Aufgesetzte Kiez-Coolness

Sonja M. Schultz enttäuscht in ihrem Debüt über ein Leben auf dem Kiez

Von Karsten HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Karsten Herrmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In ihrem Debut erzählt Sonja M. Schultz, die zuvor bereits als Sachautorin oder Spoken-Word-Akteurin in Erscheinung getreten ist, eine Geschichte über den Kiez und darüber, dass das Vergangene uns immer wieder einholt. Herbert, genannt Hawk, hat sich nach einer Gefängnisstrafe im Wendejahr 1989 in die Provinz zurückgezogen: „Hauptsache ein Dach überm Kopf, weit weg vom alten Mist und der großen Stadt.“ Doch der „alte Mist“ holt ihn schnell wieder ein – und zwar in Form eines Brandanschlages auf seinen geliebten roten Alfa Romeo. Er macht sich auf nach Hamburg und in seine alte Kiezheimat, um zu klären, wer aus seinem vergangenen Leben dahinter steckt.

In Rückblenden erzählt Sonja M. Schulz Hawks Lebensgeschichte, der mit 15 vor seinem gewalttätigen Vater geflohen und nach Hamburg gekommen ist. Er findet Unterschlupf in einem Seemannsheim und Arbeit am Hafen, kommt aber bald mit dem Kiez-Milieu und dem Drogenschmuggel in Berührung. Er arbeitet für Pik Johnny und steigt in der Hierarchie auf. Im „Fleur de Mal“, wo es „das billigste Bier auf zwei Kilometer und niemals Feierabend“ gab, lernt er in dieser Zeit auch die coole Lu kennen und sie werden ein Pärchen. Sowohl Pik Johnny, über den Hawk belastendes Material besitzt, als auch Lu haben nach den vielen Jahren noch eine Rechnung mit Hawk offen und er setzt sich auf ihre Spur. Aber dann kommt noch eine andere offene Rechnung aus seiner Vergangenheit ganz überraschend ins Spiel und die Lage wird brenzlig für Hawk.

Sonja M. Schulz, die Theaterwissenschaft und kulturelle Kommunikation studiert hat, erzählt die Geschichte um ihren männlichen Protagonisten in einem Wechsel aus Gegenwart und Vergangenheit. Ihre Prosa ist dabei äußerst expressiv und imaginiert eine lebendige Stadt, die ihren Rachen aufsperrt oder einem Fischmaul gleicht. Ihr Ton ist punkig, betont cool und voller Aversion gegen die „Normalos“ und das bürgerliche Leben. Das Ganze macht letztlich aber einen reichlich aufgesetzten Eindruck und ist ähnlich eindimensional wie der kürzlich erschienene Kiez-Roman von Rocko Schamoni. Die Geschichte um Hawk dümpelt eher vor sich hin, bevor sie zum Ende hin in einen Action-Plot hinüber kippt und völlig unglaubwürdig wird.

Titelbild

Sonja M. Schultz: Hundesohn. Roman.
Kampa Verlag, Zürich 2019.
317 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783311100133

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