Vorbemerkung

Über den genauen Ursprung des Internationalen Frauentages kursieren unterschiedliche Varianten. Zwar ist unzweifelhaft, dass er von einem 1909 abgehaltenen Frauentag in den USA seinen Ausgang nahm und dass die 2. Internationale Frauenkonferenz der Kommunistinnen im folgenden Jahr beschloss, ihn alljährlich und international abzuhalten. Warum aber gerade am 8. März? Zunächst einmal war der Internationale Frauentag gar nicht auf dieses Datum festgelegt. Dies geschah erst 1921. Über die Gründe der Wahl des 8. März gibt es mindestens drei verschiedene Versionen. Eine lautet, im Jahre 1857 seien New Yorker Textilarbeiterinnen an diesem Tag in den Streik getreten und hätten so eine Streikwelle mit zahlreichen Demonstrationen ausgelöst. Eine Variante verlegt den Ursprung mit leichten Abänderungen ins folgende Jahr: Am 8. März 1858 hätten - wiederum - New Yorker Arbeiterinnen für gleiche Löhne demonstriert. Eine dritte Ursprungsgeschichte nennt den 8. März 1908 als Ausgangspunkt. Auch hier sind es Textilarbeiterinnen einer New Yorker Fabrik, die streikten. Dann jedoch entwickelt sich diese Variante ungleich dramatischer als die ersten beiden. Um Kontakte nach außen zu verhindern, seien die Frauen vom Besitzer der Fabrik in einer Werkshalle eingeschlossen worden. 129 von ihnen seien beim Ausbruch eines Feuers umgekommen.

Gemeinsam sind allen diesen Ursprungsgeschichten des Internationalen Frauentages die rein arbeitspolitischen Forderungen der Frauen. Das verwundert nicht, gingen die ersten Beschlüsse zu seiner jährlichen Durchführung doch auf kommunistische und sozialistische Initiative zurück. So blieb er denn auch lange Zeit weitgehend an sozialistisch-sozialdemokratische und an kommunistische Organisationen gebunden, deren frauenrechtliche Forderungen sich aber auch damals schon nicht auf den Arbeitsbereich beschränkten. Auf einer in Kopenhagen 1910 abgehaltenen Konferenz beschlossen 100 Delegierte aus 17 Ländern einstimmig, dass der jährlich im März zu organisierende Internationale Frauentag dazu beitragen solle, die Forderungen sozialistischer Frauenrechtlerinnen zu propagieren - darunter auch das Frauenstimmrecht.

Inzwischen hat sich der Internationale Frauentag von der engen Anbindung an sozialistische und kommunistische Organisationen längst gelöst und heute organisieren Feministinnen unterschiedlicher Couleur den Aktionstag mit dem Ziel der völligen Gleichberechtigung der Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen sowie der weltweiten Durchsetzung und Verwirklichung von Frauenrechten als Menschenrechten.

Nur ein einziger Frauentag von 365 Tagen im Jahr ist hierfür natürlich viel zu wenig. Deshalb sind Frauenrechte auch während des ganzen Jahres Thema von literaturkritik.de. Regelmäßig werden einschlägige Neuerscheinungen besprochen und natürlich wird dies auch weiterhin geschehen.

In dieser Ausgabe von literaturkritik.de aber wurden anlässlich des Internationalen Frauentages "Frauenrechte" zum Themen-Schwerpunkt gemacht. Das Spektrum der Beiträge ist weit gefächert. Besprochen werden literarische Werke ebenso wie literatur- und kulturwissenschaftliche Arbeite sowie juristische bzw. rechtsgeschichtliche Untersuchungen, aber auch Publikationen von Frauenrechtsorganisationen und autobiografische Berichte von Frauen, an denen Frauenrechtsverletzungen begangen wurden.

Eröffnet wird der Schwerpunkt durch ein Essay von Christa Stolle, Geschäftsführerin der im deutschsprachigen Raum bekanntesten und aktivsten Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes". Ein Interview mit Seyran Ates, Autorin des autobiographischen Berichtes "Große Reise ins Feuer" (2003) und hierzulande eine der vehementesten und bekanntesten Kritikerinnen islamisch-fundamentalistischer Frauenrechtsverletzungen, rundet den Schwerpunkt ab.

Rolf Löchel