Unbewusste Modernität?
Eine Studie zur Poetik von Franz Innerhofer
Von Heribert Hoven
"Der Pflege einer kinderlosen Frau entrissen, sah Holl sich plötzlich in die Welt gestellt." Mit diesem Anfang seines ersten Roman "Schöne Tage" betrat Franz Innerhofer 1974 die literarische Szene. Die Schilderung seiner Kindheit setzte das uneheliche Kind eines Bauern, das am Hofe des Vaters als "Leibeigener" aufwuchs, mit den Romanen "Schattseite" (1975) und "Die großen Wörter" (1977) fort, in denen die Lehrzeit und die Studentenjahre in Wien verarbeitet wurden. Der erste Band der autobiografischen Holl-Trilogie löste wegen seiner radikalen Entzauberung des bäuerischen Lebens eine heftige Diskussion aus und bewirkte eine Wende in der traditionsreichen so genannten Heimatliteratur zur folgenreichen Anti-Idylle, der sich so prominente Autoren wie Bernhard, Handke, Jonke, Gruber oder Gerhard Roth anschlossen. Der zweite Band der Trilogie zeigte eine enge Verwandtschaft zur Literatur der Arbeitswelt, während der dritte von der Kritik als unangemessene Intellektuellenschelte verstanden wurde. Es folgten einige weitere Werke, die allerdings unbeachtet und erfolglos blieben. Die zunehmende Isolation trieb Innerhofer 2002 in den Selbstmord.
Die bisherige Innerhofer-Forschung, rund ein Dutzend Bücher, untersuchte vor allem die Stellung des Autors innerhalb der neuen österreichischen Literatur der 70er Jahre oder analysierte die sozialen Strukturen der von Innerhofer beschriebenen bäuerlichen, dörflichen und städtischen Welt. Die vorliegende, 1998 von Wulf Segebrecht an der Universität Bamberg als Magisterarbeit angenommene Studie von Johannes Birgfeld widmet sich demgegenüber in der Hauptsache den narrativen Strukturen und Strategien der Trilogie. Zunächst aber wird der Forschungsstand resümiert, dann werden die von Innerhofer geäußerten oder geschriebenen Kommentare zu seinen Werken oder zu denen anderer Autoren gesichtet und zu einer "expliziten Poetik" rekonstruiert. In einem dritten Teil wird die "immanente Poetik" der drei Romane als Strukturanalyse (äußere Gestalt, Thematik, Erzählergestaltung, Figurenkonstellation, Handlungsräume usw.) entfaltet und untersucht. Birgfeld kommt dabei zu dem Ergebnis, dass sich der Autor der Öffentlichkeit gegenüber zwar als dem "Experiment abgeneigt" zeigte, die neue Subjektivität aber keineswegs als unreflektiert betrachtete. Die in den Romanen zunehmende inhaltliche Inkohärenz wertet Birgfeld als das Programm eines sich radikalisierenden Montageverfahrens, das im Spannungsfeld zwischen Moderne und Postmoderne steht. Am Ende stellt Birgfeld etwas erstaunt die reichlich spekulative Frage, warum Innerhofer die eigene Modernität "verschweigen oder übersehen" konnte. Auch der Versuch, Innerhofer mit einigen markanten Standpunkten der Postmodernediskussion zu konfrontieren, lässt das Reflexionsniveau der in weiten Teilen anregenden Studie etwas absinken.
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