Der Handel von gebrauchten Büchern im 17. und 18. Jahrhundert

Eine historische Darstellung von Mark Lehmstedt widmet sich ausführlich dem zweiten Buchmarkt in Leipzig

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Geschichtsschreibung der Buchwissenschaft hat sich lange Zeit fast ausschließlich auf Produktion, Vertrieb und Handel von Novitäten beschränkt. Der Umgang mit gebrauchten Büchern wurde dagegen weitgehend vernachlässigt. In den meisten Überblicksdarstellungen zur Geschichte des Buchhandels wurde der Gebrauchtbuchhandel nur am Rande erwähnt. Dabei war „der Austausch von Nicht-Neuem“ seit der Frühen Neuzeit keine Seltenheit. Der antiquarische Buchhandel reichte von Ramschware über Restbestände von großen Auflagen bis hin zu Raritäten.

Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts gehörte das sächsische Leipzig zu den wichtigsten Standorten für deutsche Verlage und Buchgroßhändler. Bestandteil dieser vielfältigen und einflussreichen Verlagslandschaft war auch immer wieder „der zweite Buchmarkt“, Auktionen und Börsen von antiquarischen Büchern.

Der Verleger Mark Lehmstedt veröffentlicht seit geraumer Zeit die Reihe „Buchgeschichte(n)“, in denen er Arbeiten zu historischen Kapiteln der (Leipziger) Buchgeschichte präsentiert, die bisher in der Forschung eher selten berücksichtigt wurden. Nun hat er eine umfangreiche zweibändige Darstellung des Leipziger Gebrauchtbuchhandels im 17. und 18. Jahrhundert vorgelegt. Neben Auktionskatalogen benutzte Lehmstedt auch vernachlässigtes Quellenmaterial wie Annoncen in Zeitungen und Zeitschriften, Erwerbungsunterlagen von Bibliotheken oder Briefwechsel des 16. und 17. Jahrhunderts. Für den Zeitraum von mehr als einhundert Jahren durchforstete er in den Leipziger Zeitungen die Anzeigen, die Auktionen ankündigten. Dieses Material gab ihm einen Einblick in eine gesamte Branche.

In Band 1 beleuchtet Lehmstedt zunächst kurz den Handel mit gebrauchten Büchern bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Hier hat es bereits eine Reihe von Sortimentsbuchhändlern gegeben, die nebenbei auch gebrauchte Bücher im Angebot hatten. Vielleicht reichte diese Geschäftserweiterung schon bis ins 16. Jahrhundert zurück. Ausführlich widmet sich der Autor dann dem Leipziger Auktionsbuchhandel von 1670 bis 1800. Frühe Beispiele von Zwangsversteigerungen in Leipzig, die ausschließlich Bücher betrafen, gehen auf die Jahre 1603 und 1608 zurück.

Bei den späteren Leipziger Auktionen werden vier Grundtypen erkennbar: Versteigerung kompletter Bibliotheken, „gemischte Bücherauktionen“ von mehreren Besitzern, Versteigerung von Hausrat (von Porzellan über Mobiliar bis hin zu Federbetten, darunter auch Bücher) sowie Kunstauktionen mit der Versteigerung entsprechender Fachliteratur. So entwickelte sich Leipzig seit dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts nicht nur zu einem Zentrum des Buchauktionswesens, „sondern folgte auch bei der Versteigerung von Kunstgegenständen aller Art dem holländischen Vorbild“. Nicht weniger als 66 Gebrauchtbuchhändler lassen sich für diesen Zeitraum in Leipzig nachweisen. Besonders während der Buchhändlermesse kamen auch auswärtige Antiquare nach Leipzig.

Obwohl sich der Leipziger Gebrauchtbuchmarkt enorm entwickelt hatte, fehlte es an gesetzlichen Grundlagen. Erst 1816 wurden Regelungen des Handels mit antiquarischen Büchern erlassen. Im 18. Jahrhundert entstand das Antiquariat als eigenständiges Geschäftsmodell (mit der Berufsbezeichnung Antiquar). Abschließend bilanziert Lehmstedt, dass der Gebrauchtbuchhandel „an den Lese(r)revolutionen der Frühen Neuzeit gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.“

Band 2 präsentiert auf knapp 400 Seiten das Verzeichnis der Leipziger Auktionen und die Bibliografie der Leipziger Auktionskataloge von 1670 bis 1800. Grundlage des Verzeichnisses sind die Leipziger Zeitungen der Jahre 1684 bis 1800, die in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden bzw. im Stadtarchiv Leipzig überliefert sind. Zusätzlich wurden weitere Anzeigen, zufällige Funde und Online-Datenbanken berücksichtigt. Chronologisch erfasst wurden alle Auktionen, bei denen Bücher, Gemälde, Kupferstiche oder sonstige „Kunstwerke“ sowie Landkarten und Musikalien versteigert wurden. Die Versteigerungen, die meist in der Ratswollwaage auf dem Neuen Neumarkt stattfanden, zogen sich in der Regel über mehrere Tage, nicht selten sogar über mehrere Wochen hin. Häufig waren es Versteigerungen von Nachlässen von Universitätsangehörigen oder von Sammlungen von Ratsherren.

In einer Anzeige vom 25.2.1732 heißt es z.B.: „Nechstkommenden 3 Martii 1732 und folgende Tage, soll in E. Edlen Hochweisen Raths Woll-Waage allhier, eine Auction von Büchern und andern Mobilien gehalten; die Catalogi aber in der Peter-Strasse im Weinstock bey Herrn Hartmann den Papier-Händler den 26 dieses ausgegeben werden.“

Der Autor hat mit der Neuerscheinung einen bislang wenig gewürdigten Aspekt der Leipziger Stadtgeschichte erschlossen, ergänzt durch Kurzbiografien der bedeutendsten Akteure, zahlreiche historische Abbildungen und ein Verzeichnis der Archivalien. Lehmstedt weist jedoch an vielen Stellen darauf hin, dass noch viel Forschung nötig ist, um das Thema zu ergänzen und Lücken zu schließen.

Titelbild

Mark Lehmstedt: Der zweite Buchmarkt. Der Leipziger Gebrauchtbuchhandel im 17. und 18. Jahrhundert. Mit einer Bibliografie der Leipziger Auktionskataloge 1670 – 1800.
2 Bände.
Lehmstedt Verlag, Leipzig 2025.
928 Seiten, 58,00 EUR.
ISBN-13: 9783957971777

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