Hoffnungslyrik

Barbara Imgrund bekennt sich in „ReimRaum“ mit Leidenschaft zur Zuversicht

Von Thorsten PaprotnyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Paprotny

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Poesie, mitunter romantisch getönt, öffnet in diesem Gedichtband Aussichten auf die Welt und das Weltgeschehen, verbunden mit Fotos, die kontemplativ anmuten, und kündet auch von einer ostentativ bekundeten humanistischen Gesinnung, etwa wenn die Dichterin Barbara Imgrund auch über traurige Ereignisse sorgenvoll gestimmt ist, aber plakativ ihre Gedanken äußert, so über das Sterben der Geflüchteten im Mittelmeer. Der Tragik dieser Schicksale wird diese Art der Lyrik indessen nicht gerecht. Zugleich werden existenzbezogene Überlegungen entfaltet. Sie scheut sich nicht, auch in Zeiten wie diesen, von Hoffnung zu sprechen.

Ich werde Rosen pflanzen auf verbrannter Erde
und einen Apfelbaum, als gäb’s kein Morgen mehr.
Ich möchte Tauben züchten, bis ich hundert werde,
und sie in Frieden ziehen lassen übers Meer.

Die Hoffnung wider alle Hoffnungslosigkeit hegt Barbara Imgrund leidenschaftlich, davon ist sie inwendig erfüllt, ja beseelt. Sie schreibt mit einem gewissen Schneid, vom Willen zum Guten bewegt, beharrlich, manchmal nahezu verzweifelt hoffend und bisweilen auch sehr plakativ, etwa wenn sie das Recht von „Mutter Erde“ hervorhebt, die „nicht gütig“ sei, „nur gerecht“:

Sie waren einst Himmelsstürmer,
schwangen sich auf zu Herren der Welt.
Sie nannten sich Babylons Türmer
und stürzten Götter für Gold und Geld.

Die guten Absichten sind offensichtlich, die Dichterin liebt die Natur und wirbt für ihren Schutz, kritisiert, ja geißelt den Hochmut von Menschen, die zerstörerisch agieren und sich eine Herrschaft über diese Welt anmaßen, die ihnen von Natur aus nicht zukommt. So denkt Barbara Imgrund nach über die „Hand, die mächtiger ist und uns sicher lenkt“, die uns über die Stürme der Zeiten hindurch „ans rettende Land“ führt und eine „glückliche Ankunft“ schenkt. Der Mensch setzt die Segel, aber er steuert das Schiff nur bedingt, das seine Lebensreise symbolisiert – den Winden bleibt er ausgesetzt, sie treiben ihn über das Meer:

Wer weiß schon, was von uns übrigbleibt,
wenn unsere Reise zu Ende geht.

Resignativ und bekümmert klingen die Verse, auch wenn sie manchmal, aber nicht immer nachklingen und zum Nachdenken anregen. Barbara Imgrund schreibt über die „Überlebenskunst“:

Verse, die zärtlich auf Mauern blühen,
Lieder, gesummt hinter Stacheldraht,
Bilder, verfemt, die im Dunkeln glühen,
raunen, dass stets ein neuer Tag naht.

Ja, die Hoffnung gibt die Dichterin nicht auf, zugleich erregt sie sich über die Signaturen dieser Zeit, etwa vom Zorn der sogenannten Querdenker während der Corona-Pandemie. Von deren Unmut ist sie, lapidar gesagt, schlicht genervt – verständlicherweise. Doch ob ihre eigenen Verse wirklich „zärtlich auf Mauern blühen“? Es wäre schön, wenn sie das täten, aber Lesende entdecken schnell die ehrenwerten, guten Absichten, die in poetischer Gestalt erscheinen. Wir rätseln also, welche „Bilder“ hier als „verfemt“ bezeichnet werden und „im Dunkeln glühen“. Auch fragen wir uns, ob die Kunst wirklich neue Tage feiert oder mit Gedichten dieser Art neue Hoffnung schenkt? Der Zweifel wächst, wo dieser ostentativ präsentierte Hoffnungsglaube mitgeteilt und, immer wieder, beschworen wird: „Hoffnung stirbt nicht“. Der eine oder die andere mag lesend denken – das wäre schön, aber dürfen wir uns dessen so sicher sein? Die besten Absichten sind in diesem Band allgegenwärtig, so im Gedicht Willkommen:

Mein Kind, ich wünsche dir: Liebe dein Leben.
Es ist eine Reise ohne Rückkehr und Ziel.
Du wirst dich verlaufen, es wird Sackgassen geben.
Hab nur Hoffnung und Mut, dann hast du so viel.

Höre nie auf zu zweifeln, zu fragen, zu lernen.
In Dunkel und Nacht strahle stets hell dein Licht.
Stürme den Himmel, greif nach den Sternen.
Geh deinen Weg und fürchte dich nicht.

Zugegeben, Ermutigungen und Hoffnungsbotschaften brauchen Menschen in dieser Zeit gewiss, aber die Gedichte, die Barbara Imgrund vorgelegt hat, wirken wie ein mitunter strapaziöser Lobpreis auf das Gute. Lyrisch werden Sehnsüchte benannt, die menschlich verständlich sind. Dennoch wirken diese gut gemeinten, sentimental und mitunter auch rührselig klingenden Verse wie Appelle, wie Versuche, die Leserschaft zu motivieren, Hoffnung und Zuversicht zu bewahren. Vielleicht benötigen manche tatsächlich diese Art von Zuspruch und Zuruf, doch die Botschaft der Dichterin ist allgegenwärtig und durchdringt den schmalen, aufrichtig gemeinten, aber feierlich und emphatisch verfassten Gedichtband doch sehr.

Titelbild

Barbara Imgrund: ReimRaum. Gedichte in dieser Zeit.
WaRo-Verlag, Heidelberg 2021.
92 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783938344460

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