Der Zukunft zugewandt

Michele C. Ferrari, Klaus Herbers und Christiane Witthöft stellen Forschungsergebnisse zum IV. Laterankonzil vor

Von Jörg FüllgrabeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jörg Füllgrabe

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gegenwärtig geht – zumindest in unseren Breiten – der Einfluss der Kirchen auf das gesellschaftliche Leben immer weiter zurück, was unter anderem mit der Zahl der Kirchenaustritte korreliert. Dies geschieht nicht zuletzt aufgrund verschiedener Skandale, doch auch ohne diese verloren und verlieren die Amtskirchen Mitglieder, und so scheint deren Rolle im christlichen Abendland – eine in vielerlei Hinsicht anachronistische Bezeichnung – immer fragiler und mitunter wohl auch fragwürdiger zu sein. Selbst der Blick auf die Vergangenheit ist, was die kirchliche Rolle angeht, tendentiell eher negativ konnotiert: Judenfeindschaft, Kreuzzüge, Hexenverfolgung, Inquisition, derlei Attribute gäbe es noch weitere aufzulisten. In der ‚Mainstream-Wahrnehmung‘ fallen zumindest kaum Begriffe wie progressiv, konstruktiv oder dergleichen. Dass allerdings das Agieren etwa der mittelalterlichen katholischen Kirche beziehungsweise derjenigen, die dort in verantwortlicher Position agierten, durchaus auch im positiven Sinne wirksam war, zumindest aber entscheidende Weichenstellungen vorgab, wird in den Beiträgen des vorliegenden Bandes Europa 1215. Politik, Kultur und Literatur zur Zeit des IV. Laterankonzils dargelegt und erörtert. Diese gehen wiederum auf eine interdisziplinäre Tagung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zurück.

Das von Papst Innonzenz III. einberufene Konzil von 1215 kann demnach als ein Markstein der mittelalterlichen Kirchengeschichte angesehen werden. Die dort gefällten Entscheidungen zogen in Form von daraus abgeleiteten Normen weitreichende theologische, politische und soziale Folgen nach sich, deren Wirkung sich auch in Literatur und Kunstschaffen dieser Epoche niederschlug. Es steht in diesem Zusammenhang zu vermuten, dass – wie auch bei manch anderen, späterhin als Wendemarken erkannten Ereignissen – den Beteiligten manche Dimensionen ihrer Entscheidungen gar nicht klar waren. Dennoch wurde ein wesentlicher der Gründe für die Einberufung bereits in der Einladung formuliert: „In den Weinberg des Herrn brechen vielerlei Tiere ein, um ihn zu verwüsten.“ Bei dieser symbolischen Formulierung mit biblischem Bezug stellen die Pflanzen die Gläubigen dar.

Innere wie äußere Bedrohungsszenarien schienen es unabdingbar zu machen, die Positionen der (katholischen) Kirche erst einmal genauer zu definieren und diese dann schließlich zu festigen. Und der Blick auf den ‚Juristenpapst‘ Innonzenz III. macht deutlich, warum späterhin von einer Re-Theologisierung des Kirchenrechts gesprochen werden konnte. Diese und weitere Basisinformationen sind dem knappen, lesenswerten Einführungsteil der Herausgeberin und Autorin des abschließenden Beitrags, und der Herausgeber (die übrigens mit keinem Beitrag vertreten sind) zu entnehmen, der in vorbildlicher Weise in den Band einführt.

Im Zusammenhang mit der juristischen Wirkmächtigkeit des Konzils ist der Beitrag Christoph H. F. Meyers (Das Vierte Laterankonzil als Einschnitt der kirchlichen Rechtsgeschichte) zu lesen, der mit seinem Umfang von über sechzig Seiten fast ein Fünftel des Bandes ausmacht. Hier sind zunächst Rechtsfragen und -normen thematisiert, die auf tradierten Fundamenten aufbauten, diese gleichwohl erweiterten, veränderten und mitunter auch neue Richtungsmöglichkeiten aufzuwerfen vermochten. Allerdings wäre es selbstverständlich zu kurz gegriffen, die Kirche nur als juristisch verwaltete Institution zu begreifen, deren Existenz und Wirkung mithin weitgehend selbstreferenziell wäre. Es ging natürlich auch in diesem Konzil primär um den heute womöglich so bezeichneten ‚Markenkern‘, also die Frage nach den Gläubigen und ihren Bedürfnissen. Meyer sieht in den Ergebnissen des Konzils eine Annäherung der institutionalisierten Existenz von Kirche und eben seelsorgerlichen Erfordernissen, die letzthin nicht allein kirchenrechtliche Aspekte nach sich zog, sondern auch Tendenzen hin zu einer „moralischen und theologischen Kolonisation des menschlichen Innenraums“ generierte.

Deutlich personenbezogener nimmt Jochen Johrendt das Konzilsgeschehen in den Blick. Unter dem Titel Innonzenz III. und das IV. Lateranskonzil. Predigt, verweigerte Aussprache und fiktiver Dialog weist er nach, dass der Papst, indem er mehrfach die an Lukas 22,15 angelehnte Formel „mich hat sehnlich danach verlangt, dieses Passamahl mit euch zu essen, bevor ich sterbe“, gebrauchte, sich nicht nur gegenüber Christus im Prozess der Nachfolge befand, sondern auch gegenüber den Konzilsvätern – und damit letztlich der gesamten Christenheit. Er stilisierte sich als ‚alter Christus‘, was fürwahr als von großer Sprengkraft anzusehen ist. Diese dominante Rolle des Papstes war offenkundig nicht unumstritten, wie Johrendt weiter und hier nicht zuletzt mit Blick auf die Weltpolitik ausführt. Die Schlichtung des deutschen Thronstreites zwischen dem Welfen Otto IV. und Friedrich II. von Hohenstaufen war einer der zentralen Punkte des Konzils und wurde zugunsten der staufischen Seite entschieden. In einer – fiktiven – Dialogsituation zwischen Innonzenz und der personifizierten Stadt Rom, als deren Kulminationspunkt wohl die Klassifizierung des Papstes als Häretiker angesehen werden kann, werden die realen Ergebnisse umgekehrt, allerdings ohne dass dies Auswirkungen auf die machtpolitische Realität gehabt hätte. Hierdurch wird deutlich, dass Person und Entscheidungen Innonzenz’ keineswegs unumstritten waren, angesichts der Realität bleibt jedoch nur die zum Abschluss formulierte Feststellung: „Gegen diesen Papst kommt man eben nur im fiktiven Dialog an.“

Um den Begriff der Häresie weiter auszuführen, befasst sich Jörg Oberste (Die Pastoralbeschlüsse des IV. Lateranums und die europäische Ketzerfrage) eben mit Erörterungen und Entscheidungen, die im Zuge des Kampfes gegen häretische Strömungen in Europa beschlossen worden waren. Dass hierbei nicht nur die Frage der Sanktion, sondern eben auch die der Prävention von Relevanz waren, ist ein Aspekt, der im Beitrag vor- und dargestellt wird. Offenkundig war den Konzilsvätern die mitunter mangelhafte Ausbildung der Priester ebenso sehr bewusst wie die daraus folgenden Defizite in der seelsorgerlichen Arbeit. Abhilfe sollte hier insbesondere die universitäre Arbeit bilden, und die Pariser Universität wies mit Petrus Cantor sowie Alain von Lille (Alanus ab Insulis) zwei Autoren auf, deren Werke zur Verbesserung der Priester-(Aus-)Bildung beitragen sollten, denn – so die Schlussfolgerung Oberstes – „die Predigt war auch eine Antwort auf die dringende europäische Ketzerfrage“.

Neben dem gewissermaßen humanistisch anmutenden Ansatz zur Auseinandersetzung mit der Ketzerfrage wurde diese im Laufe der Geschichte oft genug auch mit Gewalt angegangen. Dieser Ansatz gilt noch mehr für die Frage der Verteidigung der Kirche nach außen, das heißt gegen Andersgläubige. Der Beitrag Disolve colligationes impietatis – Papst Innonzenz III. und die Anfänge seiner Politik des negotium crucis auf der Iberischen Halbinsel (1198–1204) von Matthias Maser beschäftigt sich genau mit diesem Aspekt, der allerdings von Innonzenz III. durchaus differenziert angegangen wurde. Maser greift in diesem Kontext das antagonistische Paar Kreuzzug und Reform auf, die er als „zwei Seiten desselben päpstlichen Projektes“ ansieht. Bei allen militärischen Erfordernissen, so scheint es, war das Primärziel des Papstes nicht die politisch-militärische Organisation eines Kreuzzuges, sondern der moralisch-theologische Kurswechsel einer in Sünde gefallenen Christenheit und damit ihre Versöhnung mit Gott.

War der – im Inhaltsverzeichnis nicht näher als solcher ausgewiesene – erste Teil der Textsammlung theologischen, teilweise auch juristischen und politisch-historischen Aspekten gewidmet, werden in den folgenden beiden Beiträgen kunsthistorische Gesichtspunkte thematisiert. Thomas Noll widmet sich unter dem Titel Das Apsismosaik von Innonzenz III. in Alt-St. Peter der Selbstdarstellung des Papsttums im frühen dreizehnten Jahrhundert. Dieser durch einen Tafelteil mit vielfältigen Abbildungen erweiterte Text weist unter Einbeziehung auch von Äußerungen des Papstes zum einen nach, dass eine Akzentverschiebung weg vom Lateran hin zum Vatikan zumindest angegangen wurde, dass aber grundsätzlich die Wiederaufwertung Roms als Zentrum der (westlichen) Christenheit in der Absicht dieses Papstes lag. Theologisch wurde – Noll bezieht sich hier insbesondere auf Predigten Innonzenz’ – die Rom-Tradition unter Verweis auf das durch Petrus und dann Paulus begründete apostolische ‚Doppelerbe‘ der ewigen Stadt. Und die im Bildprogramm umgesetzte (Selbst-)Darstellung dieses Kirchenoberhauptes als Bräutigam der römischen Kirche machte eine Deutung als Stellvertreter Christi und als Garant der kirchlichen und weltlichen Macht nachgerade unumgänglich.

Der folgende Beitrag von Bruno Reudenbach und Jochen Hermann Vennebusch (Zeigen und Beweisen. Beobachtungen zur Inszenierung von Evidenz in der Kunst des dreizehnten Jahrhunderts) wird durch eine Reihe farbiger Abbildungen, die gewissermaßen die Fortsetzung des oben angesprochenen Tafelteils darstellen, eingeleitet. Hauptbezugspunkt des Textes ist die Triumphkreuzgruppe des Halberstädter Doms, die als exemplarisch für die Sichtbarmachung biblischer Texte, aber auch eine verdichtete Visualisierung und damit ‚Öffentlichmachung‘ der Reliquienverehrung herangezogen wird, die aber – so die Autoren – nicht zuletzt in enger Verbindung mit dem Eucharistie-Geschehen steht. Reudenbach und Vennebusch sehen hier eine „unterschiedliche Medien kombinierende Heilsinszenierung“, die von einer, offenkundig auch im Bildnerischen stattfindenden, Auseinandersetzung mit den komplexen, auch in den Konzilsbeschlüssen thematisierten Vorstellungen der Transsubstantiation angeregt sei.

Die dritte Sektion führt im Weitesten in den Bereich der Literaturwissenschaft und thematisiert die Bedeutung des Konzils für literarische Entwicklungen. Mit einer erstaunlichen These leitet Susanne Friede diesen Abschnitt ein. Ihr Beitrag zur Geburt der Prosa bezieht sich auf Überlegungen zur Entstehung französischer Texte in Prosa (1205–1215). Basis ihrer Argumentation sind vornehmlich an laikale Gemeinden gerichtete Predigttexte, die „im Grenzbereich zwischen lateinischer klerikaler Kultur und volkssprachlicher Profankultur zu verorten“ seien. Aus einzelnen Abschnitten der Konzilsakten werde ersichtlich, dass zu Beginn des 13. Jahrhunderts in größerem Umfang der Bedarf an volkssprachlichen Predigten wuchs. Hier sieht Friede Bezüge zu den diversen Romanbearbeitungen des Grals-Motivs, wobei sie einen interdependenten Prozess zu erkennen meint. Allerdings erkennt sie auch eine insofern gebrochene Tradition, als späterhin in bestimmten Gralsromanen auch häretische Elemente aufgegriffen würden, die in dieser Form während der Phase der Entstehung und Entwicklung volkssprachlich-franzöischer Prosa undenkbar gewesen seien.

Ebenfalls im volkssprachlichen Kontext, allerdings dem mittelhochdeutschen, bewegt sich der Beitrag Tobias Bulangs, Kontext und Intertext – Inszenierte Ordale in mittelhochdeuschen Dichtungen, in dem es unter Bezugnahme auf Gottfrieds von Straßburg Tristan zunächst darum geht, im dort wie auch in der Referenzdichtung – Hartmanns von Aue Iwein – beschriebenen Gottesurteil, dem jeweils eine herausragende Bedeutung zuerkannt wird, Beziehungen zwischen rechtlicher Praxis, theologischer Fundamentierung derselben, gelehrter Diskussion und schließlich eben Literatur herzustellen. Der theologische Überbau der beschriebenen durch die Feuerprobe beziehungsweise den Zweikampf gefällten Gottesurteile ergibt sich gewissermaßen selbstredend. Da es in beiden Fällen allerdings nicht um explizit die Sache des Glaubens betreffende Fragen geht, muss, so Bulang, die auch in anderen Texten des Hochmittelalters belegte Sakralisierung der Minne in den Gesamtkomplex einbezogen werden. Die erkennbare und wohl letztlich nicht aufzulösende Vielschichtigkeit und Komplexität der profanen Dichtung(en) sei zum einen durchaus intratextuell bedingt, indem Reihungen und Steigerungen zum Tragen kommen, andererseits aber eben auch intertextuell: Etwa die Ordaldiskussionen des IV. Laterankonzils, aber auch die Straßburger Ketzerprozesse seien in diesem Kontext von Relevanz, sodass von einer Hybridisierung von Diskursen gesprochen werden müsse.

Die Frage nach der Eucharistie und dem Phänomenkomplex der Transsubstantiation wird bereits in dem kunstgeschichtlichen Diskurs zum Halberstädter Triumphkreuz thematisiert. Thomas Hammer greift unter anderem diesen Komplex, aber auch das Phänomen von Veränderungen auf monastischer Ebene in seinem Beitrag Spuren des Konzils in der geistlichen Literatur: Das Mirakel vom Judenknaben und die Gründungslegenden der Neuen Orden wieder auf. Ersterer Aspekt wird anhand des in der Legendensammlung Passional beschriebenen Schicksals eines jüdischen Knaben (Jüdsel) ausgeführt, der durch den Besuch der christlichen Lateinschule sukzessive zum Christentum geführt wird, an einer Ostermesse teilnimmt und dort das Abendmahl empfängt. Die Beschreibung dieser Erfahrung entspricht den Konzilsbeschlüssen, denen zufolge die Gläubigen tatsächlich und nicht nur in symbolischer Form der Körperlichkeit des Gekreuzigten teilhaftig werden. Dieses Erlebnis bleibt nicht ohne Konsequenzen, und da der informelle Konvertit nicht zum Judentum zurückkehren will, soll er in einem Ofen gefoltert und getötet werden – er überlebt jedoch unversehrt; die Anlehnungen an Daniel, aber auch das Phänomen Gottesurteil sind hier unverkennbar. Immerhin findet in der mittelhochdeutschen Version das Ganze ein versöhnliches Ende, denn im Unterschied zu den diversen lateinischen Vorlagen ist die Legende hier nicht nur ausführlicher und komplexer dargestellt: Die ‚verstockten Juden‘ werden nicht getötet, sondern wenden sich ebenfalls dem Christentum zu.

Vielleicht weniger spektakulär sind die ebenfalls anhand des Passionals in den Blick genommenen Gründungen der neuen Orden Franziskaner und Dominikaner. Beide beziehen sich primär auf die namensgebenden Heiligen, Franziskus und Dominikus, dann aber auch – und das stellt im Weitesten einen Bezug zum IV. Lateranum her – auf die Vision Innonzenz’ III. vom Einsturz der Laterankirche. Diese Bischofskirche des Papstes kann als das wesentliche Symbol der Kirche angesehen werden und ein Einsturz dieser Basilika als Zerstörung der Kirche als Glaubensgemeinschaft und Institution schlechthin. Wo der historische Papst durch Einberufung des namensgebenden Konzils diese desaströsen Entwicklungen zu unterbinden suchte, ist es in der dominikanischen Legende – hier explizit in der Legenda aurea – der Ordensgründer Dominikus, der als aktiv Agierender den Zerfall der Kirche verhindern kann. Auch die Franziskaner bezogen sich auf die päpstliche Vision, allerdings ist hier weniger ein tatkräftig Ordnender der Schirmer der Kirche, vielmehr werden die spirituellen Qualitäten Franziskus’ dargestellt, durch die er dem Papst Ermutigung und Kraft zukommen lassen konnte. Beide Orden bezogen sich somit zumindest indirekt auf das IV. Laterankonzil, was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, da dort die Idee einer Neugründung verworfen worden war.

Mitherausgeberin Christiane Witthöft schließt den Band mit einem Beitrag über Bekenntnis, Beichte und Selbstbezichtigung ab, der sich auf den Kanon 21 des Laterankonzils und die mittelhochdeutsche Novellistik bezieht. Hierbei wrden die auf dem Konzil als verpflichtend festgelegte Beichte und die daraus resultierenden literarischen Adaptionen in den Blick genommen. Die behandelten Texte wie etwa Pfaffe und Ehebrecherin, Die zwei Beichten, Der beichtende Student oder Die missverständliche Beichte, die auf den ersten Blick reichlich schwankhaft wirken, transportieren gleichwohl existenzielle Fragen. Dabei ist dies die Frage nach der Authentizität des Bekennens ebenso wie die Grundsatzüberlegung, ob beziehungsweise inwieweit das Bekennen ein ritueller Sprechakt sein kann. Die im Konzil getroffene theologische Weichenstellung wirkte sich also (un)mittelbar in literarischer Hinsicht aus. Und im allerweitesten Sinne mögen sogar die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull in diese evolutionäre Linie gestellt sein.

Die Beiträge des Bandes zeigen deutlich, welche, mitunter sich subkutan auswirkende, Bedeutung das IV. Laterankonzil weit über die engeren kirchlichen Belange hinaus hatte und wie diese Nuancen weit über das Mittelalter hinaus Wirksamkeit entfalteten. So kann dieses Konzil als epochal angesehen werden – und zumindest ein wenig davon färbt auch auf diese Publikation ab. Hier sind Beiträge von Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlichster wissenschaftlicher Disziplinen vertreten, die das Ganze trotz oder vielleicht gerade aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit zu einem sinnvollen Ganzen zusammenführen, was sicherlich daran liegt, dass dem Ganzen ein zielführendes, sinnvolles Konzept zugrunde liegt. Oder anders formuliert: Bereits in der knappen, jedoch äußerst informativen Einleitung werden sowohl Basisinformationen zum Konzil als auch Einschätzungen zur Bedeutung dieser Kirchenversammlung, aber auch des einladenden Papstes Innonzenz III., gegeben, die dann in den Einzelbeiträgen vertieft und intensiv diskutiert werden.

Die ‚Dramaturgie‘ ist also stimmig, und dies gilt auch für die durchweg lesenswerten Beiträge, die neben einer tragfähigen (Informations-)Basis auch genügend an Anregendem transportieren, um weitere und nicht zuletzt auch interdisziplinäre Diskurse zu befeuern. Der feste Einband ist in dieser Hinsicht nicht von Nachteil, da die Qualität des Ganzen eine häufige Nutzung nahelegt. Der bereits erwähnte Tafelteil und ein knappes, gleichwohl zweckmäßiges Register runden den grundpositiven Eindruck ab. Die Zielgruppe dürfte zwar vor allem unter denjenigen zu suchen sein, die sich mit Theologie- beziehungsweise Kirchengeschichte befassen, allerdings werden zugleich auch kunsthistorische und literaturgeschichtliche Aspekte ausgewiesen, sodass auch Personen aus diesen Bereichen zu dem kompakten Band greifen dürften. Überdies jedoch ist das Buch generell so informativ, dass es allen am europäischen Mittelalter Interessierten unbedingt ans Herz gelegt sei.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Klaus Herbers / Christiane Witthöft / Michele C. Ferrari (Hg.): Europa 1215. Politik, Kultur und Literatur zur Zeit des IV. Laterankonzils.
Böhlau Verlag, Köln 2016.
319 Seiten, 62,00 EUR.
ISBN-13: 9783412503819

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch