Vorbemerkungen zur Januar-Ausgabe von literaturkritik.de

Am 8. Januar 2022 wäre David Bowie 75 Jahre alt geworden. Nur zwei Tage später, am 10. Januar, jährt sich sein Todestag zum sechsten Mal. David Bowie war ein Musiker, der wie kein zweiter sein Leben als stets im Wandel befindliche Kunst inszenierte, der ein ums andere Mal eine neue Rolle annahm, mit der er seine Fans und Kritiker verwirrte, und von dem wohl niemand abseits des engsten Familienkreises mit Sicherheit behaupten kann, tatsächlich sein wahres Gesicht gekannt zu haben. Bowie inszenierte am Ende sogar seinen Tod; sein letztes Album „Blackstar“ erschien an seinem 69. Geburtstag, als Abschiedsgeschenk, denn zwei Tage später war er tot, gestorben an Leberkrebs. Er wusste um seine Krankheit und schrieb jenes letzte Album als Requiem auf sich selbst, zeigte sich in seinem letzten Videoclip „Lazarus“ mit furchterregender Augenbinde auf dem Totenbett. Die Texte wie auch das Albumcover stecken voller versteckter Hinweise auf seinen Tod, die erst nach seinem Hinscheiden offenkundig wurden.

Für unseren ersten Themenschwerpunkt in der Januar-Ausgabe sprachen wir mit dem Musiker und Schriftsteller Nicholas Currie, der unter dem Namen Momus bekannt ist und als einer der innigsten Verehrer Bowies gilt. Weiterhin nahmen wir die Erinnerungen an David Bowie zum Anlass, ausgehend von seinen bereits zahlreichen posthumen Veröffentlichungen einen Blick auf den Umgang der Musikindustrie mit dem Nachlass bedeutender Künstler zu werfen.

Anlass für den zweiten Themenschwerpunkt dieser Ausgabe ist der 100. Geburtstag eines Autors am 15. Januar, der im Juli 1984 in Ost-Berlin gestorben ist und dessen literarisch reflektierter Lebensweg mit psychisch stark belasteten Wandlungen zwischen politischen und auch (anti)religiösen Extremen in vieler Hinsicht exemplarisch für die Zeit zwischen den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs und des „Kalten Kriegs“ zwischen Ost und West danach war: der Geburtstag von Franz Fühmann. 1967 erschien von Marcel Reich-Ranicki in der ZEIT ein Artikel mit dem Titel „Der exemplarische Weg des Ostberliner Schriftstellers Franz Fühmann“. Er wird im Rahmen unseres Themenschwerpunktes zusammen mit einem früheren Aufsatz Reich-Ranickis über Fühmann erneut veröffentlicht. Beide Artikel stehen mit zwei weiteren auch in einer Sonderausgabe von literaturkritik.de über Reich-Ranickis Auseinandersetzungen mit Fühmann. Seit 1959 lag ihm daran, den in der DDR etablierten Autor auch in der BRD bekannt zu machen – nicht zuletzt mit Hinweisen auf die zunehmenden Konflikte Fühmanns mit den kulturellen Institutionen des Landes. Um diese geht es auch in den neuen Beiträgen zu unserem Fühmann-Schwerpunkt in der Januar-Ausgabe.

Wie immer enthält die Ausgabe über ihre Themenschwerpunkte hinaus eine Vielzahl von Rezensionen, Essays und Hinweisen zur Literatur, Wissenschaft und zu anderen Kulturbereichen. Im Namen unserer Redaktionen an den Universitäten in Mainz, Duisburg-Essen und Marburg wünschen unseren Leserinnen und Lesern eine angeregte Lektüre

Sascha Seiler und Thomas Anz