Wer ist Frau Griesbach?

Peter Härtling präsentiert eine Gedichtsammlung "Schiller für Kinder"

Von Hannelore PiehlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hannelore Piehler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Den größten Makel gleich vorneweg: Es hätten ruhig mehr Bilder sein dürfen. Denn Hans Traxlers humoristische Version des "Tauchers" zwischen verblüfften Haien, Klippenfischen und "stachlichten Rochen" oder seine spritzigen Illustrationen zum "Lied von der Glocke" machen einfach Lust auf mehr. Wo immer der bekannte Zeichner die Gedichte Friedrich Schillers bebildert, bleibt der Leser hängen, vertieft sich in die hintergründigen und doch märchenhaften Zeichnungen - und sucht unweigerlich auch die dazugehörigen Verszeilen. Das sorgt für Vergnügen - nicht nur bei Kindern.

Denn an diese richtet sich die kleine Sammlung von Gedichten des Klassikers, die unter dem Titel "... und mich - mich ruft das Flügeltier" erschienen ist. Peter Härtling, der die Auswahl getroffen hat, bekennt allerdings gleich im Vorwort die Schwierigkeiten, "Schiller für Kinder" aufzubereiten, und meint warnend: "Schiller war ein ernster Dichter. Darum fiel es mir schwer, für euch eine Auswahl aus seinem Werk zu treffen. Manchmal lachte er und wurde witzig. Diese wenigen Beispiele habe ich nicht übersehen." Schiller habe auch geschichtliche Abhandlungen und Erzählungen geschrieben, "die gescheit und sehr lesenswert sind", allerdings noch nicht für Kinder, wie Härtling betont.

Nein, Schillers geschichtliche Abhandlungen muss man den jungen Lesern nicht zumuten. Schillers Brief an Herzog Carl Eugen von Württemberg nach der Flucht des Dichters nach Mannheim jedoch ist - sehr überraschend - in dem schmalen Bändchen nachzulesen. Zusammen mit den bekanntesten Balladen und Gedichten ("Die Bürgschaft", "Der Taucher", "Der Handschuh"), aber auch einem kurzen Auszug aus dem Drama "Wilhelm Tell" sowie wenig bekannten Zeilen (z. B. das Gedicht "Herzgeliebte Eltern", das Schiller im Alter von nur sieben Jahren schrieb). Alles in allem keine leichte Kost für Kinder. Deshalb erklären einige Anmerkungen Härtlings besonders schwierige oder altertümliche Begriffe in den Gedichten und geben wichtige Hintergrundinformationen. Da erfährt man dann auf unterhaltsame Weise, dass eine Butterbemme eine Schnitte Brot mit Butter ist, wer Frau Griesbach ist, zu deren Geburtstag Schiller ein Gedicht verfasst hat, und dass der Dichter für das "Lied von der Glocke" eigens eine Glockengießerei in Rudolstadt besucht hat, "um zu lernen, wie der Glockenguss vor sich geht". Es hätten jedoch auch ein paar Erläuterungen mehr sein dürfen. Gedichtzeilen wie "Denn alles, wie die Mutter spricht, / Ist so entsetzlich teuer" erschließen sich Kindern nicht auf Anhieb. Dennoch ist Härtlings Gedichtauswahl ein wunderschön und liebevoll ausgestattetes (allerdings nicht ganz billiges) Buch, das letztlich wohl am ehesten für junggebliebene Erwachsene geeignet ist. Diesen jedoch wird es sicherlich Freude bereiten.

Titelbild

Schiller für Kinder. "... und mich - mich ruft das Flügeltier". Ausgewählt von Peter Härtling. Illustriert von Hans Traxler.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2004.
93 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-10: 3458172211

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