Die expressionistische Welt des Zirkus'

Comic-Novität aus Frankreich

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Wunderwelt des Zirkus weckt Kindheitserinnerungen in bunten Farben - was läge da näher, als einen Comic mit und über einen Zirkus zu kreieren. In der Tat, der Autor Chauvel und sein Zeichner und Kolorist Pedrosa verstehen es herrlich zu unterhalten. In bunten, farbsatten Bildern erzählen sie die Geschichte des jungen Textilienverkäufers Jerold, den es irgendwann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in England zum Zirkus verschlägt - natürlich wegen einer Frau.

Die Autoren betrachten ihre Aufgabe weitestgehend als Illustratoren einer ebenso bunten wie zauberhaften Welt. Das Konzept geht auf, auch Dank der expressionistischen Linienführung, der die Geschichte einen Gutteil ihres Esprits und ihrer Dynamik verdankt - sozusagen "Dr. Caligari" in Farbe und Bild, und auch Winsor McCay, der Vater des modernen Comics, ist nicht fern. Diese Linienführung ist - jenseits aller Referenz - auch Garant für zündende Gags und visuelle Beschleunigungen, beispielsweise zu Beginn des Comics, als Jerold ein dem Zirkus entlaufenes Dromedar wieder einfängt.

Auch undurchsichtige Elemente bevölkern diese Zirkuswelt: Der Botschafter des Zaren, der dem Zirkus ein Winterquartier anbietet, gibt genauso sein Stelldichein wie Hellseher und Wahrsager. Gegen Ende des ersten Bandes geschieht schließlich ein Mord, der seiner Lösung mittels der übersinnlichen Fähigkeiten des Zirkuspersonals harrt. So bleibt die Geschichte herrlich selbstreferentiell, ohne dass sie deshalb störend theoriebeladen sein müsste.

Chauvel und Pedrosa nutzen eine atmosphärisch packende Szenerie zur Erprobung visueller und farblicher Gestaltungsmittel und haben damit ein ihrem Gegenstand adäquates Stilmittel gefunden. Der kleine Schott-Verlag hat wie immer mustergültige verlegerische Arbeit geleistet und zudem eine Serie auf den deutschen Markt gebracht, die ihresgleichen erst einmal finden muss. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein.

Kein Bild

David Chauvel / Cyril Pedrosa: Ring Circus. Bd. 1: Zirkusluft.
Übersetzt aus dem Französischen von Eckart Schott.
Eckart Schott Verlag Salleck Publications, Wattenheim 2002.
48 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3899080947

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