Good Bye, Traumjob!

Iain Levisons Erfahrungsbericht "Abserviert" über sein "Leben als Humankapital" auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt

Von Julia SchusterRSS-Newsfeed neuer Artikel von Julia Schuster

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Es ist Sonntagmorgen und ich überfliege die Stellenangebote. Es gibt da zwei Sorten von Jobs - Jobs, für die ich ungeeignet bin, und Jobs, die ich nicht haben will. Ich ziehe beide in Erwägung." So beginnt Iain Levisons wahnwitziger Erfahrungsbericht über das Leben als arbeitsloser Geisteswissenschaftler in den USA. Die Szenerie, die auch den hiesigen Universitätsabsolventen mit geisteswissenschaftlichem Abschluss - in jüngster Zeit gerne dem so genannten "Prekariat" zugerechnet - bekannt vorkommen dürfte, nimmt bei Levinson jedoch absurde Züge an.

Levison hat einen Hochschulabschluss in Englisch, ist laut Selbstbeschreibung höflich und anständig und sieht ordentlich aus. Doch eine Arbeit zu finden, die seinen Qualifikationen angemessen wäre, hat er längst aufgegeben. Für ihn geht es nur noch um "das nackte Überleben, aber nacktes Überleben klingt dramatisch, und diesem Leben fehlt es an Dramen. Es ist bloß aufreibend." Er hangelt sich von einem Job zum nächsten: "In den letzten zehn Jahren hatte ich zweiundvierzig Jobs in sechs Bundesstaaten. Dreißig davon kündigte ich, bei neunen wurde ich gefeuert, und bei den anderen drei war nicht ganz klar, woran es lag." So versuchte er sich unter anderem als Kellner, Restaurantmanager, Möbelpacker und Fischtranchierer. Schließlich heuert er auf einem Krebsverarbeitungsschiff in Alaska an und hat damit den Tiefpunkt seiner Karriere als Hilfsarbeiter erreicht.

Als Schriftsteller legte Levison, Jahrgang 1963, zuerst den Krimi "Betriebsbedingt gekündigt" (2005) vor und beschloss dann, seine Job-Odyssee literarisch zu verarbeiten. Sein autobiografischer, scheinbar authentischer Erfahrungsbericht "Abserviert" liest sich flott wie ein Roman und ist Dank des trockenen Humors, mit dem der Autor seine abstrusen Erlebnisse in der amerikanischen Arbeitswelt schildert, eine kurzweilige und sehr unterhaltsame Lektüre.

Sarkastisch und unsentimental erzählt Levison von seinen ab der Alaska-Episode zunehmend ins Groteske abgleitenden Arbeitserfahrungen, die unter unzumutbaren Bedingungen geleistet werden müssen. Insofern hätte "Abserviert" eigentlich das Zeug zu einer wirklich witzigen Gesellschaftssatire gehabt, aber merkwürdigerweise ist es nicht Levisons Absicht, diese verheerenden Zustände anzuklagen. Resigniert fügt er sich in sein Schicksal als "Humankapital" und scheint an dieser Situation auch nicht wirklich etwas ändern zu wollen. Es bleibt ein Rätsel, warum er sich ausgerechnet die schlimmsten Jobs mit dem höchsten Ausbeutungsfaktor aussucht - es scheint fast, als suche er die Erniedrigung.

Seine Einstellung zur Arbeitswelt offenbart er in Erkenntnissen wie "Unsere Träume können wir dabei getrost vergessen. Es kommt darauf an, die Alpträume zu vermeiden" und geht dem Leser mit seiner No Future-Attitüde leider irgendwann ziemlich auf die Nerven. Sieht er die Dinge zur Abwechslung einmal positiv, heißt es "Ich lebe im reichsten Land der Welt; hier pleite zu sein, ist immer noch besser, als in Peru oder Angola zur Mittelschicht zu gehören. Ich könnte ja auch ein Bauer im Senegal sein." Na, da haben wir ja noch einmal Glück gehabt.


Titelbild

Iain Levison: Abserviert. Mein Leben als Humankapital.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Hans Therre.
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2006.
219 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-10: 3882218657

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