Auf der Suche nach einer deutschen Kulturpolitik im Schatten der Vergangenheit

Der Historiker Stephan Oswald rekonstruiert in „Rückkehr nach Rom“ am Beispiel der Villa Massimo den schwierigen Start der deutschen Kulturpolitik und Kulturförderung im Ausland nach 1945

Von Nora EckertRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nora Eckert

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

1954 erschien als letzter Teil einer „Trilogie des Scheiterns“ der Roman Tod in Rom, verfasst von Wolfgang Koeppen. Es sollte der letzte Roman des Autors bleiben, obschon noch zahlreiche Veröffentlichungen bis Koeppens Tod 1996 folgten. Meine Lektüre der Trilogie und speziell des genannten Romans liegt lange zurück. Darin kommen viele bekannte Adressen vor, aber ich kann mich nicht erinnern, dass darunter auch die Villa Massimo zu finden ist.

Mit der Lektüre von Stephan Oswalds Geschichtsrecherche, um die es hier gehen soll, und die den Untertitel „Auswärtige Kulturförderung der jungen Bundesrepublik – eine Spurensuche in der Villa Massimo“ trägt, kam unweigerlich Koeppens Roman in Erinnerung. Denn auch dort treten lauter Menschen in einer Gegenwart auf, die durch den mächtigen Schatten, den die jüngste Vergangenheit auf sie warf, verdammt kompliziert wurde. Koeppen beschreibt sie als „Davongekommene, einmal vom Schreck Geschüttelte und dann Vergessende.“ Offenbar war die bundesrepublikanische Kulturpolitik im konkreten Fall auch stets nahe am Scheitern, aber die Wirklichkeit schrieb dann eine andere Geschichte, doch mit dem Vergessen und dem Verdrängen hatte auch sie sehr viel zu tun.

Die Gefahr des Kompromittierens der an der Geschichte beteiligten Akteure war allgegenwärtig. Die Zeichen der Zeit indes standen nun auf Neuanfang und Aufbau. Das Wirtschaftswunder stand zudem vor der Tür. Da brauchte es schließlich auch Reputation und Rehabilitation – freilich am liebsten ohne Schuldeingeständnis, denn angeblich war man ja auch nur Opfer geworden. Wir kennen diese Nachkriegsgeschichte und -geschichten nur zu gut. Die sogenannte Vergangenheitsbewältigung endete vorzugsweise an jenem berühmt-berüchtigten „Schlussstrich“.

Oswald erzählt all das noch einmal mit Blick auf die Geschichte der Villa Massimo. Und obschon uns das sehr vertraut vorkommt, ist das Buch aufregend, wie Michael Krüger in seinem Vorwort bemerkt, weil an dem Beispiel „die Verrenkungen und Verschleierungen der deutschen Kulturpolitik im Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg […] großartig recherchiert dargestellt werden“. Und auch die ersten Skandale – etwa der Fall Uwe Johnson und noch einiges andere.

Angefangen hat alles 1910, als der Unternehmer Eduard Arnhold, der mit Kohle zum Millionär geworden war, die Villa Massimo und das weitläufige Grundstück erwarb, um sie dem Preußischen Staat zu schenken zusammen mit der Idee, ein Künstlerhaus entstehen zu lassen samt der Vergabe von Kunststipendien. So entstand 1913 die Deutsche Akademie in Rom mit Johanna und Eduard Arnhold als Stifterehepaar. Die kunstbegeisterten Arnholds lebten in einer Stadtvilla im Berliner Tiergartenviertel ganz in der Nähe der Matthäikirche mit eigener Kunstgalerie. Heute steht auf dem Grundstück die Gemäldegalerie und damit ist dies, wenn man so will, ein Ort der Kunst geblieben.

Die durch zwei Kriege und den damit zusammenhängenden politischen Veränderungen beeinflusste wechselvolle Geschichte der Deutschen Akademie kann man in Oswalds Buch detailreich nachlesen. Das ist für sich schon ein Gewinn, der aber dadurch vermehrt wird, dass er uns eine ganze Reihe von Charakterbildern liefert, nämlich von all den Beteiligten: Sei es Herbert Gericke und seine dandyhaften Allüren als Direktor des Hauses, sei es Clemens von Brentano, der erste bundesdeutsche Botschafter in Rom, der Kulturhistoriker und Journalist Gustav René Hocke, der sich später vergebliche Hoffnungen auf den Direktorenposten macht, sei es Erich Bendheim, der jüdische Anwalt, der an fast allen Rückgabeprojekten mit Erfolg beteiligt ist, oder seien es all die Politiker, die ihre NS-Vergangenheit erfolgreich vertuschen konnten wie Manfred Klaiber, der Nachfolger auf dem Botschafterposten in Rom oder Carl Gussone, der sich immerhin als Referatsleiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt Verdienste erwarb und unter der weißen Weste ziemlich braune Flecken versteckte.

Das geistige Klima an der deutschen Botschaft in Rom blieb über die 50er Jahre hinaus kritikwürdig, denn dort werde allenfalls „weltanschauliche Hausmannskost“ serviert. Und die durch Hermann Kesten gegen Uwe Johnson in die Welt gesetzte Behauptung, jener rechtfertige den Mauerbau der DDR von 1961, schlug hohe Wellen, um sich als Fake herauszustellen. Das hinderte gewisse Politiker nicht daran, kalte Krieger zu spielen und Gesinnungsprüfungen für die Stipendiaten zu fordern, was in einem Zeitungsartikel so kommentiert wurde: „Es sollen also nur Musterknaben nach Rom?“

Titelbild

Stephan Oswald: Rückkehr nach Rom. Auswärtige Kulturförderung der jungen Bundesrepublik – eine Spurensuche in der Villa Massimo.
zu Klampen Verlag, Springe 2025.
240 Seiten , 28,00 EUR.
ISBN-13: 9783987370427

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