Digitalen Kapitalismus vermitteln
Christian Fuchs erläutert in „Der digitale Kapitalismus. Arbeit, Entfremdung und Ideologie im Informationszeitalter“ klassisch-marxistische und neomarxistische Theoriesettings im Blick auf gegenwärtige Zusammenhänge
Von Werner Jung
Das neue Buch des in Paderborn als Professor für Mediensysteme und Medienorganisation tätigen Christian Fuchs geht auf eine englische Ausgabe von 2022 zurück. Man könnte es zu Recht ein Lehrbuch nennen, dessen Ziel darin besteht, Studierenden den digitalen Kapitalismus näherzubringen. Darunter versteht Fuchs, um sogleich die Konklusion vorwegzunehmen, nicht etwa wie zum Beispiel die amerikanische Soziologin Shoshanna Zuboff, die vor einigen Jahren in einer großen Studie den „Überwachungskapitalismus“ beschrieben hat, eine neue Form oder Gestalt der kapitalistischen Gesellschaftsformation. Vielmehr spricht er davon, dass der Kapitalismus in unseren Zeiten eine (um den von Georg Lukács entlehnten Begriff zu gebrauchen) „Totalität“ ist, das heißt, nur im dialektischen Zusammenwirken von Wirtschaft und Gesellschaft begreifbar ist. Damit bringt er zugleich die weiteren Begriffe ins Spiel, die der Untertitel seines Buches aufzählt und welche Fuchs mit Blick auf unser heutiges Informationszeitalter aktualisiert: Arbeit, Entfremdung und Ideologie.
Fuchs‘ Analyse ist in zwei Großteile gegliedert. Nach einer ausführlichen Einleitung nennt er den zweiten Teil Theorie, worin er nacheinander auf die – und darin liegt ein großes Verdienst seiner Arbeit – anhaltende Bedeutung marxistischer beziehungsweise neomarxistischer oder auch ‚westlicher‘ (Perry Anderson) Theoretiker wie Georg Lukács (Geschichte und Klassenbewußtsein, Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins), Theodor W. Adorno, Henri Lefebvre (Kritik des Alltagslebens) oder Dallas Smythe hinweist. Teil drei geht dann auf verschiedene Themenfelder ein, die die aktuelle Situation des globalen digitalen Kapitalismus kennzeichnen. Der kurz gehaltene vierte Teil präsentiert einige Schlussfolgerungen, die darauf hinauslaufen, dass eine dialektisch-kritische Analyse des digitalen Kapitalismus – statt seiner permanenten Perhorreszierung – notwendig ist, um dann auch praktisch mögliche (historische) Alternativsetzungen anvisieren zu können, was Fuchs im Begriff der „partizipativen Digitaldemokratie“ andeutet. Wie gesagt: Man soll und kann Fuchs‘ Buch durchaus als Lehrbuch verstehen, das klassisch-marxistische und neomarxistische Theoriesettings zu vermitteln und im Blick auf gegenwärtige Zusammenhänge darzustellen weiß.
Allerdings dürfen auch Monita nicht verschwiegen werden: Die Arbeit ist überaus nachlässig Korrektur gelesen worden; so finden sich zahllose Fehler allerorten. Darüber hinaus sollten, auch wenn es sich um eine Rückübersetzung aus dem Englischen handelt, alle Passagen übersetzt werden – einige Stellen (zum Beispiel S. 187, S. 201) sind schlicht vergessen worden. Manchmal fehlen offensichtlich auch Sätze (vgl. S. 300). Schließlich noch, findet jedenfalls der Rezensent, das Ärgernis, dass Fuchs es eigentlich nicht nötig haben sollte, auf geradezu penetrante Weise (und nach jedem einzelnen Unterkapitel in entsprechenden Literaturverzeichnissen) auf eigene Arbeiten hinzuweisen (gezählt zwischen vier und achtzehn [sic!] Titeln).
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen
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