Gekerbte Tische, gekerbte Spezies

Bjørn Erik Sass' Debüt "Herrenbesuch"

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nach 26 Jahren im trauten Nest der Familie fühlen sich Kurt und Jens bereit, den Unwägbarkeiten des wahren Lebens entgegenzutreten, zuhause auszuziehen und eine WG zu gründen. Was die beiden vor allem an der Stadt reizt, ist die Aussicht, binnen kürzester Zeit - kennt man ja aus diversen Filmchen - ein Exemplar einer bislang von den beiden nur höchst unzureichend erforschtes Spezies einzufangen: Die Frau. Wer als erster erfolgreich ist, der darf den neu erworbenen Küchentisch mit einer Kerbe versehen. Gewappnet mit allerlei guten Vorsätzen und Ratschlägen, die man sich einerseits von guten Freunden, andererseits von James Stewart oder John Wayne holt - die stattliche Western-Sammlung liefert so manchen Coolness-Tip - macht man sich ran an die Damenwelt. Der Erfolg aber lässt länger auf sich warten, als den beiden lieb ist.

Was nach einer Allerweltsgeschichte klingt, entpuppt sich als ungemein witziger Debütroman des 36-jährigen Bjørn Erik Sass. Die schrulligen Charaktere des Buches peppen das recht abgedroschene Thema wirkungsvoll auf: Jens liebt seinen alten Ford Taunus über alles und gibt auch nach dem zehnten Korb in Folge nicht auf: sein Selbstbewusstsein ist durch nichts und niemanden zu erschüttern. Kurt hingegen ist ein sanfter und zurückhaltender Zeitgenosse, ein Softie erster Güte, bewandert in Feminismus und Yoga;, zu allen Widrigkeiten hat er das passende homöopathische Mittelchen, und wenn es hart auf hart kommt, gibt es ja noch Frauke, seine Homöopathin, die er in allen Fragen konsultiert.

Die übrigen Figuren treffen zwar so manches Klischee, von der hochnäsigen Apothekerin über die dumme Bauerntussi aus Bayern bis hin zum Diskohelden Ingo, doch mit leichter Hand und einer hintergründigen Ironie schafft es Sass, den Figuren ein ganz eigenes Leben einzuhauchen. Leider gibt sich der Autor mit dem Ende nicht so viel Mühe, das Finale ist eher kurz, plötzlich und schmerzlos, allerdings schadet dies und so manches esoterisch anmutendes Brimborium dem Vergnügen nur bedingt.

Titelbild

Björn-Erik Sass: Herrenbesuch. Roman.
Verlag Antje Kunstmann, München 2003.
160 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3888973201

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