Desillusioniert und gestrandet
Der Wiener Autor Daniel Glattauer wandelt mit seinem Roman „Geschenkt“ erneut unterhaltsam und stilsicher auf dem spannenden Grat zwischen beißender Ironie und Kitsch, zwischen leichter Unterhaltung und Gesellschaftskritik
Von Barbara Tumfart
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDaniel Glattauer (Jahrgang 1960), erfolgsverwöhnter Wiener Journalist und Schriftsteller setzt mit seinem neuesten Roman „Geschenkt“ die lange Reihe seiner Bestseller in gewohnt unterhaltsamer Art und Weise fort. Im Mittelpunkt der Handlung steht der etwas heruntergekommene, schnoddrige, zu übermäßigen Alkoholkonsum neigende Journalist Gerold Plassek, der sich mit kurzen Artikeln aus dem Bereich „Soziales“ bei einer Gratiszeitung mehr schlecht als recht seinen Lebensunterhalt verdient. Abseits dieser nicht gerade engagierten Tätigkeit bei der Zeitung besteht sein Leben aus regelmäßigen, beinahe täglich stattfindenden Trinkabenden mit einer nicht minder erfolglosen illustren Runde von Kumpels in einer Wiener Kneipe und den gelegentlichen Pflichtbesuchen bei seiner überheblichen Ex-Frau und der gemeinsamen Tochter.
Doch plötzlich ändert sich alles: Eine ehemalige Freundin meldet sich überraschend bei ihm und eröffnet ihm, dass er einen vierzehnjährigen Sohn namens Manuel hat. Da sie selbst für eine Hilfsorganisation für ein halbes Jahr nach Afrika reisen muss, bekommt Gerold den unerwarteten Auftrag, sich am Nachmittag um den jungen Burschen zu kümmern. Dieser weiß natürlich nicht, dass der Ex-Freund der Mutter in Wirklichkeit sein Vater ist und überhaupt gestalten sich die ersten Kontaktaufnahmen zwischen den Beiden als äußerst schwierig und verlaufen nicht ganz reibungslos. Eines Tages erhält allerdings die Zeitungsredaktion eine große Geldsumme für ein Hilfsprojekt über das Plassek in seinen Kurznachrichten berichtet hat. In den nun folgenden Wochen treffen regelmäßig finanzielle Zuwendungen bei der Zeitung ein, die immer im Zusammenhang mit einer Reportage von Plassek stehen. Manuel, fasziniert von dieser ominösen Spendenserie beginnt sich zusehends für die journalistische Tätigkeit von Gerold zu interessieren und hilft diesem bei den Recherchen und der Themenfindung. Nach dem Verdacht der Manipulation verlässt Plassek die Gratis-Zeitung und startet neu durch bei einem anspruchsvollen seriösen Blatt. Die Spendenserie hört aber trotzdem nicht auf und es wird immer deutlicher, dass sie in einem engen persönlichen Zusammenhang zu Plassek selbst steht.
Es wäre nicht ein Glattauer-Roman, wenn da nicht auch ein wenig die üblichen gefühlvollen Romanzen-Elemente vorkämen. So verwundert es den Leser nicht, dass sich eine hübsche, aparte und erfolgreiche Zahnärztin von Plassek offenbar angezogen fühlt, als dieser nach Jahren der Missachtung aller gültigen Zahnpflegeregeln eine Generalsanierung seines Gebisses in Angriff nimmt.
Glattauers Roman ist eine 330 Seiten umfassende, unterhaltsame bissig-ironische Gesellschaftssatire, die gekonnt eine reale Begebenheit (Stichwort „Das Wunder von Braunschweig“, eine mysteriöse Spendenserie im Jahr 2001) mit der Lebensgeschichte eines desillusionierten, gesellschaftlich und sozial gestrandeten Einzelgängers verknüpft. Ganz nebenbei liest sich das Buch auch wie ein überaus gelungener humorvoller Lebensratgeber, da Plassek durch die anonyme Spendenserie zu neuer Lebensenergie erwacht und anscheinend seine Alkoholabhängigkeit zusehends in den Griff bekommt.
Unterhaltsame, sinnreiche und sprachlich versierte neue österreichische Literatur, die sicherlich lange und mit gutem Grund einen Spitzenplatz auf den in- und ausländischen Bestsellerlisten innehaben wird.
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