Attentat auf einen Attentäter

Mit „Alter Hund, neue Tricks“ legt Adrian McKinty bereits den achten Band seiner Sean-Duffy-Reihe vor

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich ist Sean Duffy nur noch für sechs Tage im Monat bei der Carrickfergus RUC. Und auch da übernimmt er, der inzwischen mit seiner kleinen Familie über dem Meer, im schottischen Portpatrick, wohnt, nicht mehr die hochbrisanten Fälle. Für die hat er in den letzten Jahren den jungen Lawson, seinen manchmal etwas zu eifrigen Nachfolger, ausgebildet. Als bei einem Carjacking-Fall aber etwas schiefgeht und der nervöse Täter den Besitzer des teuren Jaguars erschießt, erholt sich der mit allen Wassern der modernen Polizeiarbeit gewaschene Ermittler gerade auf Teneriffa. Und deshalb müssen sie noch einmal ran, die alten, auf „Schuhsohlen, das Stellen einfacher Fragen und Knochenarbeit“ vertrauenden Dinos aus den Siebzigern: Sean Duffy und der in der Regel keine Miene verziehende John McCrabban.

Adrian McKinty (Jahrgang 1968) schreibt seit 2012 an seiner Thriller-Reihe um den „katholischen Bullen“ Sean Duffy. Inzwischen ist er bei Band 8 und zeitlich Anfang der 1990er Jahre angekommen. Dass es rund um Belfast und Duffys langjährigen Wohnort Carrickfergus infolge des politischen Befriedungsprozesses, der mit dem anglo-irischen Abkommen von 1985 zumindest auf dem Papier seinen Anfang nahm, ruhiger geworden ist, kann man nicht behaupten. Immer noch muss der Mann sich vor jeder Fahrt mit seinem Dreier-BMW zunächst bücken, um die Unterseite des Autos nach Sprengstofffallen abzusuchen. Weiterhin braucht es nicht viel, damit auf den Straßen die religiös motivierte Gewalt wieder hochkocht. Und aus ihrem Exilort Dundalk im Norden der Republik Irland zündeln sie weiter, die Vertreter einer IRA, deren einer Flügel nicht ans Aufgeben denkt.

Insofern liegt Duffy auch richtig, wenn er hinter der Ermordung des Malers Quentin Townes keine Jugendlichen vermutet, die ein sie beim Autodiebstahl überraschender Mann zu einer unüberlegten Bluttat trieb, sondern einen gezielten Anschlag auf einen der IRA unbequem Gewordenen. Aber wer war dieser Bursche, über den sich so gar nichts herausfinden lässt außer der Tatsache, dass Townes wohl nicht sein richtiger Name ist? Und wie konnte er sich seinen aufwändigen Lebensstil samt Edelkarosse und Originalgrafiken von Picasso an der Wand leisten, wenn Duffy doch auf den ersten Blick erkennt, dass es offensichtlich nicht seine Malkünste waren, die ihn vermögend machten?

Während sich ihr Vorgesetzter langsam danach zu sehnen beginnt, dass der ausgeruhte Lawson an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt und die Ermittlungen übernimmt, weil Duffy und McCrabban noch nicht einmal den richtigen Namen des Mordopfers, geschweige denn einen Täter und dessen Motiv zu präsentieren in der Lage sind, folgen McKintys Helden auf die gewohnte Art, die sie noch immer zum Ziel gebracht hat, den wenigen Spuren, die es in dem vertrackten Fall gibt. Diese führen sie schließlich über die Grenze in eine durch EU-Hilfen prosperierende Republik Irland, wo die Polizeireviere Oasen der Friedfertigkeit gleichen, freundliche, unbewaffnete Polizisten auf der Suche nach ausgebüxten Katzen sind und gebrechlichen alten Menschen über die Straßen helfen.

Hier, in der nordwestlich gelegenen 30.000-Einwohner-Stadt Dundalk, haben sich einflussreiche IRA-Exilanten um den Hardliner Brendan O‘Roarke geschart, der alles unternimmt, um die zwischen Großbritannien, Irland und den USA auf der einen Seite und den gemäßigten Kräften im Armeerat der IRA auf der anderen laufenden Friedensverhandlungen zu torpedieren. Townes und noch zwei weitere hinzukommende Leichen gehörten offensichtlich zu den auf O‘Roarkes Befehl in der Nähe von Belfast installierten Schläfern, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Angehörigen der auf die Beendigung der sogenannten Troubles drängenden Fraktion im Armeerat ausschalten sollten. Aber wer war der Attentäter, der die Attentäter beseitigte?

Als Sean Duffy dem skrupellosen Killer schließlich gegenübersteht, hat er mehrere Mordanschläge überlebt, sich wieder einmal mit der CIA angelegt, gefährliche Verfolgungsjagden hinter sich gebracht und der erotischen Anziehungskraft einer neuen Nachbarin in der Coronation Road 113, seinem alten Wohnsitz in Carrickfergus, mehr schlecht als recht widerstanden. Auch seine Freundschaft mit dem knorrigen John „Crabbie“ McCrabban musste sich erneut bewähren und ganz nebenbei ist es ihm auch noch gelungen, ein paar unschöne Neonazi-Umtriebe in seinem Wohngebiet auf die ihm eigene, unaufgeregt-coole Art zu beenden.

Dass zu allem, was Sean Duffy denkt und tut, natürlich immer auch die Musik gehört – von Arvo Pärt bis zu den Sex Pistols, von Alfred Schnittke und Györgi Ligeti bis Howlin Wolf – und jene Klassiker der Literatur von Jorge Luis Borges über Lord Byron bis zu John Milton und T.S. Eliot, aus deren Werken er frei zitieren kann, wissen McKinty-Leser inzwischen längst zu schätzen. Für all diejenigen, die das Werk des in Belfast geborenen und aktuell in New York lebenden Autors schon von Anfang an verfolgen, finden sich diesmal aber auch noch ein paar raffiniert gelegte Spuren zu seiner zwischen 2003 und 2007 erschienenen Dead-Trilogie rund um den Iren Michael Forsythe. Und als wäre das alles noch nicht genug für ein wunderbar zu lesendes Buch, endet Alter Hund, neue Tricks mit den schönsten letzten Sätzen der ganzen bisherigen Sean-Duffy-Reihe

Ich öffnete die Tür zum Garten. Die Sonne schien bereits auf die Irische See. Großbritannien lag im Licht, in Irland herrschte Dunkelheit. Aber wer weiß, vielleicht nicht mehr für allzu lange.

Titelbild

Adrian McKinty: Alter Hund, neue Tricks. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Peter Torberg.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020.
380 Seiten, 15,95 EUR.
ISBN-13: 9783518470602

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