Ehrung eines „gesamtdeutschen“ Autors

Volker Braun wird 75

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gab wenige DDR-Schriftsteller, die schon vor 1989 als gesamtdeutsche Autoren galten. Der Dramatiker, Prosaist und Lyriker Volker Braun kann dieses Prädikat jedoch in Anspruch nehmen. Trotz seiner Kritik, vor allem an den Parteifunktionären, hatte Braun aber nie dissidente Positionen bezogen, sondern fühlte sich sozialistischen Utopien verpflichtet. So standen seine ersten Gedichtbände und Stücke in der Nachfolge seiner Vorbilder Bertolt Brecht und Wladimir Majakowski. Bei der Verleihung des Georg-Büchner-Preises im Jahre 2000 sah sich Braun noch einmal selbst als Verfechter „einer alles Gewesenen und Gedachte übersteigenden Alternative“. Seine Leser und Zuschauer hat Braun immer an seinen künstlerischen und politischen Ansichten teilhaben lassen.

Nun wird der „gesamtdeutsche“ Volker Braun 75 Jahre, und einige Verlage würdigen dieses Jubiläum unter anderem mit Neuerscheinungen des Dichters. Der Leipziger Lehmstedt Verlag wartet dabei mit einer besonderen Publikation auf: „Was immer wird, es wühlt im hier und jetzt“. Hier kommt der Jubilar überhaupt nicht zu Wort, vielmehr Weggefährten, Künstlerkollegen und Verehrer.

Die Literaturwissenschaftler Michael Opitz und Erdmut Wizisla hatten mehr als 100 Künstlerinnen und Künstler, Autorinnen und Autoren eingeladen, mit Volker Braun  in einen künstlerischen Dialog zu treten. Und zahlreich sind sie dieser Einladung gefolgt. Die Teilnehmerliste liest sich wie das Who is Who der deutschen Gegenwartskunst und -literatur: Jürgen Becker, Wolf Biermann, Thomas Böhme, Sigrid Damm, F. C. Delius, Friedrich Dieckmann, Kurt Drawert, Elke Erb, Fritz Rudolf Fries, Peter Gosse, Durs Grünbein, Christoph Hein, Rainer Kirsch, Wulf Kirsten, Angela Krauß, Friederike Mayröcker, Harald Metzkes, Martin Mosebach, Bert Papenfuß, Thomas Rosenlöcher, Friedrich Schorlemmer, Ingo Schulze, Uwe Timm, B. K. Tragelehn, Günther Uecker, Núria Quevedo, Hans-Eckardt Wenzel, Gerhard Wolf und viele andere. Wie ein weiterer Blick auf die Autoren/innen-Liste verrät: eine gesamtdeutsche Würdigung.

So vielfältig und zahlreich die Gratulanten sind, so mannigfaltig sind auch die Beiträge geworden: Gedichte, Prosatexte mit Erinnerungen und – neben diesen literarischen Widmungen auch 22 künstlerische Beilagen: Zeichnungen, Radierungen und Collagen. So ist ein interessantes „Zwiegespräch mit Volker Braun“ entstanden. Da beleuchtet der Herausgeber Erdmut Wizisla die „Arbeitsbücher“ (unter dem Titel „Werktage“) des Jubilars, wo gerade der zweite Band erschienen ist, oder der Lyriker Manfred Jendryschik erinnert sich an die gemeinsamen Lyrik-Diskussionen Anfang der siebziger Jahre. Friedrich Schorlemmer erinnert an Brauns Gedichtband „Training des aufrechten Gangs“ und sieht in ihm ein Meister der Verfremdung und seine Texte „wie einen fortwährenden Abrisskalender“. Ein zusätzlicher Hinweis: Von diesem Band erscheint auch eine Sonderausgabe mit einer Originalgrafik von Núria Quevedo in 100 nummerierten und signierten Exemplaren.

Titelbild

Michael Opitz / Erdmut Wizisla (Hg.): Was immer wird, es wühlt im Hier und Jetzt. Im Zwiegespräch mit Volker Braun.
Lehmstedt Verlag, Leipzig 2014.
288 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-13: 9783942473804

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