Queen Elizabeths treuester Diener: Ein neuer Reclam-Band von Wieland Schwanebeck liefert auf 100 Seiten viel Wissenswertes zu James Bond

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Internet wird bereits geraume Zeit über das wieder und wieder verschobene Startdatum des neuen James-Bond-Films Keine Zeit zu sterben (No Time to Die) gewitzelt. Die Figuren auf dem Poster sind mit FFP2-Masken verziert, der Titel ist behutsam zu More Time to Die angepasst worden, um den immer wieder von der Coronapandemie durchkreuzten Veröffentlichungsplänen Rechnung zu tragen. Zwar taugt James Bonds solitäres Heldentum mit der Waffe in der Hand kaum als adäquates Hoffnungssymbol im pandemischen Jahr 2021; klar ist aber auch, dass auf 007 (mal wieder) die Hoffnungen der heftig kriselnden Kinobranche ruhen, um dem Jahr vielleicht doch noch einen Millionenerfolg abzutrotzen.

Um die Wartezeit auf den 25. Film der Reihe zu verkürzen und Lust auf eine Wiederbegegnung mit den bereits existierenden James-Bond-Romanen und -Filmen zu machen, veröffentlicht der Reclam-Verlag im Rahmen seiner Reihe „100 Seiten“, in der Wissen zu diversen geschichtlichen und kulturellen Themen unterhaltsam aufbereitet wird, nun einen von Wieland Schwanebeck verfassten Band über James Bond, der einerseits Hintergründe und wissenswerte Fakten zur Reihe beinhaltet, andererseits kulturwissenschaftliche Analysen bereithält.

In 007 Kapiteln führt Schwanebeck zunächst in die literarische Genese der Figur ein, in der sich eine zutiefst nostalgische, britische Sehnsucht nach alter Stärke (inmitten von Prozessen der Dekolonisierung) ausdrückt. Die ersten James-Bond-Romane der 1950er-Jahre bringen zugleich Erzählmuster des imperialen Abenteuerromans des 19. Jahrhunderts wieder in Mode und verschränken diese mit zeitgemäßen Elementen der Popkultur sowie Motiven der US-amerikanischen hard boiled-Krimischule, mit der Bonds Erfinder Ian Fleming mehr anfangen konnte als mit der englischen Genreliteratur.

In den weiteren Kapiteln des Bands wird dann auf einen chronologischen Gang durch sämtliche James-Bond-Abenteuer, wie er in anderen Enzyklopädien zum Thema favorisiert wird, verzichtet. Stattdessen werden anhand zahlreicher Beispiele, mit Illustrationen sowie Infographiken allerlei Themen und Streitpunkte rund um James Bond beleuchtet. Bonds Männlichkeit und die vieldebattierten Unterschiede zwischen den einzelnen Bond-Darstellern kommen dabei ebenso zur Sprache wie Bonds notorischer Frauenverschleiß, seine Rolle als inoffizieller britischer Kulturbotschafter, sein Verhältnis zur Monarchin und die unter der modisch-schicken Oberfläche der Filme transportierten Subtexte rund um die Zukunft des Menschengeschlechts. Ein eigenes Kapitel ist auch der Evolution der Bond-Schurken gewidmet, die sich seit dem frühen Fu-Manchu-Exotismus und den impotenten Vaterfiguren à la Blofeld allmählich in Richtung differenzierterer und facettenreicherer Varianten des Bösen entwickeln.

Neben zahlreichen Statistiken rund um die Bond-Filme, kurzen Einblicken in aktuelle wissenschaftliche Debatten wie z.B. Biopolitik sowie einer Kurzanleitung, wie man einen guten James-Bond-Titel fabriziert, liefert das Buch schließlich auch eine Antwort auf die Frage, wie die zahlreichen Widersprüche in der Besetzungspolitik miteinander auszusöhnen sind und ob Sean Connery, Roger Moore & Co. möglicherweise nur Klone desselben Ur-Bonds sind.

 

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Titelbild

Wieland Schwanebeck: James Bond. 100 Seiten.
Reclam Verlag, Stuttgart 2021.
100 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783150205778

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