Das philosophische Paradigma in der zeitgenössischen japanischen Literatur
Transhumanistische Positionen und ein Autor mit Sonderstellung
Von Lisette Gebhardt
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIm philosophischen Literaturlabor der späten Heisei-Ära
Der Autor Kazufumi Shiraishi (* 1958) ist auf dem deutschsprachigen Literaturmarkt noch eine unbekannte Größe. Im anglophonen Raum hatte der ehemalige Journalist und Herausgeber mit Raj Mahtani (1965-2018) einen ersten Übersetzer gefunden – von ihm stammt die englische Version des literarischen Gedankenfragments Stand-in Companion; die japanische Fassung des Texts wurde bislang nicht veröffentlicht. Shiraishis Debüt erfolgte mit dem Roman einer tragischen Liebe Isshun no hikari („Ein Strahl Licht“) im Jahr 2000. Auf die größte Resonanz bisher traf Kono yo no zenbu wo teki ni mawashite (2008; „Mir die ganze Welt zum Feind machend“/Me against the world). Die Geschichte einer Männerfreundschaft stellt den Ausgangspunkt für eine Generalabrechnung mit den Lebensbedingungen in modernen Gesellschaften dar, vorgetragen aus den nachgelassenen Aufzeichnungen des toten Freundes. Spätestens seit diesem Werk verbindet man Shiraishis Schreiben mit einem philosophischen Ansatz und attestiert dem Autor eine Sonderstellung innerhalb der zeitgenössischen japanischen Literatur. Allerdings ist das Verhältnis des Philosophischen zum Literarischen im Fall seiner Texte noch nicht geklärt. Zudem müsste die Frage beantwortet werden, ob nicht relativ viele Arbeiten aktueller Autoren aus Japan philosophische Anteile enthalten. So gesehen könnte man argumentieren, dass sich nahezu jeder japanische Beitrag der letzten zwei Dekaden mit existentiellen Themen befasst. Es ist wahrscheinlich eben dieser Umstand, den viele westliche Leser an der japanischen Literatur faszinierend finden. Die literarischen Einlassungen zur Situation des Menschen heute und generell sind meist sehr überraschend, oft radikal (im Feuilleton benutzt man die Vokabel verstörend), ohne Mitleid oder Rücksichtnahme auf religiöse Empfindlichkeiten, intellektuell anspruchsvoll und zudem amüsant.
Einen wichtigen Akzent setzte zu Beginn der als zero nendai bezeichneten Phase der 2000er Jahre Made in Japan, das erste und einzige Erfolgswerk der Autorin Akira Kuroda (*1977). Made in Japan ist eine Allegorie auf die Machtstrukturen in einer sinister dekadenten Welt der Aneignung, Ausbeutung und Zerstörung. Während sadomasochistische Obsessionen in härtester Gangart durchgespielt werden, hinterlässt die raffiniert aufgebaute Geschichte die Botschaft eines puren Nihilismus im Zeitalter des globalisierten Turbokapitalismus. Die Tendenz zu grundlegenden Reflexionen der menschlichen Existenz, d.h. zur Neubewertung der Authentizität modernen Lebens sowie zu Überlegungen hinsichtlich einer Welt nach dem homo sapiens war im Gefolge der Dreifachkatastrophe von Fukushima, die als Chiffre 3.11 in das kollektive Gedächtnis Japans einging, umso mehr gegeben. Zu erwähnen wäre hier Yôko Tawadas (*1960) Kentôshi (2014; „Der Emissarius“), eine postapokalyptische Studie über eine Menschheit im permanenten Stadium der Mutation. Protagonist Mumei ist als zoomorpher Mutant zwischen Vogel und Krake eine Existenzform, die die bisher mit dem aufrecht gehenden homo sapiens in Verbindung gebrachte Perzeption der Welt völlig außer Kraft setzt und am Ende eventuell ein telepathisch begabtes Transdimensionswesen darstellt, das die alte Logik hin zu einer subatomaren, mit Worten nicht mehr fassbaren „Wirklichkeit“ auflöst. Den bescheidenen Horizont des Menschen entgrenzt seinerseits der für seine parodistische, Erwartungshaltungen an das „Literarische“ sabotierende Prosa bekannte Kô Machida (*1962) im aktuellen Roman Hosana (2018), in dem er eine veritable Neokosmologie des Universums „Hund und Herr“ entwickelt; sein Konzept des „Dazwischen“, d.h. eines Interspezies-Raums und seiner Möglichkeiten (zur „Rettung“ des Menschen) durch das „Hinaustreten“ in ein Interaktionsfeld zwischen zwei Wesen hebt dabei spöttisch auf den Kulturphilosophen Tetsurô Watsuji (1889-1960) ab, der vielen als Gewährsmann für japanspezifisches Denken gilt.
Resilienzmaschinen. Kazufumi Shiraishi observiert die Möglichkeit menschlichen Glücks mit Roboterpartnern
Mit Stand-in Companion adressiert Shiraishi schwierige Themen wie die Reglementierung von Fruchtbarkeit und die Etablierung von KI-Ersatzpartnern. Anregungen mag er aus Entwicklungen im gegenwärtigen Japan bezogen haben. Dort wird seit geraumer Zeit ein Trend zu Partnerlosigkeit und Vereinzelung bzw. sozialer Isolation erkannt – kommerzielle Angebote bieten dafür heute schon Lösungen an. Bekannt wurde z.B. das Unternehmen Family Romance, das einsamen Menschen anbietet, sich zur Erfüllung des Bedürfnisses nach Nähe und Geborgenheit stundenweise Familienmitglieder zu engagieren. Das Phänomen des „Mietmenschen“ hat international Aufmerksamkeit erregt und wurde etwa auch von Michiko Milena Flašar (*1980) in Herr Katô spielt Familie (2018) aufgegriffen.
Der dystopische Entwurf Stand-in Companion umfasst sechs Abschnitte, bestehend aus Szenen, in denen das Ehepaar Hayato und Yutori sich zu seiner problematischen Vergangenheit äußert. Das Kabinettstück beschreibt eine nahe Zukunft, gekennzeichnet durch weltweite Überbevölkerung einerseits und eine schwindende Fruchtbarkeit zahlreicher Paare aus hochtechnologisierten Ländern andererseits. Auf natürlichem Wege ist es für die beiden kaum möglich, eine Schwangerschaft herbeizuführen, worunter beide Partner sehr leiden und sich einander entfremden, auch weil ihre Kommunikation nicht ausreicht. Yutori wird von einem Arbeitskollegen schwanger und trennt sich von Hayato, vorrangig aufgrund der Gesetzesvorgaben, die besagen, eine biologische Bindung zweier Partner durch die Produktion von Nachwuchs wiege schwerer als die amtliche Eheschließung.
Nun kommt der „Stand-in Companion“ zum Einsatz: Der tief gekränkte Hayato macht mittels eines Rechtsanwalts den durch das Human Rights Relief Committee verbürgten Anspruch auf einen Ersatzpartner geltend. Ein solches künstlich hergestelltes Partnersurrogat wird dem Betroffenen für die Dauer von zehn Jahren zugesprochen, damit er seinen Verlust besser bewältigen kann. Im ersten Abschnitt, der den Blickwinkel des Ehemanns erzählt, interagiert der Protagonist bereits mit Yutori in Roboterform. Die neue Yutori weiß nichts von seinen defizitären Spermien und denkt jeden Monat, den sie nicht schwanger wird, die eigenen Fortpflanzungsorgane seien der Grund für den Misserfolg bei der Empfängnis. Hayato hatte sich bei der Initialisierung des Companions mit den Gedächtnisinhalten der biologischen Yutori nämlich diese Programmierung gewünscht. Er wollte sich dadurch eine Wiederholung der leidvollen Erfahrung seiner eigenen Unzulänglichkeit ersparen. Andererseits verlangt es den Verlassenen auch nach Rache – er ergötzt sich einige Monate lang an der Enttäuschung seiner Frau, wenn die Befruchtung erneut fehlgeschlagen ist.
Shiraishi ist ein kompakter, überzeugender Text gelungen. Wie bereits dargelegt, behandelt Stand-in Companion Aspekte der soziokulturellen Realität Japans, für die man Kommunikationsschwierigkeiten und Vereinsamung erkennt. Auf einer übergeordneten Ebene beschäftigt sich der Autor mit den Ansprüchen auf Glück und ein gelungenes Leben, die in den reichen Ländern bestehen und von ideologischen oder ökonomischen Akteuren instrumentalisiert werden. Die Erzählung knüpft an zentrale Motive der Diskussion um künstliche Intelligenz an. In einer Zukunftsgesellschaft sind Menschen und Roboter scheinbar gleich. Ein Roboter kann einen Menschen ersetzen, was selbstverständlich die Frage aufwirft, inwieweit der gleichberechtigte Status des Androiden trägt und er als äquivalente Existenzform gelten darf. Erweitert wird das Sujet des künstlichen Menschen bei Shiraishi um einen egalitären Aspekt: Ersatzpartner, die dem Idealbild einer Beziehung genüge tragen sollen, gibt es nicht nur für den Mann. Frauen haben ebenso das Recht auf einen vom Regime zur Verfügung gestellten perfekten Roboterpartner.
Ehepaar 1, Ehepaar 2
Ein interessanter Kunstgriff ermöglicht eine Öffnung des Erzählhorizonts, die das Gedankenspiel verdichtet: Überraschend kommt es im zweiten Abschnitt zu einer Dopplung. Hier wird das Geschehen offenbar aus der Perspektive von Yutori berichtet. An ihrer Seite befindet sich die Roboterversion von Hayato, ein selbständiger Industriedesigner. Der menschliche Hayato hat eine andere Partnerin geschwängert und ihr vor zwei Jahren eröffnet, dass er sie verlassen will. Yutori war schwer getroffen von der Entscheidung ihres Ehemanns und ließ sich von ihrer besten Freundin und Rechtsanwältin Tomoko bei ihrem Antrag auf einen Hayato-Androiden unterstützen.
Abschnitt drei erzählt weiter vom künstlichen Ehemann, an dem auch Yutori ihre Wut auf den echten Hayato abreagiert hat. Nach einigen Monaten tat es der Frau jedoch leid, das traurige Gesicht Hayatos zu sehen, wenn sie ihm mit grausamer Befriedigung wieder einen Fehlschlag offenbaren musste. Das Quälen eines Androiden ist im Übrigen verboten, da diese mit den gleichen Rechten wie Menschen ausgestattet sind – während sie angeblich über ihre wahre Natur aber nicht Bescheid wissen.
Auch im folgenden Kapitel wird diese Perspektive beibehalten – bis eine zweite erstaunliche Wende eintritt: Es gibt die Möglichkeit, dass Stand-in Companions ein anderer Stand-in Companion zur Verfügung gestellt wird, etwa wenn der menschliche Partner im Laufe der Vertragszeit stirbt. Abschnitt fünf scheint wieder vom Standpunkt des Paares „biologischer Hayato und künstliche Yutori“ aus erzählt. Der Mensch Hayato ist laut Regelung für die Dauer von zehn Jahren an die auf ihn geprägte Androidin gebunden. Hayato, der seine negativen Gefühle gegenüber Yutori am Ende überwinden konnte, hat nun nur noch zwei Jahre gemeinsamer Existenz mit seiner Ersatzfrau übrig. So hilfreich das Programm auch für die Therapie der menschlichen Seele im Falle eines Verlusttraumas ist, so gnadenlos ist nach einer Dekade der Moment, an dem man den Roboter plötzlich stilllegt, um ihn vom Wiederinbesitznahme-Team des Relief Committees abholen zu lassen. Hayato möchte sich nicht mehr an Yutori rächen, auch der Kinderwunsch wurde völlig aufgegeben. Er überdenkt die Situation, reflektiert seine veränderte Gefühlslage und erkennt, dass er sich der Frage stellen muss, ob er nun seinerseits Yutori glücklich machen kann.
Im letzten Abschnitt hat man wohl den künstlichen Hayato vor sich, der jetzt aus der Routine ausbrechen und die gemeinsame Zeit besser verbringen möchte. Yutori willigt ein, sich seinen Plänen anzuschließen und so leben zu wollen, wie er leben möchte. Dem erstaunten Hayato erklärt sie, ihre Priorität sei es, einzig mit ihm zusammen sein zu wollen, da er – als eine mögliche Interpretation der letzten Sätze – eine Vision vom Leben habe, wie es wünschenswert sei.
Ethische Evolution?
Die Interpretation der Erzählung und die Deutung der in ihr verhandelten Positionen hängt davon ab, welches Paar man im letzten Abschnitt identifiziert. Wenn es Roboter-Hayato mit einem für ihn initialisierten KI-Wesen Yutori sein sollte, hätte Shiraishi die Verbindung zweier Roboter als perfekte Beziehung beschrieben; die biologische Yutori wäre dann wohl gestorben. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Denkfigur der Rache am Partner: Relativ lange hielten die menschlichen Individuen an ihren Rachegelüsten fest, während die Androiden schneller imstande waren zu verzeihen. Sie sahen die Gegenwart ihres Partners für wichtiger an als den Kinderwunsch. Die Roboter wären, dieser Lesart nach, mit einer überlegenen Menschlichkeit ausgestattet.
Besonders aufschlussreich bliebe ihre dergestalt konstatierte Superiorität vor dem Hintergrund, dass die Regeln der menschlichen Gesellschaft wenig human sind, sowohl im Falle des Stand-in Companion wie auch hinsichtlich des Humankapitals. Wenn man die im Text zitierten Statuten betrachtet, erweisen sich diese in erster Linie sensibel in Bezug auf menschliche Bedürfnisse. Roboter sind den Regeln nach Resilienzmaschinen, die nur deshalb zur Traumatherapie zugeteilt werden, weil man die Arbeitskraft eines Biosubjekts erhalten will. Außerdem verlangen die Regeln die Abschaltung einer KI-Einheit nach nur zehn Jahren, was ja deren vorgebliches Recht auf Menschengleichheit untergräbt: Der Companion bleibt ein Wesen zweiter Klasse in einem Weltregime mit totalitären Zügen. Die Fürsorge des Systems für das Humankapital ist ebenso nur auf der Oberfläche gegeben. Zuteilung des Companions, Entzug und Festlegung der Trauerphase anlässlich des Verlusts des menschlichen Gefährten gehen nach rein mechanistischen Prinzipien vonstatten, die auf die Individualität einer Person keinerlei Rücksicht nehmen – es scheint zudem nicht vorgesehen, den Roboterpartner zu vermissen.
Im globalen Modell gedacht wäre es freilich auch bedenklich, wenn die reichen Länder mehr und mehr Androiden generieren und diese die unfruchtbaren Menschen der Elite irgendwann vollständig ersetzen – möglicherweise nach einer Selektion, die nur den Kopien hervorragender biologischer Varianten ein Daseinsrecht erteilt. Diese in ihrer Zahl immer gut regulierbare Roboterelite stünde dann der überbevölkerten Restwelt gegenüber, in der vermutlich prekäre Bedingungen vorherrschen. Wie sich eine solche optimierte nachmenschliche Spezies verhalten wird, kann man nur mutmaßen. Befreit sie sich von den Vorschriften des alten Systems? Wartet sie geduldig das Ende der defizitären Biomenschheit ab, um dann die Erde mit Rücksicht auf die begrenzten Ressourcen verantwortungsvoller zu bewirtschaften? Oder erlischt nach dem letzten Menschen auch die Kultur der Androiden, da sie nun über keine neuen menschlichen Kopiervorlagen mehr verfügt? Wird um diese Entwicklung zu verhindern eine Art von Zuchtstation eingerichtet, in der noch veritable Kohlenstoffeinheiten vorzufinden sind?
Propositionalität in der zeitgenössischen japanischen Literatur
Die Stärke von Shiraishis Stand-in Companion liegt im Potential des Texts, eben solche Überlegungen in Gang zu setzen, sprich der Propositionalität, d.h. der Darbietung von Erkenntnis via Literatur (Demmerling / Ferran-Vendrell 2014) Rechnung zu tragen und auf literarischem Wege Optionen für komplexe Sachverhalte durchzuspielen. Die Dopplung des Paares Hayato / Yutori und eine verwirrende Zeitstruktur bedingen die nachhaltige Verrätselung der Argumentation um Fake-Identitäten und Fake-Erinnerung. Letzeres Motiv geht im Übrigen auf die Kurzgeschichte Erinnerungen engros von Phillip K. Dick zurück, die 1990 von Paul Verhoeven unter dem Titel Total Recall verfilmt wurde. Die Idee, dass menschliche Partner durch Roboter ausgetauscht werden, findet sich beispielshaft im Roman The Stepford Wives (1972) des amerikanischen Schriftstellers Ira Levin (1929-2007); filmisch umgesetzt wurde diese Vorlage 1975, ein zweites Mal im Jahr 2004. Das Thema des Roboters als besserer Mensch behandelt auf der Grundlage von Isaac Asimovs (1919-1992) 1950 publizierten gleichnamigem Roman der Science Fiction Film I, Robot (2004). Hier erkennt die KI-Zentraleinheit, dass sie die Menschen, die Kriege anzetteln und die Erde mit Toxikalität überziehen, vor sich selbst schützen muss.
Da Shiraishi keine Wertung dahingehend vornimmt, ob seine Vision von Roboterpartnern eine Zukunft abbildet, die man willkommen heißen oder besser ablehnen sollte, wäre an dieser Stelle die Debatte um kulturspezifische Eigenheiten der japanischen Roboterkultur bzw. eine oft behauptete „japanische Akzeptanz von Robotern“ anzusprechen. Fällt es dem Autor im Umfeld des vielbeschworenen Technoanimismus leichter, sich von der Menschheit zu verabschieden, um die Welt der Roboter ohne Widerstände und Bedauern anzunehmen? Würde man diese Prämisse als plausibel bewerten, wäre der Auslegung des Mensch-Roboter-Paradigmas durch japanische Autoren eine cutting edge-Qualität zuzubilligen. Aber auch ohne der Animismus-These anzuhängen, kann man behaupten, dass japanische Literatur im Bereich trans- und posthumanistischer Entwürfe derzeit einige bemerkenswerte Szenarien gestaltet.
Im Umfeld vergleichbarer japanischer Texte bildet der Stand-in Companion (2018) ein Pendant zu Sayaka Muratas (*1979) Satsujin Shussan (2014; „Geburtsmord“). Diese Dystopie entwirft eine Zukunft, in der ein Individuum, das zehn Geburten absolviert hat, berechtigt ist, eine Person seiner Wahl zu töten – Schwangerschaft wird im Übrigen streng reguliert und bleibt durch das Implantieren künstlicher Reproduktionsorgane nicht auf Frauen beschränkt. Angesichts der Infragestellung gültiger Normen der menschlichen Gesellschaft, die sich auf Basisfaktoren wie Geschlechtsidentität, Sexualität und Familie beziehen, müsste sicher auch Murata eine „philosophische Autorin“ genannt werden. Ihre Fähigkeit, das „Menschliche“ und die Normen der „menschlichen Gesellschaft“ durch die Annahme alternativer Standards zu überprüfen, bewies sie erneut mit dem Text Konbîni ningen (2016; „Convenience Laden-Mensch“; dt. Die Ladenhüterin).
Shiraishis Beitrag lenkt die Aufmerksamkeit auf eine ähnliche Problematik wie Satsujin Shussan, gelangt aber im Rahmen seiner Diskussion zum Verständnis des Humanen und zur Biopolitik zu andersartigen Befunden. Der philosophischen Komponente im Allgemeinen wie auch im Besonderen im Falle Shiraishis nachzuspüren, kann jedenfalls für die literaturwissenschaftlich-komparatistische Forschung sehr erhellend sein. Während in Kono yo no zenbu wo teki ni mawashite (2008) die desolate Bilanzierung eines Lebens noch einem gewissen Hang zur Melodramatik verhaftet bleibt, muss man im Falle des Companion Reduktion und Zurückgenommenheit schätzen. Der Stand-in Companion ist jedenfalls ein würdiger Beitrag zum Kanon einer Literatur der Welt ohne uns.
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen
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