Finale am Crocodile Creek

In „Missing Boy“ suchen Ted Conkaffey und Amanda Pharrell in ihrem dritten gemeinsamen Fall nach einem spurlos verschwundenen Jungen

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ted Conkaffey und Amanda Pharrell heißen die beiden Detektive, die Australiens Thriller-Shootingstar Candice Fox nun bereits zum dritten Mal ins Rennen schickt. Wie man das von der preisgekrönten Autorin von bisher sieben Spannungsromanen – weitere sechs schrieb sie zusammen mit dem US-amerikanischen Autor James Patterson – seit ihrem Debut Hades (2014, deutsch 2016) gewohnt ist, sind beide Figuren Außenseiter: er, ein Ex-Drogenfahnder, zu Unrecht als Kinderschänder verdächtigt und deshalb aus Sydney ins nordostaustralische Crimson Lake geflohen, sie wegen Mordes an einer gleichaltrigen Freundin für acht Jahre im Gefängnis gewesen. In dem kleinen Ort, in dem jeder jeden kennt, haben es die beiden nicht leicht, gegen ihren Ruf anzuleben. Aber als perfekt zusammenpassendes Detektivduo gelingen ihnen immer wieder spektakuläre Erfolge.

Diesmal, in Missing Boy, treibt sie der Fall eines verschwundenen Jungen um. Wird Conkaffey von den beiden Polizisten, die ihn aus seinem Haus in Crimson Lake abholen sollen, zunächst verdächtigt, etwas mit der mysteriösen Geschichte des achtjährigen Knaben, der, ohne eine Spur zu hinterlassen, aus einem Hotelzimmer der Stadt Cairns verschwunden ist, zu tun zu haben, stellt sich schnell heraus, dass ihn lediglich die Mutter des verschwundenen Kindes engagiert hat. Sie traut ihm mit seiner Vorgeschichte mehr als der Polizei. Da Ted und Amanda ein unzertrennliches Team sind, ist bald auch die höchst unkonventionelle und, weil man ihr die Schuld am Tod einer jungen Polizistin gibt, bei den staatlichen Ermittlungsbehörden in Misskredit geratene Amanda Pharrell mit von der Partie.  

Allein: Der Fall erweist sich als kompliziert. Denn zur Zeit seines plötzlichen Verschwindens war Richie Farrow nicht allein, sondern zusammen mit drei gleichaltrigen Jungen in einem Hotelzimmer eingesperrt, während die Eltern der vier in einem nahe gelegenen Restaurant den gemeinsamen Urlaubstag ausklingen ließen. Was noch schwerer wiegt: Kein Mensch und keine Überwachungskamera hat registriert, dass der Knabe, freiwillig oder gezwungen, das Hotel verließ. Doch die Zeit, das Kind unversehrt zurückzubekommen, läuft. Und weil die in Mannschaftsstärke in das noble Etablissement eingerückte Polizei jede Hand braucht, finden sich auch Ted und Amanda bald in die Befragungen einschlägig Vorbestrafter rund um Cairns verwickelt.

Dabei könnte die Sache für Candice Fox’ Helden zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen. Denn zum einen ist der einsam seine Tage verbringende Ted Conkaffey – Frau und Tochter haben sich von ihm, als er in Sydney unter Verdacht geriet und ins Gefängnis kam, getrennt, in Crimson Lake besteht sein Hauptumgang aus einer Hündin und einer siebenköpfigen Gänsefamilie – gerade dabei, sich neu zu verlieben. Zum anderen trifft Amanda Pharrell unter den Polizisten, die in die Fahndung nach dem Vermissten eingebunden sind, auf die psychopathisch veranlagte Joanna Fischer, die Amanda die Schuld am Tod ihrer Freundin gibt und sich mit fiesen Rachegedanken trägt. Dass just in dem Moment, wo Ted beweisen kann, dass er zusammen mit Amanda ein besseres Team abgibt als die gesamte örtliche Polizei das tut, ihm seine Ex für ein paar Tage auch noch Töchterchen Lillian überlässt, macht ihm das Leben zusätzlich kompliziert.

Souverän spinnt Candice Fox auch in Missing Boy ihr Garn, legt falsche Fährten und narrt den Leser mehr als einmal, sodass er bis zum überraschenden Ende, bei dem wieder, wie bereits in Crimson Lake (2017), dem ersten Band der Serie, Krokodile eine Rolle spielen, ausgezeichnet unterhalten wird. Nicht unwesentlich tragen dazu auch die zahlreichen komischen Episoden bei, eine Qualität der Prosa dieser Autorin, die sich erst in ihren letzten Romanen herauskristallisiert hat. Was wie ein locked-room mystery beginnt – ein achtjähriger Knabe verschwindet spurlos aus einer Schar sich selbst überlassener Gleichaltriger in einem Hotelzimmer –, wird schnell zur atemlosen Jagd mit Hindernissen auf einen Täter, der seine Verfolger immer wieder geschickt ins Leere laufen lässt. Wenn sich Amanda und Ted schließlich gar auf unterschiedlichen Spuren wiederfinden, sorgt die Autorin durch schnelle Schauplatzwechsel für ein Finale, das es in sich hat.

Titelbild

Candice Fox: Missing Boy. Thriller.
Herausgegeben von Thomas Wörtche.
Übersetzt aus dem australischen Englisch von Andrea O‘Brien.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019.
378 Seiten, 15,95 EUR.
ISBN-13: 9783518470114

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch