Schön ist's hier, Herr Goethe!

Friedrich Burys Briefe aus Italien an Goethe und Anna Amalia

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Maler Friedrich Bury (1763-1823) bricht Anfang der 1780er-Jahre Richtung Italien auf, lebt dann in Rom und gehört dort zum Kreis der deutschen Künstler, der für Italien bereisende Schriftsteller zum Anlaufpunkt wurde. Als Goethe Anfang September 1786 überraschend nach Italien aufbrach, sollte er nach fast zwei Monaten Reise am 29. Oktober 1786 Rom erreichen. Seine Kontakte zu den deutschen Künstlern in Rom waren vielfältig, unter anderem zählten dazu Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829), Johann Georg Schütz (1755-1813), Johann Heinrich Lips (1758-1817), Angelica Kauffmann (1741-1807) und eben Friedrich Bury. Dabei heben sich aus der Aufzählung der Bekannten Goethes in Rom die beiden Maler Tischbein und Schütz heraus. Mit Tischbein teilte Bury seit 1784 eine Wohnung, ein Jahr später stieß Schütz zur Wohngemeinschaft hinzu. 1786 zogen die Maler dann in Rom in das Haus am Corso Nr. 18, worin auch Goethe seine römische Zeit verbrachte.
Goethe hatte offensichtlich Gefallen an dem jüngeren Bury gefunden. Auch über den gemeinsamen römischen Aufenthalt hinaus blieb Goethes Wohlwollen für den jungen Maler erhalten. Er vermittelte ihm den Kontakt zu Anna Amalia, die dieser auf ihrer Italienreise begleiten sollte (1788 bis 1790). Auch nach Anna Amalias Italienaufenthalt hatten Burys Weimarer Kontakte regelmäßig Aufträge für den Maler in Rom. Im Zuge der kriegerischen Wirren musste Bury 1799 Rom und Italien verlassen und kehrte nach Deutschland zurück, besuchte zuerst seine Familie in Hanau und war schon im Oktober 1799 in Weimar. Seine Bemühungen um eine Anstellung sollten sich allerdings nicht erfüllen. Goethe förderte ihn zwar, konnte oder wollte sich allerdings nicht weitergehend für ihn verwenden. Trotzdem dokumentiert Burys Bildnis von Goethe aus dem Jahr 1800 die Verbundenheit mit dem Weimarer Dichter über den Italienaufenthalt hinaus. Beide blieben auch nach Burys Weimarer Aufenthalt - der ungefähr ein Jahr dauerte - einander verbunden: "Aus Burys nachitalienischer Zeit, das heißt den Jahren ab 1799, sind insgesamt vierzehn Briefe an Goethe überliefert, deren letzter aus dem Jahr 1815 stammt." Bury begann sich nach seinem Weimarer "Versuchen" langsam als Porträtist zu etablieren. Zeichenunterricht für die Kinder des gehobenen Adels sollte sich in den nächsten Jahren zugunsten seiner Karriere auswirken: "In der Tat hatte Bury, der Goethe in seinen Briefen aus Italien immer wieder um finanzielle Unterstützung hatte bitten müssen, mittlerweile seinen Weg gemacht und war über die Jahr zu einem gefragten und mithin gutsituierten Porträtisten der höheren und höchsten Kreise geworden."
Die hier edierten Briefe bieten interessante Einblicke in die Situation der römischen Künstlerkolonie vor der Romantik, liefern Klatsch und Tratsch und relativieren überraschenderweise die klassischen Kunstkonzepte, die in theoretischen Schriften zum Beispiel von Meyer konstatiert wurden. Dabei kann die Edition nicht genug gelobt werden, gibt man doch hier erstmals die Briefe ohne editorische Eingriffe wieder und ermöglicht damit einen unzensierten Blick auf die heterogenen "Textkörper". Was dabei im besten Sinne zu erwarten ist, zeigt gleich der erste, am 10. Mai 1788 an Goethe gerichtete Brief: "Ihr Schreiben von Florenz erhielt ich mit Zitternder freude, und vielfältigen Küssen; das welches ich, nach Ihrer thraurigen Abreisse so sehnlich Gewünscht hab, oft kam ich nach Hause aus der Gallerie Farnesse, in Verdoplung meiner Schritten demselben geschwinder Entgegen zu kommen, Entlich erhielt ich das Göttliche Vergnügen von unsere Alte, welche mir Ihn den ganzen Tag aufgehoben hatte, nahm Ihn und Laufte geschwinde nach meinem Zimmer, wuste vor Lauter Freude nicht wie ich ihn geschikt genuch aufmachen sollte, im durchlässen Samleten sich wieder Thränen genuch für mich Ihre Abwesenheit von mir zu beweynen, nicht das erste Mal ist es gewässen nach Ihrer Abreisse, darf mich diesen Gedanken nicht ganz überlassen, sonsten würde ich alles darüber vergessen, mus mich Euserlich auch in Acht nehmen in dem mir es schon viele Angesehn haben; aber wenn mein Herz von Ihnen beschwert wird, kann ich nicht anders als den Gang welche die Natur mir bestimmt hat, mich dadurch zu beruigen mit Freude Ergeben."
In dieser überraschenden Frische präsentiert sich der gesamte Briefkorpus. Hinzu genommen wurden außerdem noch Briefe an Anna Amalia, die von der Forschung bisher kaum berücksichtigt wurden. Mit einem Brief an Goethe vom 28. Juni 1799 schließt der Briefteil. "Am 18. Mai 1823 starb der einstige römische Gefährte Goethes [...] und mit ihm einer der letzten Träger der lebendigen Erinnerung an die Zeit der Italienischen Reise." Im umfangreichen Anhang findet man einen detaillierten Stellenkommentar, ein Literaturverzeichnis, ein gut lesbares und informatives Nachwort sowie ein hilfreiches Register der Personen und Werke. Deshalb sei der Briefwechsel dem Literaturwissenschaftler ebenso wie dem Kunst- und Geschichtswissenschaftler empfohlen. Ebenso natürlich dem interessierten Leser, bieten die ungefähr 100 Seiten Briefe doch eine unterhaltende Lektüre.


Titelbild

Martin Dönike (Hg.): Friedrich Bury. Briefe aus Italien an Goethe und Anna Amalia.
Wallstein Verlag, Göttingen 2007.
230 Seiten, 19,00 EUR.
ISBN-13: 9783835301412

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