Die Ehe im theologischen Diskurs des Mittelalters

Pavel Blažek in „Sacramentum Magnum“ über die Form der Ehe in der Theologie des Mittelalters

Von Albrecht ClassenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Albrecht Classen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Thema Ehe ist schon immer schwierig gewesen – das heißt die Frage danach, wie zwei Menschen zusammenleben sollen, was durch die ganze Geschichte hinweg intensiv diskutiert worden ist. Sowohl auf dem Gebiet der Theologie, der Literatur, der Kunst als auch der Medizin hat die Ehe durchweg eine wichtige Rolle gespielt, wie die reiche Forschungsliteratur belegt. Viel davon wird in den Beiträgen zu diesem Band reflektiert, viel aber auch nicht. Die Aufsätze wurden zuerst auf einer Tagung der Internationalen Gesellschaft für Theologische Mediävistik in Prag vom 14. bis 16. Juni 2012 vorgetragen, die zugleich von dem Philosophischen Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik gefördert wurde. Der Band erschien in Deutschland, aber die meisten Beiträge sind auf Englisch (8), Französisch (5) und Italienisch (2) verfasst, nur einer auf Deutsch. Der Herausgeber bediente sich ebenfalls der deutschen Sprache für die Einleitung und die Edition eines Textes.

Die Ehe besaß eine zentrale Rolle für das Christentum und natürlich auch andere Religionen, weshalb der Diskurs darüber während des ganzen Mittelalters und darüber hinaus intensiv und kontrovers geführt wurde. Das Buch gliedert sich in fünf Sektionen, die chronologisch aufgeteilt sind: Frühes, hohes und spätes Mittelalter. Einige zentrale Fragen bezogen sich darauf, ob die Ehe ein Sakrament darstellte oder nicht, was später auch von den Protestanten heftig diskutiert wurde. Für Theologen erwies sich die Überlegung als zentral, die Ehe als wesentliche Lebensform anzusehen, die die menschliche Lust in geordnete Bahnen lenkt und sie somit als ein Geschenk Gottes zu betrachten. Dagegen stand das Modell, ob Jungfräulichkeit als das höchste Ideal anzusehen sei.

Der erste Abschnitt konzentriert sich auf Ehe in der Spätantike und im frühen Mittelalter, wobei insbesondere der Frage nachgegangen wird, wie das Konzept der Ehe im Himmel versus demjenigen von Ehe auf Erden zu beurteilen wäre (Philip L. Reynolds, David G. Hunter, Alessandro Scafi, Ines Weber). Der zweite Abschnitt hebt den Ehediskurs (Ehelehren) des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts hervor und bezieht sich auf bekannte Autoren wie Gilberto Porretano, Lothar von Segno und Raymond de Penyafort (Maria Valeria Ingegno, Marie-Odile Bonnichon, JiříKašný). Der dritte wendet sich dem dreizehnten Jahrhundert zu, als berühmte Theologen wie Bonaventura, Thomas von Aquinas und Hugo Ripelin von Straßburg sich zu diesem Thema äußerten (José Granados, Shawn Colberg, Patrick Monjou). Anschließend kommt der Diskurs des vierzehnten Jahrhunderts zur Sprache, als sich verschiedene Päpste zu Wort meldeten und berühmte Reformer wie John Wycliffe ihre Meinung dazu äußerten (Patrick Nold, Christian Trottmann, Stephen Penn). Schließlich ruht im fünften Abschnitt die Aufmerksamkeit auf dem fünfzehnten Jahrhundert, wo zunehmend der Frage nachgegangen wurde, ob eine Ehe, vor allem wenn sie noch nicht physisch vollzogen worden war, legitim aufgelöst werden konnte. Hier kommen Theologen wie Pietro d’Ancarano, Felino Sandei und Filippo Decio zur Sprache (Giuliano Marchetto, Paul Payan, Marita von Weissenberg). Das Ideal der jungfräulichen Ehe lenkte viel Interesse auf sich. Dazu wurde öffentlich diskutiert, wie eine Ehe zu beurteilen sei, wenn einer der zwei Ehepartner impotent war. Zum Abschluss bietet der Herausgeber, der eine vorzügliche, praktisch fehlerfreie Arbeit geleistet hat, die kritische Edition zweier Ehepredigten von Berthold of Regensburg, die bisher noch nicht publiziert worden waren.

Die Beiträger bieten gründlich recherchierte Untersuchungen, in denen sie den Primärquellen viel Raum gewähren, während die neuere Forschung zum Teil ziemlich vernachlässigt worden ist. Der Themenschwerpunkt der einzelnen Beiträge ist oftmals sehr spezifisch, was nicht als Kritik aufzufassen wäre; vielmehr ergibt sich daraus eine konsistente Untersuchung des Ehediskurses aus theologischer Sicht über die Jahrhunderte hinweg. Damit gerät leider der weltliche Diskurs etwas aus dem Blickfeld, und selbst die Tradition volkssprachiger Predigten auf Deutsch, Französisch oder Italienisch wird vernachlässigt.

Der Band schließt mit drei Indices für biblische Verweise, Personen und Werke und Handschriften, was eine gute, einfache Zugänglichkeit gewährleistet.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Pavel Blazek (Hg.): Sacramentum Magnum. Die Ehe in der mittelalterlichen Theologie. Marriage in the Medieval Theology. Le mariage dans la théologie médiévale.
Aschendorff Verlag, Münster 2018.
531 Seiten, 64,00 EUR.
ISBN-13: 9783402102251

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