Luzide Lektüre

Marlene Streeruwitz feiert Bertha von Suttner

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bertha von Suttner und Marlene Streeruwitz haben so manches gemein. Einiges davon zufällig, anderes gar nicht zufällig, einiges ist bekannt, anderes weniger, einiges belanglos, anderes durchaus relevant. Dass beide Frauen Wienerinnen sind, ist beispielsweise eine zwar bekannte, aber eher zufällige und auch nicht sonderlich wichtige Koinzidenz. Gleichermaßen bekannt und wichtiger ist hingegen, dass es sich bei beiden Frauen um Schriftstellerinnen handelt. Zumindest ebenso relevant ist, dass sie beide Feministinnen sind, was bei Streeruwitz um einiges deutlicher hervortritt und darum auch bekannter sein dürfte. Die Initiatorin des Friedens-Nobelpreises Bertha von Suttner ist dafür mit ziemlicher Sicherheit als Pazifistin bekannter. Weithin unbekannt, jedoch ebenfalls nicht ganz belanglos ist, dass sie beide Zukunftsromane schrieben, Streeruwitz „Norma Desmond“ und Suttner mit „Das Maschinenzeitalter“ und „Der Menschheit Hochgedanken“ gleich deren zwei.

Nun hat Streeruwitz ihrem Œuvre eine kleinen Text hinzugefügt, in dem sie ihre mehr als 100 Jahre ältere Kollegin und Gesinnungsgenossin Suttner würdigt. Genauer gesagt handelt es sich ursprünglich um eine Rede, aus welcher der besagte – und hier zu rezensierende – Text hervorgegangen ist. Er erschien als erster Band der neuen vom mandelbaum verlag publizierten Reihe „Autorinnen feiern Autorinnen“. Dass sie 2014 ins Leben gerufen wurde, ist der Kulturabteilung der Stadt Wien zu verdanken, die seit eben diesem Jahr alljährlich eine Wiener Autorin „beauftragt“ – das jedenfalls ist die Wortwahl von Julia Danielcyk, der Literaturreferentin der Kulturabteilung der Stadt Wien –„eine Rede zu Ehren einer bedeutenden (verstorbenen) Wiener Schriftstellerin zu verfassen und diese zu veröffentlichen“. Ob es wirklich zu den Befugnissen des Kulturamtes zählt, Autorinnen zu beauftragen, bestimmte Text zu verfassen, oder ob nicht doch eher eine Bitte an Streeruwitz herangetragen wurde, sei einmal dahin gestellt, jedenfalls aber handelt es sich um eine hocherfreuliche Initiative des Wiener Kulturamtes.

Marlene Streeruwitz geht in ihrer Feier Bertha von Suttners weder auf „Das Maschinenzeitalter“ noch auf „Der Menschheit Hochgedanken“ ein, sondern konzentriert sich ganz auf deren fraglos bekanntestes Werk „Die Waffen nieder!“, womit ein Anliegen der neuen Reihe, nämlich „bestehende Zuschreibungen und Kanonisierungen in Frage zu stellen“, schon einmal unterlaufen wäre. Denn wenn Suttner kanonisiert ist, dann als pazifistische Schriftstellerin.

Streeruwitz streicht in ihrer lesenswerten Rede nicht nur heraus, wie durchkomponiert Suttners literarisch oft unterschätzter Roman ist, sondern nutzt die Gelegenheit auch zu einer ebenso heftigen wie wohlbegründeten Kritik an dem Laien-Lexikon Wikipedia, dessen „uneingeschränkte Patriarchatshegemonie“ sie beispielhaft mittels eines Vergleiches der dortigen Einträge zu Suttner und Pablo Picasso vor Augen führt. Das alleine wäre schon ein guter Grund, Streeruwitz’ Text zu lesen. Einen weiteren und noch gewichtigeren aber bietet ihre luzide und hochaktuelle Interpretation des Romans „Die Waffen nieder!“. Eindrücklich zeigt Streeruwitz, warum das opus magnum von Suttner „sicher kein Entwicklungsroman“ ist.

Schon jetzt darf man sich auf die weiteren Bände der Reihe freuen. Angekündigt sind für 2015 eine Würdigung Betty Paolis durch Marlen Schachinger und für 2016 eine Marie von Ebner-Eschenbach, deren Laudatorin noch nicht benannt ist.

Titelbild

Marlene Streeruwitz: Über Bertha von Suttner. Autorinnen feiern Autorinnen.
Mandelbaum Verlag, Wien 2014.
61 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783854764472

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch