Heimlich, still und leise

Erzählungen über die Lyrik des Alltäglichen

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Antwerpen, Isfahan und Helgoland sind nur drei Orte, die Susanne Schedel in ihrem ersten Prosaband miteinander verbindet. Ihre Protagonisten stehen alle an einem signifikanten Wendepunkt; sie müssen sich entscheiden, müssen handeln. Und sie entscheiden sich für das bisher ungelebte Leben.

In dem Debüt der studierten Germanistin und bereits mehrfach ausgezeichneten Autorin sind die Menschen auf der Suche: nach Kindheitserinnerungen, nach Heimat, Natur oder Erinnerung; oft träumen sie von der großen Liebe. Und sie realisieren ihre Träume, auch wenn sie daran mitunter zu scheitern drohen. Langsam, oft kaum merklich vollziehen sich die Umbrüche: Das Ausbrechen aus dem Alltag vollzieht sich als Metamorphose, zu einem langsamen Hineingleiten in eine andere Lebensform.

Mit einer vielschichtigen Sprache, die allen Dingen eine Persönlichkeit zuspricht, gelingt es Schedel, eine Atmosphäre zu schaffen, die den Leser schnell in den Bann zieht. Starke Bilder prägen alle sechs Erzählungen, was angenehm mit den einfachen Handlungsstrukturen korrespondiert. Damit stellt sie sich entschieden gegen ihre Altersgenossen, die den journalistischen Hackstil pflegen, in der Hoffnung auf leichte Lesbarkeit. Was nicht heißt, dass die Sprache der 27-Jährigen umständlich wäre, im Gegenteil. Nur gelingt es ihr, eine dichte Atmosphärezu schaffen, der man sich so schnell nicht entziehen kann.

Melancholischer Weltschmerz prägt die Erzählungen, die sich den "großen" Themen unserer Zeit verschließen, dafür aber nachdenklich und zuweilen bewegend von den Kleinigkeiten erzählen, die das Leben so bedeutsam machen. Der große Vorzug dieser fast zeitlos wirkenden Prosa liegt vor allem darin, dass die Autorin neutrale Protokollantin bleibt, ihre Figuren beobachtet und kein Wort zuviel über sie verliert. Damit umgeht sie ein Problem, das viele junge Autorinnen der letzten Jahre haben: Sie fällt nicht der Nabelschau anheim, der ewigen Selbstbeleuchtung. Dafür erzählt sie mit dramaturgischem Geschick, ohne jedoch aufzutrumpfen. Die innere Rastlosigkeit der Handelnden drückt sie vielmehr durch ständige Mobilität oder durch plötzliches Innehalten aus. Sie erzählt von Alltäglichkeit und Normalität - im besten Sinne.

Titelbild

Susanne Schedel: Schattenräume.
Hainholz Verlag, Göttingen 2000.
144 Seiten,
ISBN-10: 3932622626
ISBN-13: 9783932622625

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