Die Kunst der Poesie ist die Kunst, nackt zu tanzen

Paul McCartneys "Gedichte und Songs 1965-1999"

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Schon als Teenager in Liverpool war Paul McCartney von dem Gedanken besessen, eigene Gedichte zu veröffentlichen, er schrieb also "etwas Tiefsinniges und Bedeutungsvolles", das Gedicht wurde aber zu seiner Enttäuschung von der Schülerzeitung abgelehnt. Seitdem hat er "versucht, es allen zu zeigen".

Was kann man folglich von jenem Teil des Songwriter-Duos Lennon/McCartney erwarten, der eher für die "I love you, you love me, let´s raising up a family"-Texte der Beatles zuständig war?

Zu viele Texte dieser Art sind auch in "Blackbird Singing" zu finden, Banalitäten etwa wie "But when she turns her back on the boy / He creeps up from behind / Bang Bang Maxwell´s silver hammer / Came down upon her head" (richtig: "Maxwells Silver Hammer" von der LP "Abbey Road"), Nichtigkeiten wie "Tchaico" und Tralala-Texte wie "Flaming Pie", "Mull of Kintyre" oder "Ob-la-di, ob-la-da" werden auch durch diesen Neudruck nicht besser. Dem stehen aber auch durchaus beachtliche Texte gegenüber, aus Beatles-Zeiten etwa "The Long And Winding Road", "Hey Jude" und "Eleanor Rigby". Auslöser für McCartneys neu erwachtes Interesse an der Lyrik war der Tod seines Freundes Ivan, dem eines der Gedichte gewidmet ist. "A tear is rolling / down my eye / On the sixteenth of August / Nineteen ninety-three / One door closed / Bye-bye Ivy". Seine besten Verse gelingen ihm bei der Bewältigung seiner Trauer, "Here Today" ist sein Lied für John Lennon: "But as for me / I still renember how it was before / And I am holding back the tears no more, / I love you". Zwanzig Texte sind seiner verstorbenen Frau Linda gewidmet, sie war "the brightest star", ihr galt seine Bewunderung. Liebe und Schmerz über ihren Verlust sind die Hauptmotive in Gedichten wie "To Be Said" und "Nova". Kleinen, nur wenige Zeilen umfassenden Werken steht das beinahe monumentale, fast 40 Strophen lange "Standing Stone" entgegen, das mit manchmal schwelgerischen und doch beeindruckenden und gewaltigen Metaphern ein "Standbild" inmitten der Texte darstellt. In diesem und in manch anderem Text scheint das Talent des Lyrikers McCartney durch, zeigt er, dass er sich nicht nur als Pop-Song-Schreiber, sondern auch als Dichter präsentieren kann.

Die Anthologie hätte allerdings einen wesentlich besseren Eindruck machen können, hätte man die zahlreichen Schwachstellen konsequent ausgelassen. Nicht unbedingt notwendig wäre auch die fehlerhafte deutsche Übersetzung der Gedichte und Songs gewesen, die dem Ganzen oft einen zu lockeren, zu bemüht umgangssprachlichen Tonfall geben, der nicht selten vom Original erheblich abweicht. Aus "Take A Sad Song And Make It Better" wird unversehens ein "du kannst klagen, dann geht´s dir besser", aus "I´m back in the USSR / You know how lucky you are, boy" wird gar "Hey, Moskau, bin ich wieder da / Ich liebe die rote Gefahr, ja". Sehr seltsam und äußerst hilfreich! Störend wirkt auch der pathetische Ton, in dem Adrian Mitchell im zweiten Vorwort das Werk anpreist, die Leser auffordert, "Pauls Rang in der Lyrik" zu erkennen. Diesen Rang hätte man mit etwas Zurückhaltung seitens der Zusammenstellenden eher erkennen können, so wirkt das Buch - leider - äußerst uneinheitlich und nicht durchdacht.

Titelbild

Paul McCartney: Blackbird Singing. Gedichte und Songs 1965-1999.
Übersetzt aus dem Englischen von Kristian Lutze und Werner Schmitz.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001.
256 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-10: 3462030337

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