Geburtstag von Geistesmensch
Gerhard Polt wird 60 Jahre alt
Von André Schwarz
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseMai Ling, schon 60 Jahre alt. Am 7.5.hatte er Geburtstag, der Satiriker und Kabarettist Gerhard Polt, aufgewachsen in Altötting, dem wohl katholischsten aller bayerischen Wallfahrtsorte, begann er sein Studium der Politik, Geschichte und Kunstgeschichte in München und wechselte 1962 nach Göteborg/ Schweden, um nordische Sprachen zu studieren. Dies zeigt auch schon die Dualität Polts, er ist beides, Urbayer und Weltbürger, eine Kombination, die sich nicht zwangsläufig ausschließt. Weltgewandt ist er, lebt in Bayern und Italien, hat hier wie da sein Zuhause gefunden, versteht es, die Eigenheiten und Marotten der verschiedenen Kulturen genauestens zu sezieren. Überhaupt ist Polt ein überaus gründlicher Beobachter, er "schaut dem Volk aufs Maul", genüsslich und unbarmherzig enthüllt er mit seinen Figuren die Engstirningkeit, die Kleinbürgerlichkeit und Spießigkeit der Wichtigtuer, der Möchtegerne und nicht zuletzt der Politiker. Dabei hängt er sich keineswegs an politische oder aktuelle Trends, seine Protagonisten, ob es Bürgermeister, Kurgäste, national gesinnte Gebirgsschützen oder gar Terroristen sind, sind zeitlos, ohne Verfallsdatum.
Gerhard Polt ist in vielen Medien zuhause, zunächst begann er mit klassischem Kabarett auf der Bühne, 1975 hatte er seinen ersten Auftritt in der Münchner "Kleinen Freiheit", 1978 startete im "Bayerischen Staatsfunk", dem BR, die Serie "Fast wia im richtigen Leben", die zwei Jahre später ins Abendprogramm der ARD übernommen wurde. Diese Serie war auch der Beginn der Zusammenarbeit mit seinem Freund Hanns Christian Müller und seiner TV-Partnerin Gisela Schneeberger. 1980 erhielt er den Deutschen Kleinkunstpreis, sein live im Fernsehen übertragener Auftritt in dieser Veranstaltung ist legendär: Polt sollte in der Sendung auf keinen Fall den Spitznamen des damaligen bayerischen Ministers und späteren BMI Zimmermann, "Old Schwurhand", nennen (Zimmermann war damals in eine Meineidaffäre verwickelt). Er schlug den zuständigen Redakteur mit einem ungewöhnlichen Mittel und schwieg zwei Minuten lang, nur von gelegentlichen Bemerkungen ("ist teuer, so nichts zu sagen") abgesehen. Oft sind seine Angriffe auf die führende Kaste subversiv und geradezu hinterfotzig, geschickt setzt er seine sprachlichen Fallen ein. Von der bayerischen Staatsführung wurde Polt oft in scharfer Weise gerügt, sein Auftritt in Dieter Hildebrandts "Scheibenwischer" 1982, in dem er sich gegen den Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals aussprach, bezeichnete die Landesregierung als "verleumderische und bösartige Ehrabschneidung", der Rest der Republik zeichnete Polt dafür mit dem Grimme-Preis in Silber aus. Man kann spekulieren, ob die Verleihung des Bayerischen Literaturpreises an Gerhard Polt bereits ein Wahlgeschenk Stoibers darstellt, angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl kann man dieses Friedensangebot der Staatskanzlei mit mancherlei Maß messen.
Mit der bitterbösen Versicherungs-Satire "Kehraus" (1983) fand Polt zum Film, stellte die Ohnmacht des kleinen Mannes gegenüber einer profitorientierten Wirtschaft dar, 1987 folgte die Satire "Man spricht deutsh", die Komödie "Germanicus", in dem er einen Sklaven im Rom des Jahres 374 v. Chr. spielt, wird demnächst in den Kinos anlaufen.
Zusammen mit den Well-Brüdern der Gruppe "Biermösl Blosn", mit denen er zahlreiche Kabarett- und Bühnenprogramme, etwa das Theaterstück "Tschurangrati", gemeinsam bestritt und bestreitet, ist Polt eine der wichtigsten Figuren der bayerischen und der gesamtdeutschen Szene, ein unermüdlicher Mahner und Erinnerer. Dies kommt bei Polt aber ohne erhobenen Zeigefinger daher, manchmal giftig und grantig, mal subversiv, mal derb, aber auch immer unterhaltsam. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Geistesmensch Polt noch lange die Finger in manche Wunde legt.
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