Ende der Vorstellung. Die Poesie der Medien

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Welche Verbindung besteht zwischen dem Abendmahl, dem Geld und den neuen bzw. neuesten Medien? Für den Mannheimer Literatur- und Medienwissenschaftler Jochen Hörisch lassen sich alle drei als "ontosemiologische Leitmedien" der abendländischen Kultur begreifen - und das heißt als Medien, die für möglichst viele Menschen das Sein mit Sinn versehen und gleichzeitig den Sinn als seiend ausweisen können. Die historische Analyse und Genealogie dieser eine soziale Synthese herstellenden "ontosemiologischen Leitmedien" leistet Hörisch in seiner Medien-Trilogie, auf deren erste beiden Teile, "Brot und Wein - Die Poesie des Abendmahls" und "Kopf oder Zahl - Die Poesie des Geldes", nun der letzte gefolgt ist: "Ende der Vorstellung - Die Poesie der Medien".

Historisch gesehen folgen die Leitmedien aufeinander, ihre Übergänge jedoch vollziehen sich fließend. Die alten "Massenmedien" setzen sich in den neuen fort. So hat etwa das Geld als Wertkategorie zahlreiche religiöse Grundzüge des Abendmahls übernommen. Auch das Geld ist auf ständigen Austausch bedacht, auch das Geld hat Fetischcharakter, ja beim Geld hat sich gegenüber dem Abendmahl als Symbol eines religiösen Lebensvollzugs die gesellschaftliche Pflicht zur Teilnahme noch erhöht. Freilich sind dem Leser diese Grundgedanken bereits aus den Werken von Marx und Benjamin ("Kapitalismus als Religion") vertraut. Wenn Hörischs Ausführungen dennoch Aufmerksamkeit verlangen dürfen, dann weil sie bei ihrer Analyse auf die "Erkenntniskraft von sog. schöner Literatur" vertrauen, weil sie die Geschichte der "ontosemiologischen Leitmedien" als eine Geschichte der Literatur schreiben. So hat Hörisch es auch in dem neuesten Band gehalten, in dem er die Ablösung des Abendmahls und vor allem des Geldes durch die audiovisuellen und elektronischen Medien verfolgt. Denn Hörisch erarbeitet sein These von der unwiderstehlichen Faszinationskraft audiovisueller Medien anhand der Werke von Goethe, von Proust, von Thomas Mann und natürlich auch von der neuesten deutschen Literatur. Dass er der Subtilität der literarischen Struktur dieser Werke mit seinen Analysekategorien letztlich nicht gerecht zu werden vermag, ist Hörisch sich bewusst. Gleichwohl sind die Einsichten, die seine Textlektüren hervorbringen, meistens interessant und durchaus lesenswert.

Stärker jedoch sind seine allgemeinen kulturkritischen Ausführungen. Hier wagt Hörisch sich zwar gelegentlich weit hervor, wenn er etwa Webers Rationalisierungstheorem zu widerlegen versucht. Prinzipiell jedoch kann seine Analyse unserer westlichen Kultur als einer von den Marktgesetzen und den neuesten Medien gesteuerten inhaltsleeren Spaßkultur überzeugen: sei es, dass er die Clinton-Affäre, diverse Fernsehshows oder den Gottesbegriff des Internets traktiert. Dann aber muss auch etwas an der folgenden These dran sein: "Medien fungieren heute nicht länger als Scharnierstellen zwischen Macht und Herrschaft. Sie selbst sind zu herrschenden Medien geworden [...], die weiter nichts zu vermitteln haben. Das aber heißt: Den Medien, die nicht mehr Medien von etwas sind, ist das Arkanum der Macht abhanden gekommen. Sie durschauen alles - inklusive den Satz, dass es nichts Grundsätzliches mehr zu durchschauen gibt. Der Grundsatz aller Metaphysik, der Satz vom Grunde, ist mit den neuen Medien zugrunde gegangen."

Titelbild

Jochen Hörisch: Ende der Vorstellung. Die Poesie der Medien.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1999.
320 Seiten, 12,70 EUR.
ISBN-10: 3518121154

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