Metafiction aus den USA

David Foster Wallaces früher Roman "Der Besen im System" ist endlich übersetzt

Von Christina BacherRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Bacher

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Cleveland arbeitet Lenore Beadsman, künftige Erbin eines marktdominierenden Babynahrungsherstellers, als Telefonistin bei dem falsch verkabelten Verlag Frequent & Vigorous. "Wer ist da bitte? Das Verlagshaus? Das verwirrt mich jetzt ein bisschen. Ich habe gerade Ihre Nummer gewählt und sprach mit einer jungen Dame, die mir den Vorschlag machte, mich gegen Bezahlung körperlich zu züchtigen." "Ach so. Nein, wir haben entsetzliche Probleme mit unseren Leitungen, das ist alles." Überhaupt scheinen Lenore Beadsman ihre Probleme über den Kopf zu wachsen, denn auch ihre geliebte Großmutter ist aus ihrem Zimmer im Altersheim verschwunden - mitsamt den Mitschriften aus ihrer Studienzeit in Cambridge. In einer Wohngemeinschaft mit Candy Mandible kann Lenore zwar ihre Duschmanie ausleben, muss jedoch deren Geschwätz und den Vogel "Vlad der Pfähler" ertragen. Und als Krönung belasten sie die sexuellen Probleme mit Freund Rick, der ihr als Stimulation jeden Abend Geschichten erzählt - das ungleiche Paar landet schließlich unabhängig voneinander bei ein und demselben Psychiater. Kein Rückzugsort, nirgends also für die Hauptfigur, die sich im Laufe des Romans einbildet, sie sei selbst nur eine Protagonistin eines Romans. Dass diese Art von "Metafiction" überhaupt funktioniert, wechselt der Autor David Foster Wallace die Erzählebenen und Genres ohne Rücksicht auf Verluste. Was für manchen Leser also als gute Unterhaltung und geniale Text-Montage daherkommt, kann für andere schlichtweg Mumpitz sein. Eins steht jedoch fest: Hätte man den Roman des damals 18jährigen Autors bereits in seinem Entstehungsjahr 1962 ins Deutsche übersetzt, er hätte einem Franzen oder Foer den Wind aus den Segeln genommen. So hat er ihnen den Weg bereitet und kommt leider nur als skurriler Nachschlag daher.

Titelbild

David Foster Wallace: Der Besen im System. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Marcus Ingendaay.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004.
624 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-10: 3462034073

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