Coming of Rage

Natalie Buchholz gelingt mit „Der rote Swimmingpool“ ein spannendes Debüt

Von Britta TekotteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Britta Tekotte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nach einem Ausschnitt der Urteilsbegründung gegen einen jugendlichen Straftäter beginnt Natalie Buchholz‘ Debütroman mit einem Wort, das bereits viele Dichter*innen, Denker*innen und Psycholog*innen beschäftigt hat: „Eigentlich“. Ein Wort, das einen wandelbaren Charakter hat, weist es doch auf eine zweite mögliche Wirklichkeit hin und/oder auf die genau gegenteilige Wahrheit. Der Ich-Erzähler Adam, gleichzeitig die Hauptfigur des Romans, sagt im ersten Satz bereits aus, dass das vermeintlich (oder eigentlich) Gute sich doch als schlecht entpuppt: „Eigentlich war bei uns zu Hause alles gut.“ Zuhause ist nämlich zur Zeit von Adams Erzählung nichts mehr gut, nichts mehr so wie es war.

Die einzelnen Kapitel wechseln zwischen Präteritum und Präsens. In der Vergangenheit erzählt Adam die Geschichte des „Eigentlich“, im Präsens von der Verbüßung seiner Strafe, die in der Urteilsbegründung bereits angedeutet wurde. Während er Sozialstunden in der Altenpflege ableistet, lernt er eine ältere Dame und ihre Enkelin kennen, die seine erste Freundin wird. So hat die ganze Geschichte doch ein Gutes für Adam: die vielen Geschehnisse, die Trennung der Eltern, Adams Wut darüber, seine Straftat, all dies führt dazu, dass er sich in Tina verliebt und mit ihrer Hilfe gleichzeitig seine Vergangenheit verarbeitet.

Der rote Swimmingpool ist ein Coming of Age Roman, an dessen Ende Adam eine positive Entwicklung durchgemacht hat. Er ist erwachsener geworden, kann mit seiner Wut umgehen, kann die Fehler seiner Eltern nachvollziehen. Er wirkt am Ende gar weiser als der Mann, der ihn sein Leben lang großgezogen hat und dem er im Laufe der Geschichte verzeihen wird. Am Ende wirkt es nahezu, als ob der Sohn den Vater tröstet und sich um ihn kümmert: „Dann sage ich: ‚Magst du ein Toast und ein Ei? Du siehst aus, als könntest du eine Stärkung gebrauchen.‘“ Adam ist groß geworden, Adam hat aber auch an Größe gewonnen, er ist nicht mehr wütend. Die Lesenden sind bis zum Schluss nahezu detektivisch dabei, herauszufinden, was denn nun in dieser äußerlich perfekten Familie schiefgelaufen ist, was Adam angestellt hat, was ihn dazu gebracht hat, straffällig zu werden. Viele Cliffhanger halten die Lesenden bei der Stange, um am Ende endlich herauszufinden, was wirklich passiert ist. Die Auflösung ist plausibel, aber nicht unbedingt zu erwarten.

Aufgrund der Ableistung seiner Sozialstunden in der Altenpflege erlebt Adam menschliche Körper und Körpergebrechen und lernt, dass all dies zum Leben dazugehört: „Da ist er wieder, der Tod. Ich nicke, als würde das was nutzen.“ Aber aufgrund der Jugendlichkeit Adams, seines besten Freundes, seiner neuen Freundin und deren bester Freundin werden ebenso die heranwachsenden Körper beschrieben. Manchmal geschieht dies explizit, manchmal bedient sich der Ich-Erzähler dabei allegorischer Umschreibungen. Bei einer frühen Begegnung zwischen Tina und Adam drückt ihre Katze das aus, was so ähnlich auch bei Adam zu passieren scheint: „Gemächlich schlendert die Katze zu uns zurück und umkreist mit zitterndem Schwanz Tinas Beine.“

Die einzelnen Beziehungskonstellationen, die die Hauptfiguren miteinander oder in ihrem Umfeld erleben, sind thematisch verbunden: es kommen häufiger Dreieckskonstellationen vor, häufig wachsen die (einst) Jugendlichen nicht in Familien auf, in denen „alles gut“ war oder ist. So begreift Adam nach und nach, dass er selbst für sein Leben verantwortlich ist. Die persönliche Schilderung aus der Ich-Perspektive und die bis zum Schluss bestehende Spannung machen den roten Swimmingpool zu einem durchaus lesenswerten Coming of Age-Roman.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Natalie Buchholz: Der rote Swimmingpool. Roman.
Hanser Berlin, Berlin 2018.
283 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783446259096

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