Skurrile Geschichten

Bernd Rauschenbach hat in seinem Erzählband „Applausordnung“ 15 Auftritte geschildert

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bernd Rauschenbachs schmaler Erzählband „Applausordnung“ versammelt 15 kurze Prosatexte, die um das Thema der „medialen Welt“ kreisen. Seien es Theater, Fernsehen, Radio oder Kino, der Biergarten oder eine Delphinshow: Die Geschichten spielen an unterschiedlichen Handlungsorten und zu verschiedensten Zeiten.

Gleich der erste kurze Text „Opus Neese“ beschreibt die moderne Welt der Interaktion: der Erzähler klinkt sich in ein Konzert (mit der „Neese gespielt“) ein, das offenbar auf einem Audioguide abläuft. Wenn selbst der Autor fragt, was das alles überhaupt solle, so bleibt der Leser nach diesem Text erst recht ziemlich ratlos zurück.

Nach diesem virtuellen Auftakt sind die anderen Geschichten dem realistischen Leben abgelauscht. In „Der schwarze Adenauer“ erinnert sich Rauschbach an einen Ferienaufenthalt bei seinen Großeltern in der Ostzone. Gespannt sitzen sie vor dem Radiogerät, denn der Vater soll in einer West-Sendung zu hören sein. Der Junge wartet an diesem Abend allerdings vergeblich auf die Servietten-Nummer, einen Zaubertrick, mit dem sein Vater nach 1945 auf Familienfeiern die deutsche Geschichte seit der Reichsgründung zum Besten gab. Die Enttäuschung hält sich allerdings in Grenzen, denn im Radio hätte die Servietten-Nummer sowieso keine Wirkung gehabt.

Die nächste Geschichte „Rauchzeichen“ protokolliert fast wörtlich ein Gespräch zwischen dem Kunsthallendirektor Lorents und dem Kunstprofessor Kietsche. Der Gedankenaustausch entwickelt sich aber sehr schnell zu einem Kietsche-Monolog, in dem sich der Künstler wichtigtuerisch über die Kunstszene echauffiert: „Kietsche – alles andere ist Schrott“. Die Titelgeschichte „Applausordnung“ erzählt dagegen von einem Personalchef einer mittelständischen Firma, der in einer Kleinstadt Mitglied im Theaterverein ist. Hier wird ein Stück zum Publikumserfolg, in dem der Erzähler durch einen Vollblutschauspieler, eine sogenannte „Rampensau“, die Applausordnung kennenlernt, von deren festem Regelwerk das gewöhnliche Theaterpublikum allerdings kaum etwas weiß. Sie entscheidet aber, ob zum Beispiel „aus großem Beifall ein Orkan mit Bravorufen und Füßetrampeln wird“.

In „Schulze-Isserstädt“ entführt uns der Autor in eine merkwürdige, ja zweifelhafte One-Man-Show im Neuen Schinkeldrom in Berlin, über deren Charakter die Feuilletonisten bislang geschwiegen haben. Auch hier fragt sich der Leser: Ist das Realtime oder doch wieder Fantasie des Autors? Weitere Handlungsorte sind ein tunesischer Biergarten, zwar mit Palmen statt mit Kastanien, oder das Delphinarium „Flipper’s Showroom“, dessen Besuch ein überraschendes Ende hat. Nach diesen eher exotischen Ausflügen wird es mit „Lötzinn“ wieder „heimisch“. Erzählt wird auf wenigen Seiten die Lebensgeschichte einer jungen Mutti (aus der Sicht des Kindes), wobei es durch einen äußerst makabren Scherz der Mutter zu einem Schrei- und Heulkrampf des Kleinen kommt. Zum Schluss will es der Autor noch einmal kurz machen, denn „es gibt ja auch kaum noch was zu erzählen“. Es wird allerdings ein „Falscher Abgang“, schließlich hat der Tod seinen Auftritt.

Alle Geschichten haben zwar einen thematischen Zusammenhalt, auf den man allerdings weniger durch die Lektüre als durch den Klappentext aufmerksam wird. Es fehlt die große „Ideen“-Klammer, die aus den 15 Auftritten ein einheitliches Stück machen könnte. Kein Wunder, entstanden die Texte doch in einem Zeitraum von dreißig Jahren. So sind es singuläre Geschichten (meist Erinnerungen), die durch ihre unterschiedlichen und zumeist humorvollen Erzählweisen eine kurzweilige Unterhaltung erlauben. Häufig bleibt aber beim Leser auch eine etwas fragende Verlegenheit zurück.

Titelbild

Bernd Rauschenbach: Applausordnung. 15 Auftritte.
Wehrhahn Verlag, Hannover 2014.
160 Seiten, 16,80 EUR.
ISBN-13: 9783865253736

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