Die Fitzgeralds auf Kuba

Der amerikanische Autor R. Clifton Spargo schreibt einen hellsichtigen und feinfühligen Roman über die letzte Reise von Zelda und F. Scott Fitzgerald im Jahre 1939

Von Rainer RönschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rainer Rönsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die tragische Liebe zwischen F. Scott Fitzgerald und seiner Frau Zelda, den beiden Ikonen der „Roaring Twenties“ in den USA, wird immer wieder von Autoren aus verschiedenen Ländern zum Thema gemacht. Erst kürzlich kam der erstklassige Roman Tage mit Gatsby der deutschen Schriftstellerin Joséphine Nicolas heraus, mit Zelda Fitzgerald als Ich-Erzählerin. Nun erscheint auf dem deutschen Büchermarkt die Übersetzung eines amerikanischen Romans von R. Clifton Spargo aus dem Jahre 2013. Der Originaltitel Beautiful Fools wurde beibehalten – angesichts des heiklen Substantivs eine gute Lösung, denn die beiden Berühmtheiten waren weder Narren noch Toren. Der Untertitel The last affair of Zelda and Scott Fitzgerald wird im Deutschen auf die beiden Namen verkürzt, weil die wörtliche Übersetzung mit „Affäre“ den Sinn verfälschen und die Variante „Abenteuer“ ihn verengen würde. Allenfalls Zelda und Scott Fitzgerald – das letzte Kapitel wäre vielleicht akzeptabel.

Eine Frage stellt sich unwillkürlich, wenn man den Titel liest, in dem Zelda zuerst genannt wird. Schickt der Autor sich an, die ein Leben lang im Schatten ihres berühmten Schriftstellerehemanns stehende, begabte Autorin, Malerin und Tänzerin zum Opfer von dessen Ichbezogenheit zu erklären und eine neue Rangordnung zu etablieren?

Davon ist der promovierte Literaturwissenschaftler und Essayist R. Clifton Spargo weit entfernt. An keiner Stelle seines sprachlich eindrucksvollen Romans schwingt er sich zum Richter auf. Er urteilt weder über die Ehe noch über die Partner. Vielmehr schildert er psychologisch überzeugend, wie beide miteinander und aneinander leiden, ohne dass Zusammengehörigkeit und Zärtlichkeit völlig verloren gehen. Spargos Diktion entspricht dem, was man von den beiden gelesen hat. Das gilt für die unüberbrückbaren Gegensätze zwischen ihnen ebenso wie für die unerschütterliche Zuneigung. Vorher definiert er die miserable Ausgangsposition für diesen letzten Versuch, die Zweisamkeit zu retten. Zelda ist seit Jahren psychisch krank und in Heilanstalten untergebracht, wofür Scott die Kosten übernimmt, obwohl er lange nichts Nennenswertes veröffentlicht hat, als Drehbuchautor in Hollywood gescheitert und fast mittellos ist. Er ist Alkoholiker, hat seine Tuberkulose nicht ausgeheilt, Übelkeit ist sein ständiger Begleiter. Außerdem hat er eine Klatschkolumnistin zur Geliebten. Weil aber Zelda an einer Gruppenreise ihrer Mitpatientinnen nach Kuba nicht teilnehmen konnte, lädt Scott sie dorthin ein.

Das Kuba jener Zeit, mit dem später von Fidel Castro gestürzten Diktator Batista schon in Machtposition, aber noch nicht im Präsidentenpalast, wird in seiner Gegensätzlichkeit lebendig. Miserable Straßen einerseits, andererseits wunderbare Strände; rauschhafte Orgien von Ausländern und deren kubanischen Kontaktleuten mit Alkohol und Drogen, aber bittere Armut der Leute, die Touristen um Geld für Lebensmittel anbetteln, bilden den vielschichtigen Hintergrund für den letzten gemeinsamen Urlaub der Fitzgeralds. Auch politisch ist manches zwielichtig, weil nicht alle Kubaner die Nazis, die Faschisten und Franco schlimmer finden als die das Land knechtenden USA. Das wird für die Fitzgeralds wichtig, als sie sich mit einem ehemaligen Soldaten der Zweiten Spanischen Republik und dessen Retterin anfreunden. Eine weitere interessante Nebenfigur ist der „nach links“ abgedriftete Sprössling einer privilegierten Familie, über dessen wahre Absichten gegenüber den Fitzgeralds, die er offenbar für vermögend hält, bis kurz vor Schluss zu rätseln ist.

Der Autor ist  wiederholt gelobt worden, auf eine naheliegende Begegnung der Fitzgeralds mit Ernest Hemingway, den Scott förderte und Zelda verabscheute, verzichtet zu haben. Angesichts der psychologischen Tiefenschärfe des Romans darf man diesen Verzicht auch bedauern. Das Zusammentreffen mit ihm hätte wohl mehr innere Spannung geboten als die tödliche Rangelei in einer Bar. Wichtiger als ein auch für Scott blutig endender Hahnenkampf und Zeldas verstörende Begegnung mit einer nicht sonderlich fantasiebegabten Wahrsagerin sind die Konflikte zwischen den beiden. Zelda hegt immer wieder den Wunsch, ganz die Seine zu sein, reagiert aber unberechenbar auf jedes kritische Wort von ihm und setzt ihm zu, bis er seine Egomanie zugibt. Dann wieder bezeichnet sie sich in einem Brief an ihn als „wie immer hingebungsvoll“. Scott wiederum versichert ihr, er werde sie niemals verlassen. Er sei immer noch ihre Zukunft und sie die seine.

Zelda hört diese ersehnten Worte – und traut ihnen nicht. Gemeinsamkeit mit ihr konnte sich Scott nur vorstellen, wenn alles so lief, wie er wollte: ihr eigenes Verhalten, der Ankauf seiner Scripts in Hollywood, die Prognosen der Ärzte für den Verlauf von Zeldas Krankheit. Wie oft hatte er ihr eine neue Zweisamkeit versprochen und sich gleichzeitig mit anderen Frauen eingelassen! Später wird sie sich damit bescheiden, irgendwie Geborgenheit bei ihm zu finden – doch am 21. Dezember 1940 geht das Leben F. Scott Fitzgeralds mit einem Herzinfarkt zu Ende. Zelda überlebt ihren Mann in psychiatrischen Kliniken und stirbt am 10. März 1948 beim Brand ihrer langjährigen Zufluchtsstätte, des Highland Mental Hospital in Asheville.

R. Clifton Spargo schreibt so hellsichtig und feinfühlig, dass sein Buch auch für jene Leser zum Erlebnis werden kann, die nicht bereits viel über die beiden Protagonisten wussten. Für Kenner beweist der Roman mal wieder, dass eine erneute Aufarbeitung des Schicksals dieses Jahrhundertpaars auf hohem literarischem Niveau nie langweilig wird. Die deutsche Übersetzung von Heddi Feilhauer leistet einen kongenialen Beitrag.

Titelbild

R. Clifton Spargo: Beautiful Fools. Zelda & F. Scott Fitzgerald.
Aus dem Amerikanischen von Heddi Feilhauer.
ebersbach & simon, Berlin 2021.
351 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783869152240

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