Fridays for Future-Spirit: Kinderbücher für die Generation von morgen

Ein Gespräch über die Bilderbücher „Was wird aus uns?“ von Antje Damm und „L‘incroyable vie des paysages“ von Claire Lecoeuvre

Von Monique GrüterRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monique Grüter und Britta WaltherRSS-Newsfeed neuer Artikel von Britta Walther

Angesichts der aktuellen Debatten über Nachhaltigkeit und der gigantischen Bewegung Fridays for Future mit ihrer starken Präsenz in den Medien ist es nicht verwunderlich, dass sich umweltbezogene Thematiken zunehmend in der Literatur widerspiegeln. Auch auf der Frankfurter Buchmesse wurde die Frage diskutiert, inwieweit und in welchen Formen das gesteigerte Interesse an Natur und Umwelt in der Kinder- und Jugendliteratur wiederzufinden sei. Von der Literaturdidaktikerin Prof. Caroline Roeder moderiert, wurde diese Fragestellung im Rahmen einer Veranstaltung des Institut Francais im „Weltempfang Salon“ anhand der Bilderbücher der Autorinnen Claire Lecoeuvre und Antje Damm besprochen.

Die in Südfrankreich aufgewachsene Lecoeuvre arbeitete nach ihrem Studium der Biologie und Biodiversität zunächst als Wissenschaftsjournalistin, unter anderem für National Geographic und GEO. Ihr Interesse an einem besseren Verständnis für Lebewesen führte sie schließlich zum Schreiben von Kinderbüchern. Lecoeuvre nutzte ihren wissenschaftlichen Hintergrund für ihr erstes Buch L‘incroyable vie des paysages (Deutsch: Wüsten, Berge, Fjorde), das 2016 erschien: Auf der Grundlage von Informationen, die sie im Austausch mit anderen Wissenschaftler*innen und aus eigener Recherche gewinnen konnte, werden in L‘incroyable vie des paysages 20 beliebte Touristen-Landschaften vorgestellt. Ein zentrales Merkmal der Landschaften und ein sie beschäftigender Gedanke ist, dass „man […] nicht [weiß] wie die Dinge, die man bewundert, entstanden sind.“

Von links nach rechts: Prof. Caroline Roeder, Antje Damm und Claire Lecoeuvre

Das Bilderbuch als Genre biete für Lecoeuvre das Potential, eine Transfersituation zu schaffen, in der durch die Illustration eine für Kinder ansprechende Wissensvermittlung möglich wird. Die Illustration veranschaulicht eine ökologische Geschichte und in die Landschaft eingebundene Menschen. So sieht man beispielsweise eine Illustration der Salzwüste Boliviens, die in ihrer Darstellung einnehmend auf den Betrachter wirkt und den Menschen in ein Verhältnis zur Landschaft setzt. Über die Illustration wird der Mensch als Teil einer Landschaft sichtbar, eine illustrative Ganzheit wird geschaffen, die es Leser*innen ermöglicht, Landschaft mit anderen Augen zu betrachten. Lecoeuvre betont die Wertigkeit der künstlerischen Dimension des Bilderbuches und der damit verbundenen gestalterischen Ästhetik für Leser*innen.

Geht es beiden um einen Wissenszuwachs im Bereich Nachhaltigkeit und Ökologie, so fokussiert Damms für den Jugendliteraturpreis im Bereich Sachbuch nominiertes Werk Was wird aus uns? ein Gespräch mit Kindern über den Ansatz der Hebammenfrage – eine von ihr im Buch gegebene Impulsfrage. Das so durch das Buch initiierte Frage-Antwort-Spiel soll einen von Damm bei den Kindern vermuteten Forscherdrang stillen. Die Gestaltung des Buches, bestehend aus einem Kompositum aus Fotos und Fragen, wirkt aber eher willkürlich und wenig ansprechend aneinandergereiht. Lässt das Buch gestalterisch-ästhetisch etwas zu wünschen übrig, so ist das eigentlich Zentrale daran, dass Kinder das Gefühl erlangen, sie könnten etwas bewirken und sich Gehör verschaffen – was Damm auch an der Fridays for Future-Bewegung „großartig“ findet. Das Reden, das Benennen, das Zuhören und das im Generationengespräch gemeinsame Reflektieren führe letztlich zu einem Gewinn auf beiden Seiten und zur Möglichkeit, Dinge (der Natur) zu bewahren.  

Im direkten Vergleich sticht Lecoeuvre mit ihrem wissenschaftlich fundierten, kindgerecht aufbereiteten und ästhetisch ansprechenden Buch im rasanten Zuwachs thematisch ähnlicher Kinder- und Bilderbücher hervor. Sind beide Bücher demselben Genre zuzuordnen, so gehen sie doch sehr unterschiedlich an eine Wissensvermittlung heran. Deshalb ist Damms Buch trotz ästhetischer Abstriche vielleicht gerade für Eltern zu empfehlen, die sich einen angeleiteten Austausch mit ihren Kindern über Themen der Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Diskurse wünschen und möglicherweise selbst unsicher sind, welche Fragen sie stellen sollen.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen