916/17 Vizekanzler unter Bethmann Hollweg, formuliert in seiner frühen Abhandlung über den Krieg mit Bezug auf die Wirtschaft im Sommer 1914: „Nun brach der Sturm des Krieges über die Welt herein und erschütterte den wirtschaftlichen Aufbau aller Völker in seinen Grundfesten“ (Helfferich 1919, 25), und noch in einem Text über die zeitgenössische französische Literatur schreibt Otto Forst-Battaglia: „Über ein gewaltiges Meer [des französischen Schrifttums] ist der Sturm des Krieges dahingebraust“ (Forst-Battaglia 1927/28, 1059).

Diese Beispiele illustrieren, dass die Metapherntradition der Naturkatastrophe des 18. und 19. Jahrhunderts einerseits für die Metapher der Kriegskatastrophe lebendig bleibt, andererseits dadurch Natur/Kultur-Differenzen systematisch unterlaufen werden. Es geht nicht nur um die Zerstörung durch die Katastrophe, sondern auch darum, dass sie mit einem bestimmten Zustand der Kultur bricht, den Thomas Mann im genannten Zitat ironisch als „Sauregurkenzeit“ tituliert (Mann 2002a, 947 u. 961). Für manche Beobachter – und Thomas Mann selbst stand dieser Auffassung zeitweise nahe – bestand die Katastrophe dann auch nicht so sehr in der Zahl von Abermillionen getöteten Menschen, sondern mehr noch im Untergang einer Humanitätsideologie, wie sie gerade die deutsche Kultur des 19. Jahrhunderts geprägt hatte. Damit wird der Katastrophenbegriff reflexiv aufgeladen, weil er alle kulturellen Deutungsmuster von vornherein auf die Kultur rückbezieht – als kulturelle Reflexion über Kultur und nicht über Natur, wie es im 19. Jahrhundert der Fall war.

Eine besondere Bedeutung in diesem neuen Katastrophenparadigma kommt der Technik zu. Im 18. Jahrhundert erfüllte der technische Fortschritt nicht zuletzt die Funktion, das Risiko zukünftiger Katastrophen zu minimieren. Seit dem 19. Jahrhundert mehrten sich allerdings die Fälle, in denen die Technik selbst Katastrophen (wie beispielsweise Eisenbahnunfälle, vgl. Schivelbusch 1977, 117-141) hervorrief. Obwohl diese technologischen Unfälle ein beträchtliches Ausmaß erreichen konnten, ließen sie sich im Rahmen des modernen Vorsorgestaates (Ewald 1993) noch versicherungstechnisch bewältigen. Das änderte sich durch den Ersten Weltkrieg, weil die technifizierte Kriegsführung und die daraus resultierende gewaltige Zerstörungskraft eine neue Qualität erreicht hatten. Kriegsklauseln, die den Versicherer von seiner Zahlungspflicht befreiten, gab es vereinzelt schon im 19. Jahrhundert. Aber erst mit dem Ersten Weltkrieg wurden sie in großem Umfang juristisch geltend gemacht (Kegel/Rupp/Zweigert 1941, 25-44). Der Kriegsfall ist seitdem eines der wenigen Ereignisse, die nicht versicherbar sind (vgl. Werber 2010, 96-101).

Die Katastrophensemantik war besonders gut geeignet, um den Krieg in seinem nicht mehr kontrollierbaren Ausmaß zu erfassen. Peter Sloterdijk hat in diesem Sinne das 20. Jahrhundert unter der Perspektive des Terrors historisch rekonzeptualisiert. Der terminus a quo ist für ihn signifikanterweise ein Ereignis des Ersten Weltkrieges, nämlich der 22. April 1915, der Tag, an dem erstmals in der Geschichte Gas als Kriegsinstrument eingesetzt wurde. Dieses Ereignis verbindet Sloterdijk zufolge Terrorismus und Umweltgedanken: Es sei darauf angekommen, den Gegner zu vernichten, indem man seine Umwelt vernichtet (Sloterdijk 2002, 7 u. 15f.).

Pazifisten wie Kurt Hiller müssen dann auch den Zusammenhang zwischen Kriegskatastrophe und Technik explizit umcodieren, damit der Krieg nicht als unausweichliches Menschheitsschicksal erscheint. Hiller schreibt: „Der Krieg ist etwas von Menschen – bösen oder törichten – Gemachtes, und kein Erdbeben. Aber wäre er selbst ein Erdbeben: auch über Erdbeben wird die Technik einst Herrin sein“ (Hiller 1932, 89). Damit steht Hiller in der Tradition eines rationalistisch-technischen Optimismus, der davon ausgeht, dass sich der Verlauf der Menschheitsgeschichte durch die menschliche Vernunft steuern lässt. Die Metapher der Katastrophe ist dabei nicht nur eine Deutungskategorie der Vergangenheit, sondern sie wird zu einer auf die Zukunft gerichteten Kategorie im politischen Diskurs.

Den Ersten Weltkrieg als Kulturkatastrophe zu begreifen erfordert über die Neubewertung der Technik hinaus ein neues Verständnis menschlichen Handelns. Handlungen lassen sich in der Logik dieses sprachlichen Bildes nicht mehr alleine dadurch verstehen, dass sie auf Intentionen oder auf ihr Problemlösungspotenzial zurückgeführt werden. Schließlich ist seit dem 18. Jahrhundert klar, dass niemand die Schuld an einem Erdbeben trägt. Dann aber müssen menschliche Handlungen auf ihre unkontrollierbaren Folgen hin untersucht werden – umso mehr, wenn die Technik als das Produkt menschlicher Vernunft selbst katastrophale Auswirkungen haben kann.

In der Zwischenkriegszeit wird so der Unfall zu einem Miniaturbild der Katastrophe, das eine besondere Faszination ausstrahlt. Diese Entwicklung lässt sich beispielsweise in Ernst Jüngers Fotobüchern Der gefährliche Augenblick (1931; vgl. Gil 2010) und Die veränderte Welt (1933), in den Aufnahmen der Hindenburg-Katastrophe (1937) oder auch im ersten Kapitel von Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften (1930; vgl. allgemein Geisenhanslüke 2010, 99-104) erkennen. Die Unfalldarstellungen verbildlichen exemplarisch die Vorstellung einer Welt, die durch Technik nicht mehr in Ordnung gehalten wird, sondern aus der Ordnung fällt und in einen Ausnahmezustand gerät.

(2) Religion: Ältere Fortschrittstheorien hätten aus diesem Technikbezug abgeleitet, dass Katastrophen in der Moderne nur mehr säkular gedeutet würden, während sie früher in einem heilsgeschichtlichen Zusammenhang gestanden wären. Tatsächlich lässt sich die Katastrophensemantik seit 1918 aber nicht von religiösen Konzepten lösen – wenn auch nur in Form einer negativen Heilsgeschichte, die zum Untergang führt (vgl. Walter 2010, 182). Gerade in der Katastrophenmetapher lässt sich so eine Dialektik der Säkularisierung beobachten, in der religiöse Deutungsmöglichkeiten nicht einfach ersatzlos entfallen.

Dieser Dialektik folgen Mythisierungen des Krieges als „Heiliger Krieg“ etwa bei Ernst Borkowsky, der alttestamentarische Katastrophenmetaphern verwendet, um „Jehova“ als „Kriegsgott“ zu beschwören (Borkowsky 1915, 57). Albert Ehrenstein greift das Motiv vom ‚Kriegsgott‘ in seinem gleichnamigen Gedicht auf. Bei ihm erscheint das lyrische Ich in der Rolle des griechischen Kriegsgottes Ares, der die Erde „zerschmetter[t]“ und ein apokalyptisches Szenario überblickt (Ehrenstein 1914/1997, 93). Solche mythologisch-apokalyptischen Darstellungen sind durchaus zeittypisch. Wie Klaus Vondung (1988) gezeigt hat, haben die theologischen Konnotationen des Katastrophenbegriffs gerade dort fortbestanden, wo der Erste Weltkrieg als Apokalypse gedeutet wurde. Neu war, dass der Begriff der Apokalypse von seiner heilsgeschichtlich-optimistischen Bedeutung gelöst wurde. Mit ihm verband sich nun gerade nicht mehr die Möglichkeit einer Erlösung, sondern er erschien nur noch als ein Weltgericht, das sein Urteil über den Untergang der Menschheit gefällt hatte – und zwar über das Kriegsende hinaus. Die Katastrophe markiert nicht mehr das eschatologische Ende der Geschichte, sondern das Verharren in diesem Endzustand.

Wie verbreitet die Auffassung eines katastrophalen Endzustands der Kultur in der Weimarer Republik war, lässt ein Zitat Arnolt Bronnens erahnen, in dem er die Berliner Zeit um 1930 charakterisiert:

Eine leere Zeit, eine eitle Zeit. Nacht für Nacht saß ich in den Bars, überall, wo man mich kannte, mit dem Faschisten-Marsch begrüßt, und bis vier Uhr früh alkoholische Mixturen süffelnd. Der Rest der Nacht gehörte dann Amor in seinen verschiedenen Gestalten. Kaum vor ein Uhr mittags kreuzte ich im Rundfunk auf, der Nachmittag gehörte unfruchtbaren Gesprächen mit Bomben-Legern und Zynikern. […] Es war etwas Erloschenes in meinem Hirn und in meinem Herzen. Es war, als ob ich für O. S. [Bronnens Oberschlesien-Roman von 1929] mit Unfruchtbarkeit gestraft worden wäre. Aber wozu denn schreiben, beruhigte ich mich wieder. Wir waren ja alle Anhänger der Katastrophen-Theorie, wir sahen den völligen Niederbruch unserer Zivilisation, unserer Kultur voraus (Bronnen 1954, 227).

Das ist zwar apologetisch, da Bronnen zu dieser Zeit bereits einem nationalistischen Kreis angehörte, der die Fortsetzung der Katastrophe nicht nur erwartet hatte, sondern aktiv vorantrieb (vgl. Kiesel 2009, 324). Aber hinter dieser „Katastrophen-Theorie“ lässt sich eben doch auch die Verbindung von traditionellen Décadence-Vorstellungen mit der Katastrophenerfahrung des Ersten Weltkrieges erkennen und damit die Idee, sich mitten im Prozess des Weltendes zu befinden.

(3) Décadence: Das Bronnen-Zitat führt so zum dritten semantischen Bereich der Katastrophenmetapher über, zu den Décadence-Vorstellungen. Für diese Verbindung ist das Werk Oswald Spenglers aufschlussreich. Denn im Untergang des Abendlandes, dessen erste Niederschrift Spengler bereits zu Kriegsbeginn vollendet hatte, verwendet er den Begriff der Katastrophe nur am Rande und recht unsystematisch. Doch schon einige Jahre später, in Jahre der Entscheidung (1933), wird für ihn die Katastrophe zu einer zentralen Metapher, mit der er seiner Ansicht nach falsche Deutungskategorien der Gegenwart ablehnt: „Und in allen Versammlungen und Zeitungen hallt das Wort Krise wider als der Ausdruck für eine vorübergehende Störung des Behagens, mit dem man sich über die Tatsache belügt, daß es sich um eine Katastrophe von unabsehbaren Ausmaßen handelt, die normale Form, in der sich die großen Wendungen der Geschichte vollziehen“ (Spengler 1961, 22; vgl. Koebner 1992, 195). Die Radikalität der Katastrophenmetapher nutzt Spengler für eine Kritik an allen Bestrebungen, den Einschnitt des Ersten Weltkriegs als bloße Krise, als historische Episode zu begreifen, die überwunden werden kann. Ihm gilt die Katastrophe als Normalfall, Sicherheit und Frieden sind der Ausnahmezustand. Die Rhetorik der Katastrophe wird dabei zum Argument für Spenglers Niedergangsprophezeiung: „Der Weltkrieg war für uns nur der erste Blitz und Donner aus der Gewitterwolke, die schicksalsschwer über dieses Jahrhundert dahinzieht“ (ebd.). Die Katastrophe ist bei Spengler das Motiv eines Geschichtsfatalismus, die alle Versuche blockiert, einen alternativen Weg der Geschichte zu denken. War die Metapher im 19. Jahrhundert noch geeignet, um Kontingenz und die prinzipielle Offenheit der Zukunft zu denken, erfüllt sie nun wieder die Funktion, die Vorstellung eines unausweichlichen kulturellen Schicksals zu plausibilisieren.

Kriegsschuldfrage und Katastrophenmetapher

Bei der in der Weimarer Republik intensiv geführten Diskussion um die Kriegsschuldfrage spielt die Katastrophenmetapher eine wichtige Rolle, wobei sie auch hier in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet wird und kein einheitliches Deutungsmuster darstellt. Dieser Umstand ist insofern bemerkenswert, als es nur mit Mühe möglich ist, zugleich von individueller Schuld zu sprechen und die Metapher der Katastrophe zu verwenden. Denn gerade im Paradigma von säkular verstandenen Naturkatastrophen war es ja nicht mehr die sündhafte Schuld der Menschen, die zur Zerstörung geführt hat, sondern die Naturkatastrophe galt als das kontingente Ergebnis eines komplexen Netzwerks von Ursachen, die sich nicht exakt berechnen lassen. Wie also wurden Schuldfrage und Katastrophenmetapher miteinander vereinbart?

Die Kriegsschuldfrage war vor allem aus zwei Gründen politisch aufgeheizt. Erstens stellte der Kriegsschuldartikel des Versailler Vertrags die Grundlage für die erheblichen Reparationsforderungen dar, und zweitens stand die Legitimität der Weimarer Republik selbst auf dem Spiel. Wer nämlich als Deutscher eine deutsche Kriegsschuld ins Gespräch brachte, musste damit rechnen, dass ihn konservative, antirepublikanische Kreise der Kriegsschuldlüge bezichtigten und ihm vorwarfen, den vermeintlichen Dolchstoß zu wiederholen, der zur Niederlage geführt hätte. „Die Kriegsschulddiskussion führt so“, wie Michael Dreyer und Oliver Lembcke konstatieren, „auf nicht allzu großen Umwegen zu einem der Hauptagitationsmittel gegen die Republik“ (1993, 226).

Zumindest in der Tendenz lässt sich erkennen, dass sich in dieser Auseinandersetzung die Metaphern von Dolchstoß und Katastrophe widersprechen. Zur Popularisierung der Dolchstoßlegende hat insbesondere eine Erklärung Hindenburgs aus dem Jahr 1919 beigetragen. Als Bühne nutzte er einen der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, die sich mit den Schuldfragen um den Ersten Weltkrieg beschäftigten. Hindenburg leugnet die Verantwortung des Militärs für die Niederlage und zitiert einen englischen General, dem zufolge die deutsche Armee von hinten erdolcht worden sei. Weder den Krieg noch die Niederlage bezeichnet er als Katastrophe. Die Katastrophenmetapher vermeidet er auch noch in seiner Biographie Aus meinem Leben (1920), in der er die Dolchstoßlegende in einer literarischen Analogie ausweitet: „Wie Siegfried unter dem hinterlistigen Speerwurf des grimmen Hagen“, so sei die Front durch revolutionäre Kräfte aus der Heimat gestürzt worden (ebd., 403). Dass Hindenburg den Krieg angesichts dieser Analogie nicht mit der Katastrophenmetapher bezeichnen kann, hängt unmittelbar mit der Frage zusammen, wer die Schuld an der Niederlage trägt. Während nämlich die Katastrophenmetapher Schuldfragen unentschieden lässt, kommt Hindenburg das Hagen-Mythem gerade deswegen so gelegen, weil hier ganz unzweifelhaft bleibt, wer Täter und wer Opfer ist.

Wenn vom Krieg hingegen als Katastrophe die Rede ist, muss die Schuld zumindest verteilt sein. Täter und Opfer lassen sich dann nicht eindeutig bestimmen. Oscar Müller spricht in Warum mußten wir nach Versailles? (1919) eine Haltung aus, die nach dem Friedensvertrag von Versailles für viele Deutsche nachvollziehbar war: Deutschland sei gezwungen worden, den Kriegsschuldartikel zu unterschreiben, es habe auch eine „psychische Mitschuld und Mitverantwortung am schließlichen Ausbruch der Katastrophe“, doch die „größere[] historische[] Schuld“ treffe „vor allem Rußland und Frankreich“ (ebd., 3). Es sei nicht die freie Wahl, sondern ein „Verhängnis“ (ebd.) gewesen, das Deutschland in den Krieg geführt habe. Ganz ähnlich argumentiert der frühere russische Politiker Michael von Taube in Der großen Katastrophe entgegen (1937). Nachdem er die Verantwortungen der Großmächte durchdekliniert hat, resümiert er: „Dies ist, wie man sieht, die internationale Summe der unmittelbaren Verantwortlichkeiten des Weltkrieges; Völker, Regierungen und Staatsoberhäupter haben, jedes an seinem Teil, dazu beigetragen“ (ebd., 363). Die Erklärung der Katastrophe kann sich weder für Müller noch für Taube monokausal auf eine Nation beschränken.

Das sieht Hans Delbrück in seiner Rede anlässlich des 10. Jahrestages des Versailler Vertrages anders. Er argumentiert, „daß die leitenden französischen Staatsmänner selber alles, was in ihren Kräften stand, getan haben, diesen Krieg zu entfesseln“, während Deutschland, „was den Willen zum Weltkriege betrifft, vollständig unschuldig“ gewesen sei (Delbrück 1930, 11f.). Um aber diese eindeutige Schuld festzustellen, ist er genötigt, die Katastrophenmetapher geschichtsphilosophisch zu wenden: „Eine solche Katastrophe kommt nicht über ein Volk ohne Verschulden“, schreibt er über den Weltkrieg (ebd., 4). Die Katastrophe dürfe also keinesfalls als eine Art Unfall aufgefasst werden, in den „die Mächte sämtlich […] hineingeschliddert seien“ (ebd., 11). Darauf besteht er vehement: „Also bloßer Zufall und Ungeschicklichkeit sollen die Welt in diese entsetzliche Katastrophe gestürzt haben. Es kann keine trostlosere Vorstellung von der Natur der Völkerschicksale geben, als einen derartigen Kultus des Zufalls. O nein!“ (ebd.). Dabei übersieht Delbrück, dass die säkularisierte Katastrophenmetapher genau einem solchen „Kultus des Zufalls“ entstammt. Also dreht er die Antwort auf die Schuldfrage einfach um und behauptet, dass es alleine „die französische Politik [war], die auf den Weltkrieg hinsteuerte“ (ebd., 12). Trotz der Katastrophenmetapher bleibt der Krieg bei ihm damit ein Ereignis im Kontinuum eines historischen Sinnzusammenhangs, in dem von Kausalitäten, freien Entscheidungen und somit von Schuld gesprochen werden kann.

Ein besonders originelles Beispiel für die Verwendung der Katastrophenmetapher in der Debatte um die Kriegsschuldfrage ist Heinrich Kanners Kaiserliche Katastrophenpolitik (1922). Auch er verteidigt die Suche nach der Kriegsschuld gegen die Semantik der Katastrophenmetapher. Nur „Denkfaule[]“ würden behaupten, dass sich „elektrische Spannungen […] unvermeidlicherweise in einem Krieg entladen hätten“ (ebd., 389). Wie Delbrück lehnt er die Metapher des Unfalls ab: „Ebenso falsch ist die Auffassung einer anderen Sorte von Denkfaulen, die den Krieg gar als Unfall aufgefaßt wissen möchten, an dem natürlich auch niemand schuld ist“ (ebd., 392). Sein Vorschlag, die Katastrophensemantik dennoch zu gebrauchen, ist allerdings ausgefeilter als bei Delbrück, da er das Kontingenzprinzip beibehält. Er vergleicht den Krieg mit einem Glücksspiel, das Politiker aus zwei Gründen eingehen: Erfolgreiche Politiker wählen den „Eroberungskrieg“, um ihre Macht weiter zu vergrößern, erfolglose Staatsmänner hingegen müssen zu einem „Katastrophenkrieg“ greifen, um zumindest noch eine Chance zu haben, ihre innenpolitische Niederlage zu verhindern (407). Zu diesem zweiten Typus einer „Katastrophenpolitik“ (ebd., 406 u. 411) zählt Kanner den habsburgischen Kaiser Franz Joseph wie auch Wilhelm II. – selbst wenn dieser erst aus Not zu einem solchen Glücksspieler geworden sei. Interessant ist Kanners Ansatz, da er mit dem Verweis auf das Glücksspiel an die Risikosemantik seit dem 18. Jahrhundert anschließt. Auch der ‚Katastrophenpolitiker‘ verhält sich bei Kanner rational, weil selbst eine verschwindend geringe Chance auf einen Sieg immer noch besser sei als die sichere innenpolitische Niederlage. Dadurch unterscheidet Kanner in seiner Verwendung der Katastrophenmetapher zwei Kontingenzformen: Die Entstehung des Krieges bleibt an die rationalen Entscheidungen der historischen Akteure gebunden. Die Frage, wer an einem Kriegsausbruch schuld hat, ist daher sinnvoll zu beantworten. Doch der Ausgang des Krieges ist nicht mit Gewissheit vorherzusagen. Darin gleicht der Krieg einem Hasardspiel.

Im Sinne einer Risikokalkulation wurde auch der Schlieffen-Plan der deutschen Militärführung interpretiert. Er sollte nach dem Zusammenbruch des Bismarckschen Bündnissystems durch die Politik Wilhelms II. das Risiko eines Zweifrontenkrieges durch entsprechende militärische Vorbereitungen und Maßnahmen handhabbar machen (vgl. Ehlert u.a. 2006). Es ging dabei um die Frage, wie man bei einer ungünstigen Ausgangslage, der Einklammerung des Reiches durch Frankreich und Russland, das Risiko einer militärischen Niederlage nicht nur ausschalten, sondern sein Management als Voraussetzung für einen militärischen Erfolg nutzen konnte. Interessanterweise enthielt der Schlieffen-Plan nun selbst wieder ein riskantes Element, nämlich die völlige Entblößung der Ostfront, um zuerst Frankreich militärisch zu besiegen, ein Moment, das die Heeresleitung im Herbst 1914, aus Befürchtungen um den Vabanque-Charakter, nicht konsequent genug verfolgte (vgl. Nebellin 2011).

Hitler selbst hat vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Interpretation des Krieges als Glücksspiel für sich übernommen und strikt danach gehandelt. Als ihn Hermann Göring davor warnte, den Krieg wie ein Vabanque-Spiel zu beginnen, antwortete Hitler: „Ich habe in meinem Leben immer va banque gespielt“ (Hill 1982, Bd.1, 162). Stellt man in Rechnung, dass Göring seine Einschätzung als Offizier im Ersten Weltkrieg aus dem Kontext des Schlieffen-Plans bezog, dann ging es ihm der Sache nach um eine Warnung davor, ohne Not eine Katastrophenpolitik im Sinne Kanners zu ergreifen. Für Hitler wiederum muss der Sieg über Frankreich ein Jahr nach dem Gespräch bedeutet haben, dass sein Vabanque-Spiel gewonnen war, mit fatalen Folgen für seine zukünftigen Angriffsplanung: Im Vabanque-Spiel sah er wohl ab diesem Zeitpunkt die Garantie des siegreichen Spiels.

Jenseits dieser Glücksspielrhetorik gab es in der Weimarer Republik aber auch Stimmen, die die Katastrophenmetapher verwenden, um die Schuldfrage schlechthin abzulehnen und damit eine neue Perspektive auf die Deutung des Krieges zu gewinnen, mit der sich neue Wege einer Friedenspolitik einschlagen lassen sollen. Zu diesen gehört beispielsweise Wilhelm Doms mit der Schrift Raum für alle hat die Erde! (1919):

Immer wieder bin ich der höchst werkwürdigen [sic] Auffassung begegnet, und journalistische Kinderei hat sie täglich breitgetreten, daß dieser Krieg das Werk Einzelner sei.
Als ob eine Katastrophe so allgemeiner Art durch den Willen einzelner, noch so mächtiger Personen heraufbeschworen werden konnte.
Gewiß, wer den Funken in das Pulverfaß wirft, wird die unmittelbare Veranlassung der Explosion. Aber das Wesentliche ist doch, daß das Pulverfaß dasteht. […] Die Dummheit ist geradezu eine Naturgewalt. Und alle großen Katastrophen sind als Ausflüsse solch stupiden Beharrungsvermögens der Geister anzusehen, zu welchem in besonders fatalen Fällen noch die seelische Triebkraft Einzelner hinzutritt. Sie machen darum den Eindruck von etwas Unabwendbarem, eines Naturereignisses (ebd., 16).

Für Doms ist der Weltkrieg nicht die Schuld von Individuen, sondern das unausweichliche Resultat einer komplexen Situation, zu der er vor allem „die ungeheuerliche Kriegsrüstung“ zählt, „die schon an und für sich mit Notwendigkeit eine Katastrophe herbeiführen mußte“ (ebd., 17). Das Pulverfass dient ihm als ein Bild, das die spannungsgeladene Ausgangssituation verdeutlicht. Um die historische Fatalität, die Unabwendbarkeit und Notwendigkeit des Krieges auszudrücken, bedient er sich hingegen der Katastrophenmetaphorik, die den Krieg als ‚Naturereignis‘ erscheinen lässt.

Eine solche Katastrophenvorstellung, wonach sich die Katastrophe als historische Notwendigkeit dem Einfluss des Menschen entzieht, bricht mit idealistischen Subjektkonzeptionen. Für den Ersten Weltkrieg lassen sich, wenn er auf diese Weise als Katastrophe imaginiert wird, keine einzelnen, ‚großen‘, handlungsmächtigen Individuen ausmachen, die alleine verantwortlich wären. Dieser Gedanke liegt auch Thomas Manns Essay Gedanken im Kriege (1915) zugrunde, in dem er den Ersten Weltkrieg als „Elementar- und Grundmacht des Lebens“ aufwertet, um dann von der „Notwendigkeit der europäischen Katastrophe“ zu sprechen (Mann 2002b, 31). Eine Notwendigkeit aber lässt sich bestenfalls hinauszögern, nicht vermeiden.

So unterschiedlich die Verwendung der Metapher in der Kriegsschuldfrage ist, lässt sich doch zumindest eine Tendenz erkennen: Während bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts Katastrophen (auch im juristischen Sinn) auf eine individuelle Schuld zugerechnet werden konnten, und sei es nur, weil man sich vor einer Gefahr nicht ausreichend geschützt hatte, entsteht mit dem Ersten Weltkrieg ein Katastrophenbegriff, bei dem sich die Schuld auf die Lebensweise eines Kollektivs verteilt und die gesamte Rechtsordnung außer Kraft setzt (Walter 2010, 181-285). Die Frage der Kriegsschuld ist zumindest in der Metapherntradition der Naturkatastrophe zu komplex, um sie mit der Schuld eines einzelnen handelnden Individuums zu beantworten. Darin zeigt sich die Nähe zwischen der Katastrophensemantik des Ersten Weltkriegs und der Idee einer „Risikogesellschaft“ (Beck 1986; vgl. Luhmann 1991), die immer mit katastrophalen Ereignissen rechnen muss, die sich nicht einfach durch bessere Voraussicht oder technischen Fortschritt vermeiden lassen.

Um es noch einmal zu betonen: Wenn hier versucht wird, einen blinden Fleck für die Schuldfrage zu skizzieren, ist das lediglich eine metaphorologische These, keine Aussage darüber, ob es nicht doch ‚tatsächlich‘ Einzelne gab, die die Katastrophe durch eine freie Entscheidung hätten verhindern können. In der Logik der Katastrophenmetapher wird aber, wenigstens dort, wo sie streng ausgelegt wird, das Konzept einer individuellen Schuld, auf dem die juristische wie auch die theologische Systematik aufbaut, aufgegeben – und zwar umso stärker, je erfolgreicher die Metapher ist. Es bleibt nur mehr ein komplexes Netzwerk von Zusammenhängen, bei dem nicht mehr plausibilisiert werden kann, was Ursache und was Folge ist, wer schuldig und wer nur betroffen ist. Und es ist zumindest zu vermuten, dass eine solche Exkulpation nicht die unwichtigste soziale Funktion der Katastrophenmetapher ist. Wer ‚Katastrophe‘ sagt, denkt wenigstens zunächst nicht an Fragen der Verantwortung. „In der Wurstelei unseres Jahrhunderts,“ so Dürrenmatt noch 1954 in seinem Vortrag „Theaterprobleme“, „gibt es keine Schuldigen und auch keine Verantwortlichen mehr. Alle können nichts dafür und haben es nicht gewollt. Es geht wirklich ohne jeden“ (Dürrenmatt 1980, 62). Mit Blick auf die gegenwärtigen Netzwerktheorien scheint dieses Deutungsmuster seine Aktualität bis heute zu behalten.

Die Umstellung von einem monokausalen auf ein poly- oder sogar transkausales Denken in komplexen Netzwerkstrukturen, wie sie sich aus der Begriffslogik der Katastrophe ergibt, spiegelt dann auch ein neues Konzept von Geopolitik wider. Im 19. Jahrhundert war die Nation sicherlich das dominante geopolitische Deutungsmuster. Nach dem Chaos der Kriegskatastrophe ließ sich die Weltgesellschaft aber kaum mehr durch lediglich nationale Narrative beschreiben. Allerdings konnte sich nach dem Ersten Weltkrieg auch keine alternative Semantik durchsetzen, mit der es gelungen wäre, die neu erfahrene geopolitische Komplexität angemessen zu erfassen. Vor diesem Hintergrund lässt sich festhalten, dass der Erste Weltkrieg insofern eine geopolitische Katastrophe war bzw. als eine solche gedeutet werden muss, als er die Strukturen von Geopolitik, soweit sie bis dahin gegolten haben, gänzlich aus den Angeln hebt und zu völlig neuen und gegebenenfalls mit der alten Ordnung inkommensurablen Strukturen führt. Dass solche geopolitische Strukturen nicht nur in Narrativen, sondern auch konkret in Literatur, Film, Bildender Kunst und Malerei verhandelt werden, darauf hat Niels Werber mit seiner Studie Die Geopolitik der Literatur (2007) aufmerksam gemacht. Er macht dabei deutlich, dass diese Komplexitätserfahrung dem 20. Jahrhundert als ein Deutungsproblem erhalten geblieben ist, nämlich als ein permanentes Überangebot von konkurrierenden Erklärungsversuchen.

Geschichtsphilosophische Dimensionen des Katastrophenbegriffs

Dieser Deutungspluralismus verändert die epistemologische Ordnung in der Zeit der Weimarer Republik. Exemplarisch lässt sich das an der Krise des Historismus ablesen. In seiner Abhandlung über den Historismus und seine Probleme (1922) bringt Ernst Troeltsch die Verbindung von Katastrophenerfahrung und wissenschaftlicher Verunsicherung auf den Punkt:

Wir theoretisieren und konstruieren nicht mehr unter dem Schutze einer alles tragenden und auch die kühnsten oder frechsten Theorien zur Harmlosigkeit machenden Ordnung, sondern mitten im Sturm der Neubildung der Welt, wo jedes ältere Wort auf seine praktische Wirkung oder Wirkungslosigkeit geprüft werden kann, wo Unzähliges Phrase und Papier geworden ist, was vorher feierlicher Ernst zu sein schien oder auch wirklich war. Da schwankt der Boden unter den Füßen und tanzen rings um uns die verschiedensten Möglichkeiten weiteren Werdens, selbstverständlich da am meisten, wo der Weltkrieg zugleich eine totale Umwälzung bedeutet hat, in Deutschland und in Rußland (Troeltsch 2008, 173).

Was in der Krise des Historismus offensichtlich wird, ist der Verlust eines metaphysischen Zentrums, eines festen Beobachterstandpunktes. Mit dem „Sturm der Neubildung der Welt“ gingen für Troeltsch alle traditionellen Ordnungsmuster verloren, die einen solchen Standpunkt garantiert hatten. Wo sich im 19. Jahrhundert verschiedene Ideologien zumindest ihrer eigenen Verbindlichkeit sicher waren, bleibt im 20. Jahrhundert nur noch, wie Karl Mannheim in Ideologie und Utopie (1929/1978) schreibt, das Bewusstsein für eine „allgemeine[] Fassung des totalen Ideologiebegriffes“ (ebd., 70) – und das bedeutet: das Bewusstsein für die Kontingenz des eigenen Denkstandorts. Wenn dieser Verlust eines metaphysischen Zentrums (wie Gott, Vernunft, Nation, Klasse oder vielleicht sogar der Kaiser) charakteristisch für das Denken der Postmoderne ist, dann ist der Erste Weltkrieg dasjenige politische Ereignis, aus dem die Postmoderne entsteht.

Für diese Vermutung gibt es zumindest noch ein zweites Indiz, das für das Verständnis des Katastrophenbegriffs wichtig ist: Die Katastrophensemantik nach dem Zweiten Weltkrieg schließt nämlich ein neues Zeitmodell ein, das jenseits eines modernen Fortschrittsdenkens steht und das sich mit der bereits erwähnten Unterscheidung zwischen der Katastrophe als Ereignis und als Zustand erläutern lässt. Solange ‚Katastrophe‘ ein Ereignisbegriff war, bezeichnete er einen Moment in der Geschichte, einen historischen Ausnahmezustand, der bewältigt werden musste, um zu einer Ordnungsstruktur zurückzukehren. Katastrophen waren in diesem Sinne Zäsuren im Lauf der Geschichte, die entweder in einer religiösen Semantik zur ‚Reinigung‘ und Wiederherstellung einer ursprünglichen Ordnung beitragen konnten, oder in einer Fortschrittssemantik die Etablierung einer neuen, besseren Ordnung ermöglichten. Wenn im 20. Jahrhundert hingegen vom Ersten Weltkrieg als Katastrophe und insbesondere als Urkatastrophe gesprochen wird, dann wird die Katastrophe als ein Zustandsbegriff konzipiert, der weder eine Rückkehr zur alten Ordnung zulässt, noch die Etablierung einer neuen Ordnung erlaubt.

Das ließ sich dann schon in der Weimarer Republik so deuten, wie es Ernst Jünger in Der Arbeiter (1932) formuliert hat: „Nach dem Waffenstillstand, der den Konflikt nur scheinbar beendet, in Wahrheit aber alle Grenzen Europas mit ganzen Systemen von neuen Konflikten umzäunt und unterminiert, bleibt ein Zustand zurück, in dem die Katastrophe als das a priori eines veränderten Denkens erscheint“ (Jünger 1981, 61). Und Jünger sieht dann die paradoxe „Notwendigkeit neuer Ordnungen, in die das Außerordentliche einbezogen ist“ (ebd., 63). Wie lässt sich aber diese Paradoxie auflösen, wie kann also die neue Ordnung einer Welt der Arbeiter, die auf stabilen Strukturen beruhen soll, gedacht werden, wenn sie sich nicht von dem Ausnahmezustand der Katastrophe lösen lässt? Dass Jüngers Konzeption einer solchen Ordnung am Ende der Geschichte letztlich unterbestimmt bleibt, lässt sich nicht zuletzt damit erklären, dass diese Frage unbeantwortet bleibt (vgl. Koch 2006, 319-330). Aber gerade weil die Katastrophe in solchen konzeptionellen Entwürfen zu einem kulturellen apriori geworden war, wurde der Ausnahmezustand für Jünger und viele andere durch den Versailler Frieden nicht beendet, sondern hat sich nach 1918 fortgesetzt.

Aus der Perspektive der Nachkriegszeit ließ sich sogar noch deutlicher sehen, dass die Katastrophe des Ersten Weltkriegs ein Stadium beginnen lässt, das durch die Kontinuität der Ausnahme charakterisiert ist. Die Geschichte von 1914 bis 1945 erscheint unter dieser Perspektive als ein Verharren in der Katastrophe, ja mehr noch als Serialität der Katastrophe, d. h. als Weg von der Urkatastrophe des Ersten Weltkriegs in die ‚große Katastrophe’, oder mit dem hebräischen Wort: in die Shoah.

Manche Beobachter der Weimarer Republik versuchten, trotz der Kriegserfahrung ihren Fortschrittsoptimismus mit der Katastrophenmetapher zu versöhnen. Theodor Salburg-Falkenstein schreibt beispielsweise im Vorwort zu seinem Kriegstagebuch: „Auch die furchtbarste Katastrophe, die Millionen Opfer fordert, ist nur ein Übergang, eine Stufe zu weiterer Erkenntnis, eine Sühne begangener Fehler und Irrtümer“ (1920, III). Das ist der Versuch, an einem geschichtsphilosophischen Optimismus festzuhalten und den Krieg in die Kontinuität des 19. Jahrhunderts einzuordnen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Statistiker Hermann Losch. Für ihn ist die „Katastrophe des Weltkriegs […] ein notwendiges Stadium der Geschichte der Menschheit“ (Losch 1919, 48). Seine optimistische Sicht auf die Zukunft ist wirtschaftlich begründet. Den Weltkrieg sieht er als einen Katalysator, der einen Prozess volkswirtschaftlichen Wandels von einer Erwerbs- zu einer Bedarfswirtschaft beschleunigt. Dieser zu begrüßende Effekt muss Losch zufolge in der Katastrophenmetapher berücksichtigt werden: „‚Katastrophe‘ bedeutet hier nicht etwa nur Vernichtung und Einschrumpfung auf der einen, sondern auch Anschwellen und Verdienen auf der anderen Seite“ (ebd., 55). Wenn Joseph Schumpeter dann im Jahr 1942 das Konzept einer „schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter 1942/1950, 134) entwickelt, verlegt er die Revolutionen zwar ins Innere des Wirtschaftssystems – die Veränderungen entstünden weniger durch den Krieg als durch die Verwendung neuer Produktionstechniken –, er schließt aber auch an das katastrophische Konzept an, dem zufolge die Produktivität nur gesteigert wird, wenn alte Strukturen zerstört werden.

Die Katastrophenmetapher kann allerdings auch im entgegengesetzten Sinn für eine pessimistische Geschichtserwartung verwendet werden. So leitet die paneuropäische Bewegung ihre Forderung nach einer europäischen Einheit daraus ab, dass das nach dem Krieg „zersplitterte Europa […] einer dreifachen Katastrophe entgegen[geht]“ (Coudenhove-Kalergi 1925, 9). Diese dreifache Katastrophe besteht für Coudenhove-Kalergi in der Drohung eines zweiten Weltkrieges, in einer Eroberung Europas durch Russland und in einer wirtschaftlichen Hegemonie der USA. Auch in dieser Vorstellung zeichnet sich ab, dass die Katastrophe nicht mehr als singuläres Ereignis betrachtet wird, das überwunden werden kann, sondern in der Zukunft weiterzuwirken und wiederzukehren droht.

Bereits im Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916 wurde die Katastrophenmetapher mit einer geschichtsphilosophischen Bedeutung aufgeladen. Über die ersten zweieinhalb Jahre des Krieges heißt es dort: „Diese Katastrophe, die das Band einer gemeinsamen tausendjährigen Zivilisation nicht hat aufhalten können, trifft die Menschheit in ihren wertvollsten Errungenschaften. Sie droht, den geistigen und materiellen Fortschritt, der den Stolz Europas zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts bildete, in Trümmer zu legen“ (Michaelis/Schraepler o.J., 68). Die Katastrophe ist hier nicht etwa die Metapher für das Massensterben der Soldaten oder für die Totalisierung des Krieges, sondern für den Bruch mit dem Glauben an einen Fortschritt in Wissenschaft und Ökonomie. Das Deutungsmuster der Katastrophe führt so zu einer Revision der optimistischen Geschichtsphilosophie aus der Vorkriegszeit.

Prominent findet sich dieser Gedanke in Walter Benjamins Thesen Über den Begriff der Geschichte, die erstmals 1942 posthum als Privatdruck des Instituts für Sozialforschung in Los Angeles erschienen sind. In der berühmten neunten These schreibt er:

Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm (Benjamin 1974a, 697f.).

Benjamins geschichtsphilosophische These verläuft entlang einer Dichotomie, deren zweite Seite vom Begriff der Katastrophe ausgeht: Wo ‚wir‘ eine „Kette von Begebenheiten“, eine Kontinuität der Historie erkennen, sieht der Engel der Geschichte nur die Trümmer, die von ‚einer einzigen Katastrophe‘ stammen. Wo Heilsgeschichte und Aufklärungsoptimismus ein Ziel der Geschichte angenommen haben, sieht der moderne Historiker ein Bild von Ruinen, Toten und Zerstörung, aus dem alle Erlösungsversprechen getilgt sind. Benjamin markiert in seiner Interpretation eine geschichtsphilosophische Zäsur zwischen dem Aufklärungsoptimismus des 19. Jahrhunderts und einer Art ‚katastrophistischem Pessimismus‘ des 20. Jahrhunderts. An dieser Stelle lässt sich exemplarisch beobachten, wie die Katastrophe als permanenter historischer Zustand gedacht wird.

Über den Begriff der Geschichte ist Benjamins letzte (zumindest weitgehend) vollendete Arbeit. Er formuliert sie unter dem Eindruck des beginnenden Zweiten Weltkriegs. Man könnte also einwenden, dass die darin festgehaltene Entwicklung gar nicht das Thema des Ersten Weltkriegs berührt. Dagegen spricht allerdings eine Aussage Benjamins in einem Brief an Gretel Adorno aus dem Jahr 1940. Darin schreibt er, dass er seine geschichtsphilosophischen Gedanken schon „an die zwanzig Jahre“ mit sich herumgetragen hatte (Benjamin 2010, 311). Benjamins Thesen über die Geschichte sind also nicht so sehr ein Versuch über den Zweiten, als vielmehr ein Deutungsmuster für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Und es ist für ihn Ausdruck eines katastrophistischen Geschichtsmodells, das durch die Erfahrung des Ersten Weltkriegs ermöglicht wurde und seine Plausibilität noch lange behalten hat.

Dass dieses katastrophistische Geschichtsmodell im 20. Jahrhundert als Deutungsfigur derart plausibel bleiben konnte, liegt in der Erfahrung des Nationalsozialismus begründet. So markiert dann auch die Geschichtsphilosophie im Spätwerk Walter Benjamins den ideengeschichtlichen Bruch, der sich in der Katastrophenmetapher widerspiegelt. Das lässt sich besonders deutlich in den Zentralpark-Fragmenten erkennen: „Der Begriff des Fortschritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Daß es ‚so weiter‘ geht, ist die Katastrophe“ (Benjamin 1974b, 683). In aphoristisch verdichteter Form gehen hier Fortschrittskritik, historischer Pessimismus und Permanenz der Katastrophe eine Verbindung ein. Daran konnte die Historiographie in den folgenden Jahren anschließen.

Das Stichwort der (Ur‑)Katastrophe in der jüngeren Historiographie

In der Geschichtsschreibung unmittelbar nach 1945 wurde die Katastrophenmetapher nicht mehr auf den Ersten, sondern auf den Zweiten Weltkrieg bezogen. So bezeichnet Friedrich Meinecke in Die deutsche Katastrophe (1946) seine Gegenwart als „Endkatastrophe“ (ebd., 7), den Herbst 1918 hingegen als „Zusammenbruch“ (ebd., 51). Zeitgleich nennt Alexander Abusch den Nationalsozialismus die Zeit der „tiefsten nationalen Katastrophe“ Deutschlands (Abusch 1946, 32), und Fritz Helling verwendet in Der Katastrophenweg der deutschen Geschichte (1947) die Katastrophenmetapher als Fluchtpunkt seiner Geschichtsdarstellung, die im Zweiten Weltkrieg als der „größte[n] Katastrophe der deutschen Geschichte“ mündet (ebd., 205). In den 1950er Jahren wurde dann bereits kritisiert, dass die ‚deutsche Katastrophe‘ – insbesondere im Geschichtsunterricht der Nachkriegsjahre – beschönigt würde (vgl. Grote 1956). Als Deutungsmuster für den Ersten Weltkrieg spielte die Katastrophenmetapher zunächst kaum mehr eine Rolle

In den folgenden Jahrzehnten war vor allem Fritz Fischers Griff nach der Weltmacht (1961) dafür ausschlaggebend, dass die apologetischen Interpretationen des Ersten Weltkriegs in den Geschichtswissenschaften an Einfluss verloren. Erst dieser Wandel hat die Wiederkehr des Deutungsmusters und den Erfolg von Kennans Metapher der Urkatastrophe ermöglicht, weil sich die Verantwortung Deutschlands für beide Kriege immer schwerer bestreiten und damit deren Kontinuität kaum noch leugnen ließ. So konnte Wolfgang J. Mommsen in seinem Band Die Urkatastrophe Deutschlands (2002) resümieren: „In der Geschichtswissenschaft besteht heute weithin Einigkeit darüber, daß der Erste Weltkrieg, wie George Kennan dies formuliert hat, die ‚Urkatastrophe‘ des 20. Jahrhunderts gewesen ist“ (ebd., 14). Tatsächlich ist das Schlagwort der Urkatastrophe zu einem historiographischen Topos geworden, der immer wieder aufgegriffen wird, um auf die langfristigen Folgen des Ersten Weltkriegs hinzuweisen (Schulin 1997; Arand 2006; Burgdorff/Wiegrefe 2008; Angelow 2010; auch das Spiegel special 1 aus dem Jahr 2004 ist übertitelt mit „Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“). Noch wenn Eric Hobsbawm (1994, 7) die Zeit zwischen 1914 und 1945 als „Age of Catastrophe“ bezeichnet, bewegt er sich in diesem Metaphernfeld.

Etwa seit den 1990er Jahren wurde aber auch kritisiert, dass die Metapher der Urkatastrophe zu einer teleologischen Verknappung der Sicht auf den Ersten Weltkrieg führt. Diese Kritik wurde durch Detlev J.K. Peukerts Monographie über die Weimarer Republik (1987) vorbereitet. Peukert fordert, die Weimarer Republik als eigene Epoche zu betrachten und nicht teleologisch von ihrem Scheitern her zu erklären. In der Konsequenz lehnt er es auch ab, von einem Katastrophenzeitalter zu sprechen, und verwendet als alternatives Deutungsmuster für die Weimarer Republik die Bezeichnung „Krisenzeit der klassischen Moderne“ (ebd., 11).

Die Abkehr von der Katastrophenmetapher hat auch dazu geführt, die Geschichtsphilosophie dieser Zeit differenzierter zu bewerten. So hat Rüdiger Graf (2008, 83-133) beispielsweise im Anschluss an Peukert gezeigt, dass optimistische Zukunftsperspektiven gerade in der Anfangszeit der Weimarer Republik weit verbreitet waren. Ein katastrophistischer Pessimismus wie derjenige Benjamins kann folglich nicht als repräsentativ für die Zwischenkriegszeit als ganze aufgefasst werden.

Die Metapher der Urkatastrophe muss zudem im internationalen Vergleich differenziert betrachtet werden. Wenn man, wie in England und Frankreich, den Ersten Weltkrieg als La Grande Guerre bzw. The Great War bezeichnet wird, ist eine teleologische Perspektive nicht schon dadurch vorgegeben, dass man von einem Katastrophenzeitalter oder gar einem ‚neuen Dreißigjährigen Krieg‘ (vgl. Winkler 2011, 1197-1201) spricht. So wurde in der jüngsten Geschichtsschreibung nach der Jahrtausendwende verschiedentlich angemerkt, dass sich das Schlagwort des ‚Großen Krieges‘ besser als die Metapher der Urkatastrophe eignet, um den Ersten Weltkrieg in seiner Eigenständigkeit zu konzeptualisieren (vgl. Reimann 2004; Ullrich 2007, 726). Außerdem muss, wie Heinrich August Winkler bemerkt hat, berücksichtigt werden, dass in all denjenigen Ländern, die in der Folge des Ersten Weltkrieges ihre nationale Unabhängigkeit erlangt haben, die Metapher der Urkatastrophe wenig Zuspruch erhält (Winkler 2011, 127).

Wo es um die singuläre Verknüpfung zwischen Erstem und Zweiten Weltkrieg (vgl. Thoß 2002) und insbesondere um die Verknüpfung mit dem Komplex der Shoah geht, ist folglich ein differenzierter Umgang mit der Katastrophenmetaphorik angebracht. Der Zweite Weltkrieg als Kontext, innerhalb dessen sich die Shoah überhaupt erst ermöglichen und radikalisieren konnte, macht die unterschiedliche Qualität dieser beiden Großereignisse des 20. Jahrhunderts aus. Der Begriff der Urkatastrophe verweist aber dennoch auf historische Kontinuitäten und Konsequenzen. Reflektiert verwendet, deutet die Metapher den Ersten Weltkrieg nicht als direkte Voraussetzung oder gar als Ursache des Zweiten Weltkriegs, sondern sie verweist auf ideologische Umwälzungen, die vom Ersten Weltkrieg ihren Ausgang nehmen, die den Boden für verschiedene Entwicklungslinien bereiten und die mehr oder weniger direkt zum Zweiten Weltkrieg führen. Damit sind die nationalistischen und militaristischen Radikalisierungen ebenso gemeint wie die Ermöglichung der russischen Revolution von 1917, die zu der Verwerfungslinie, die später eine Frontlinie werden sollte, zwischen faschistischen und kommunistischen Ideologien führte. In diesem Doppelsinn ist der Erste Weltkrieg, mit dem Titel von Thomas Webers Hitler-Biografie formuliert, Hitlers erster Krieg (Weber 2011). Weber macht deutlich, wie Hitlers Erfahrungen im Ersten Weltkrieg eine politische Überzeugung profilierte, aus der er dann als Diktator den Zweiten Weltkrieg provozierte. Zumindest in dieser Perspektive treten Erster Weltkrieg und Zweiter Weltkrieg in eine Konstellation von Ur- und Folgekatastrophe, eine Konstellation, die sich über den Kalten Krieg bis ins Jahr 1989 mit seinem Zusammenbruch kommunistischer Systeme oder gar bis ins 21. Jahrhundert hinein verlängern ließe.

Eine weitere Möglichkeit, die Katastrophenmetapher zu verwenden, besteht darin, den Ersten Weltkrieg nicht als Urkatastrophe des kurzen 20. Jahrhunderts, sondern als eine Art ‚Endkatastrophe‘ des langen 19. Jahrhunderts zu betrachten (vgl. Kocka 2002; Bauer 2004; Osterhammel 2009). Denn die Singularität des Ersten Weltkriegs lässt sich nicht nur dadurch behaupten, dass er erstmals oder in besonders hohem Maße kontinentübergreifend geführt wurde. Gleichermaßen ist der Erste Weltkrieg keineswegs der erste Krieg, der in umfassendem Maße nicht allein den Sieg über den Gegner, sondern vielmehr, und verstärkt im weiteren Kriegsverlauf, die Vernichtung des Gegners bzw. seiner (Über-)Lebensbedingungen zum Ziel hatte. Das ist insbesondere dort sichtbar, wo moderne Technik und Massenvernichtung zu kriegsentscheidenden Faktoren werden, während eine Medialisierung eine neue Qualität des Schreckens einsichtig macht (und gleichzeitig auch schon propagandistisch subvertiert wird), wie im Krimkrieg (1853-1856), im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) oder im russisch-japanischen Krieg (1904/05). Und selbst die Napoleonischen Kriege und sogar der Siebenjährige Krieg ließen sich in diese Kontinuitätslinie stellen. Damit ist keineswegs bestritten, dass die Waffen- und Vernichtungstechnik im Ersten Weltkrieg ein bislang unbekanntes Niveau und Potenzial erreicht hat, doch die Einschätzung ihrer historischen Signifikanz beruht nicht auf dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, wie tiefgreifend und vernichtend er sich auch immer ausdrückt, sondern in der Interpretation eines Mentalitätswandels, der insbesondere im Begriff der Katastrophe zum Ausdruck kommt. In diesem mentalitätsgeschichtlichen Sinn kann mit der Metapher der Katastrophe plausibel gemacht werden, dass es nicht mehr möglich war, den Krieg mit traditionellen Deutungsmustern (beispielsweise aus der Tradition des Nationalismus) zu erklären.

Angesichts der Kritik an der Katastrophenmetaphorik sind einige Historiker dazu übergegangen, die Metapher entgegen ihrem semantischen Konnotationsraum auf ein bloßes Schlagwort zu reduzieren. Bisweilen entstehen dadurch rhetorische Figuren an der Grenze zur Katachrese, etwa wenn von einem ‚langen Weg in die Katastrophe‘ (Geiss 1990) oder einem ‚Weg in die Urkatastrophe‘ (Angelow 2010) die Rede ist. Diese Begriffsbildungen nehmen der Katastrophenmetapher den Aspekt einer Plötzlichkeit oder Ereignishaftigkeit, sie werden aber notwendig, um den Ersten Weltkrieg in die Kontinuität seiner Vorgeschichte einzuordnen.

Mit dem allmählichen Abebben der Fischer-Kontroverse in den 1980er Jahren, die über Jahrzehnte mit großer Intensität geführt worden war, hat auch das Interesse an der Kriegsschuldfrage in den Geschichtswissenschaften nachgelassen. Diese Entwicklung spricht für eine Beibehaltung der Katastrophenmetapher. Denn eine ihrer Stärken ist es, ein komplexes Bündel von Einflussfaktoren anzunehmen, die zum Ausbruch der Katastrophe geführt haben. In der gegenwärtigen Forschung besteht weitgehend Einigkeit darin, dass sich diese Faktoren angeben lassen und man nicht angemessen von einem ‚Hineinschlittern‘ in den Krieg sprechen kann (Schulin 1997, 5; Mommsen 2002, 15). Vielmehr lässt sich, wie beispielsweise John Keegan anführt, der Ausbruch der Katastrophe gerade an seiner Vermeidbarkeit erkennen, „weil die Kette der Ereignisse, die zu seinem Ausbruch führte, während der fünfwöchigen Krise, die dem ersten bewaffneten Zusammenstoß vorausging, noch jederzeit hätte unterbrochen werden können“ (Keegan 2001, 13).

In dieser Entwicklungslinie ist es nur konsequent, wenn Christopher Clark in seiner großen Monographie über den Ersten Weltkrieg mit der Metapher der „Schlafwandler“ ein Konzept in den Fokus rückt, das anders als die Katastrophenmetapher das Jahr 1914 nicht als scharfen historischen Einschnitt markiert. Mit dem poetischen Bild der „Schlafwandler“ greift Clark zwar auch ein altes Deutungsmuster auf, das bereits in der Zwischenkriegszeit durch Hermann Brochs gleichnamige Romantrilogie (1930-32/1994) Berühmtheit erlangte. Die Metapher imaginiert bei Clark jedoch nun die politischen Akteure als „wachsam, aber blind, von Albträumen geplagt, aber unfähig, die Realität der Gräuel zu erkennen, die sie in Kürze in die Welt setzen sollten“ (Clark 2013, 718). Schlafwandlern gleich ließen sie sich einerseits als aktiv Handelnde ausmachen und könnten andererseits doch nicht die volle Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen. Denn die Risikokalkulation der nahenden Katastrophe sei daran gescheitert, dass die Hoffnung auf einen schnellen Sieg die Angst vor dem militärischen Zerstörungspotential aufhob.

Fazit

Mit Blick auf die Neubesetzung des Katastrophenbegriffs in der Folge des Ersten Weltkrieges und mit Blick auf die epochalen Umbrüche, die an dem entsprechenden Katastrophendiskurs deutlich werden, lässt sich vielleicht auch die paradoxale Figur einer ‚Zäsur als Bewegungsmuster‘ erklären, die diesem Handbuch zugrunde liegt. Mit ‚Zäsur als Bewegungsmuster‘ ist der Versuch gemeint, den Ersten Weltkrieg als diskontinuierliches Ereignis zu erfassen und zugleich in seiner historischen Kontinuität wahrzunehmen. Es ist gerade die Metapher der Urkatastrophe, die diese Einheit von Einschnitt und Dauer zu denken ermöglicht. Denn mit der Idee eines katastrophalen Ereignisses greift sie einerseits die Vorstellung einer Zäsur, eines historischen Einschnitts oder einer Diskontinuitätsschwelle auf, andererseits verbirgt sich hinter der Umdeutung in einen Zustandsbegriff als Ur-Katastrophe die rhetorische Strategie, diesen Umbruch als Dauer zu imaginieren. Und noch die Katastrophenrhetorik der Gegenwart, in der Umwelt-, Finanz- oder humanitäre Katastrophen kaum noch als endlich erscheinen, folgt dieser Begriffslogik. Vielleicht liegt darin der besondere Wert einer Reflexion über die Metaphorik der Katastrophe im 20. Jahrhundert, die von der Deutung des Ersten Weltkriegs angeleitet wird: Wenn sie nämlich dazu beiträgt, besser zu verstehen, worin noch in unserer Gegenwart das Problem geschichtsphilosophischer Zukunftskonzeptionen jenseits von heilsgeschichtlichen, fortschrittsgeschichtlichen oder apokalyptischen Teloi besteht.

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Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag übernimmt, mit freundlicher Genehmigung der Autoren, der Herausgeber und des Verlags, ein Kapitel aus dem voraussichtlich im April 2014 erscheinenden Buch von Niels Werber / Lars Koch / Stefan Kaufmann (Hg.): Erster Weltkrieg. Kulturwissenschaftliches Handbuch (J. B. Metzler Verlag)

Titelbild

Niels Werber / Lars Koch / Stefan Kaufmann (Hg.): Erster Weltkrieg. Kulturwissenschaftliches Handbuch.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2014.
523 Seiten, 69,95 EUR.
ISBN-13: 9783476024459

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