Ein gefälliger Sturm

Leopold Maurers Bildinszenierung von William Shakespeares „The Tempest“

Von Rolf LohseRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Lohse

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es erübrigt sich, die Geschichte im einzelnen nachzuerzählen, die Shakespeare in The Tempest, auf deutsch Der Sturm, einem der großen Dramen der englischen Theatergeschichte, in Szene gesetzt hat. Prospero, der legitime Herzog von Mailand und Herr über magische Kräfte, lockt seinen Bruder Antonio, der die Macht an sich gerissen hat, auf eine abgelegene Insel. Dort korrigiert Prospero die Thronfolge dank seiner überlegenen Intrigenkunst und seiner Zauberkräfte und setzt seine Tochter Miranda als legitime Herrscherin wieder ins Recht. Dieser 1610 oder 1611 verfasste Text aus Shakespeares Spätwerk hat immer wieder die Phantasie von Theatermachern angeregt, bietet er doch vielfältige Themen, die seit 400 Jahren die Zuschauer in den Bann schlagen: Magie, Liebe, Machtkonkurrenz zwischen Thronfolgern, Entdeckung neuer Welten, Begegnung zwischen kultivierten Menschen und – gar nicht idealen – Naturwesen.

Der österreichische Autor von Bildgeschichten Leopold Maurer hat sich dieses Stoffes angenommen und pünktlich zum 400. Todestag Shakespeares seine gezeichnete Version von Der Sturm vorgelegt. In knappen Schwarz-Weiß-Zeichnungen mit polychromer Kolorierung bebildert Maurer einen Text, den er der 1987 in Wien inszenierten Bearbeitung durch Vera Sturm und Claus Peymann entnimmt. Diese modernisierte, teils etwas gestelzte, teils wunderbar schnoddrige Textversion lädt ein zu einer Modernisierung auch von Handlung und Textaussage. Maurer folgt dieser Einladung, indem er seine Version der Geschichte ins Jahr 2001 verlegt, dem Entstehungsjahr der cartoonhaften, bisweilen etwas hölzern wirkenden Ausgangsgraphiken. Die Protagonisten tragen die Kleidung und nutzen Gebrauchsgegenstände jenes Jahres. Prospero überwacht seine Insel mit Überwachungskameras und kommandiert seinen Inselgeist Ariel per PC und Internetprotokoll. Diese Aktualisierung ist vielleicht nicht in jeder Hinsicht gelungen, weil sie die Magie letztlich zu einer elektronischen Machttechnik uminterpretiert und damit das eigentlich Beunruhigende der Magie ohne wirklichen narrativen Gewinn entschärft.

Maurer vereinfacht die Handlung, die mit ihren drei Verwicklungen kaum auf den 155 Seiten des Bandes darstellbar wäre, belässt jedoch genügend Spuren etwa der nur knapp berücksichtigten Caliban-Handlung, um den Kenner des Ausgangstexts zufriedenzustellen. Die Seitenfläche von ca 25,5 x 16 cm ist meist in drei Panels unterteilt, das heißt in drei etwa gleichgroße übereinanderstehende horizontal ausgerichtete Bilder, auf denen dank der angenehmen Größe Sprechblasen und weitere Textpassagen gut lesbar sind. Bisweilen kommen zweigeteilte Seiten vor sowie mehrere ganzseitige „splash panels“, die den Beginn einer neuen Sequenz signalisieren.

Die Sequenzen sind farblich differenziert. Die Farben, die im Jahr 2015 den Graphiken nachträglich hinzugefügt wurden, werden flächig und ohne innere Differenzierungen oder Schattierungen eingesetzt. Monochrome und häufig schematisch gearbeitete Hintergründe belassen die Raumtiefe im Vagen, zentrieren den Blick jedoch auf die in durchgezogener Umrisslinie realisierten Figuren, die durch perspektivische Verkürzung ihren Ort im Raum ausreichend definieren. Die Kolorierung der Figuren bleibt über die gesamte Handlung konstant. Die auf der Umschlagrückseite des Bandes abgedruckte Galerie der zwölf handelnden Figuren im Passbildformat hält die jeweils monochrome Färbung der Kleidung, die Haarfarbe und die Hautfarbe fest. Damit ist für eindeutige Identifizierbarkeit der handelnden Figuren durch eine feststehende Farbkennung gesorgt – und gleichzeitig für den Gesamteindruck des Farbenfrohen im Gesamtband.

Der skizzenhafte, naturalistische Zeichenstil, die konstante Kolorierung der Figuren, die Verwendung monochromer flächiger und häufig leerer Hintergründe, die sparsame Ausstattung mit Requisiten, das vorherrschende horizontale Bildformat, all dies erinnert an moderne Theateraufführungen mit reduziertem Bühnenbild, die punktuell aber auch auf spektakuläre Bühnenausstattungen setzen, etwa wenn das Boot im stürmischen Meer, die Bildschirmwand oder eine stilisierte Weltraumrakete gezeigt werden. Dem möglichen Eindruck von Statik beugt der Autor sehr elegant dadurch vor, dass er bisweilen ungewöhnliche Blickpunkte oder Zoomeffekte verwendet, die zwischen Detail und der Totalen variieren. Auf der Handlungsebene beugen ebenfalls die starke Raffung und der häufige Schauplatzwechsel jeder vorzeitigen Ermüdung vor. Der Band bietet ein angenehmes Leseerlebnis und bereichert die Rezeption dieses Dramas durch eine muntere Comicversion.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

William Shakespeare: Der Sturm.
Farbig Illustriert durch Leopold Maurer.
Luftschacht Verlag, Wien 2016.
158 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783902844941

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