Weibliche Role Models

Thomas Bleitner stellt prominente Frauen der 1920er-Jahre in Wort und Bild vor

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Der Zauber der Zwanzigerjahre ist ungebrochen.“ Mit dieser kühnen Behauptung leitet Thomas Bleitner in einen eben diesem Jahrzehnt gewidmeten Band ein. Mag er auch kühn sein, so ist er doch wahr. Noch heute ist dieses Jahrzehnt dem kollektiven Gedächtnis diverser Nationen als „Goldene Zwanziger“, „Roaring Twenties“ oder „Années Folles“ in guter Erinnerung. Genauer gesagt handelt das Buch aber nicht von diesem Jahrzehnt schlechthin, sondern von den Frauen dieser Zeit. Denn sie waren es, die sich „beim Abschneiden alter gesellschaftlicher Zöpfe“ besonders aktiv zeigten. Einige besonders prominente Vertreterinnen ihres Geschlechts stellt Bleitner in dem Buch „Frauen der 1920er Jahre“ vor, wobei sich der Text und die teils farbigen Illustrationen des großformatigen Bandes die Waage halten.

Man mag zwar nach der Lektüre der ersten Seiten leicht dem Eindruck erliegen, der Autor idealisiere die Lage der europäischen und US-Amerikanischen Frauen in den 1920er-Jahren, doch weist er schnell darauf hin, dass es sich bei der Vorstellung von „der verwegenen neuen Frau, die nicht nur alleine raucht und tanzt, sondern auch noch Auto fährt oder gar Flugzeug fliegt“, „im Großen und Ganzen“ um ein „Idealbild“ handelt. Auch verschweigt er keineswegs die damals gängigen Sexismen der Männer, mit denen nicht wenige der von ihm vorgestellten Frauen zu kämpfen hatten.

Bleitner unterteilt den Band in fünf thematische Abschnitte, in denen er die Lesenden mit jeweils drei oder vier Frauen bekannt macht, die auf ihrem jeweiligen Gebiet Herausragendes und nicht selten sogar Einzigartiges geleistet haben: „Literatur und Kunst“ (Zelda Fitzgerald, Nancy Cunard, Dorothy Parker und Tamara de Lempicka), „Society und Mode“ (Luisa Casati, Coco Chanel, Elsa Schiaparelli und Lee Miller), „Fotografie und Film“ (Claude Cahun, Clara Bow und Louise Brooks), „Cabaret und Tanz“ (Anita Berber, Kiki de Montparnasse, Lavinia Schulz und Josephine Baker) sowie „Abenteuer und Sport“ (Amelia Earhart, Suzanne Lenglen, Clärenore Stinnes).

Bleitner konzentriert sich ganz auf das Leben und Wirken der Frauen während der 1920er-Jahre. Was sie vorher oder nachher leisteten oder erlitten, interessiert ihn nur gelegentlich, und dann auch nur am Rande. Das mag man bedauern. Es lässt sich dem Buch allerdings schwerlich als Manko anrechnen, weist doch schon sein Titel darauf hin, dass es „Glamour, Stil und Avantgarde“ von Frauen in eben diesem Jahrzehnt vorstellt und nicht deren gesamte Biographie. Und vielleicht animiert die Lektüre manche Lesenden sogar dazu, sich in Buchhandlungen, Bibliothek oder Stadtbüchereien auf die Fährte der einen oder anderen der Frauen zu begeben um deren Biografie weiter zu erkunden. Schon dies wäre als Verdienst des Buches zu würdigen. Denn lohnen würde es sich alle mal.

Bleitner, der unlängst bereits mit einem kleinen Bändchen über lesende Hamburgerinnen hervorgetreten war, hat mit „Frauen der 1920er Jahre“ einen gelungenen Band vorgelegt, in dem den Lesenden beeindruckende Frauen begegnen werden. Faszinierende Persönlichkeiten sind sie ausnahmslos. Und manche von ihnen taugt auch heute noch als Role Model.

Titelbild

Thomas Bleitner: Frauen der 1920er Jahre. Glamour, Stil, Avantgarde.
Elisabeth Sandmann Verlag, München 2014.
192 Seiten, 38,00 EUR.
ISBN-13: 9783938045862

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