Magisch-mythischer Realismus mit einem Schuss Noir

In „Die Sieben Monde des Maala Almeida“ erzählt Shehan Karunatilaka in verblüffender Erzählkonstruktion vom Bürgerkrieg in Sri Lanka in den 1980er Jahren und vom (Zwischen-)Leben nach dem Tod

Von Karsten HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Karsten Herrmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Kriegsfotograf, Glücksspieler und schwule Schwerenöter Maali Almanda erwacht eines Morgens als ermordeter Mann und befindet sich in einem Danteschen Zwischenreich voller verlorener Seelen und Dämonen sowie einem kafkaesken Verwaltungsapparat. Hier kämpfen Gut und Böse miteinander und der Romanheld hat sieben Monde Zeit, sich zwischen den Seiten zu entscheiden und zugleich seinem Mörder auf die Spur zu kommen – war es ein politischer Anschlag oder doch eher ein Mord, der mit seinen zahlreichen Affären und Spielschulden zu tun hat?

Der 1975 in Colombo geborene Shehan Karunatilaka, der neben Romanen wie Chinamann auch Rocksongs, Drehbücher und Reiseliteratur verfasst, erzählt diese Geschichte vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs in Sri Lanka: „Die Nation ist in Ethnien aufgeteilt, die Ethnien in Lager und die Lager gehen einander an die Gurgel.“ Es herrscht ein politisches Chaos voller Gewalt und Pogromen zwischen Regierungstruppen, Separatisten und Anarchisten, bei denen die UN-Friedenstruppen und verschiedenste Hilfsorganisationen hilflos danebenstehen. Als Kriegsfotograf und Kontakthersteller für die internationale Presse war Maali Almanda zwischen die Fronten geraten und als vermeintliche Lebensversicherung hatte er unter anderem Bilder von einem Massaker an den Tamilen 1983 mit hoher politischer Beteiligung an einem geheimen Ort deponiert.

Aus dem Totenreich heraus verfolgt Maali Almanda, wie sich verschiedene Seiten auf die Suche nach den kompromittierenden Bildern machen. Vom Wind lässt er sich an die Stellen wehen, wo sein Name fällt – bei der Polizei, beim Militär, bei seinem Freund „DD“, der der Sohn eines Ministers ist, sowie seiner besten Freundin Jaki. Währenddessen versuchen die Wesen aus dem Totenreich ihn mit verschiedenen Versprechen auf ihre Seite zu ziehen – die ehemalige tamilische Aktivistin Dr. Ranee in das Licht und das Paradies, das Ungeheuer Mahakali in das schwarze Herz des Universums. Einer seiner Helfer ist der „Müllsacksensenmann“, ein junger Marxist und Untergrundkämpfer, der weiß: „Selbst das Jenseits ist darauf angelegt, die Massen dumm zu halten […]. Sie lassen dich dein Leben vergessen und drängen dich in irgendein Licht. Das Handwerkszeug der bourgeoisen Unterdrückung.“

Karunatilaka erzählt seinen 2022 mit dem Booker-Prize ausgezeichneten Roman mit Furor, schwarzem Witz und ungeschminkter Darstellung von Gewalt und Terror. Er switcht dabei zwischen dem vergangenen Leben seines moralisch alles andere als einwandfreien Protagonisten, der grausamen politischen Realität seines Landes und einem Totenreich, das bevölkert ist mit deren Opfern. Sein Grundton ist dabei ironisch-lakonisch, doch zwischen den Zeilen wird auch der moralische Impetus und die Ablehnung von Rassismus und Gewalt sehr deutlich.

Die Sieben Monde des Maala Almeida ist ein ebenso kurzweilig wie spannend zu lesender Roman mit einer originellen Erzählkonstruktion. Der mythisch-magische Realismus wird dabei gekontert mit einer klassischen Kriminalgeschichte und der (durchaus überraschenden) Aufdeckung des schändlichen Mordes am Protagonisten.

Titelbild

Shehan Karunatilaka: Die sieben Monde des Maali Almeida.
Aus dem Englischen von Hannes Meyer.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2023.
496 Seiten , 26,00 EUR.
ISBN-13: 9783498003692

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch