Gender Trouble in Hollywood

Katrin Oltmanns erhellende Studie zum Verhältnis von Premakes und Remakes am Beispiel des Gender-Diskurses in Hollywoods romantischen Komödien

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Remakes bekannter Filme reichen nur höchst selten an die Qualität des Originals heran. Darin sind sich die populäre Filmkritik und zumindest auch die ältere Generation des Publikums weithin einig.

Doch nun hat sich eine Stimme erhoben, die lautstark Einspruch anmeldet. Sie gehört Katrin Oltmann. Nicht etwa, dass die Film- und Kulturwissenschaftlerin die Remakes grundsätzlich zu den besseren Filmen erklären würde. Sie stellt vielmehr die gesamte "defizittheoretischen Sicht" auf die vermeintlich "schwache[n] Kopien klassischer 'Originale'" infrage und setzt ihr eine völlig anders geartete Perspektive entgegen, mittels derer sie die Differenzen zwischen Remake und - wie sie sagt - Premake produktiv macht.

Der Begriff, den sie anstelle der Rede vom 'Original' bevorzugt, enthält schon das halbe Programm ihrer Untersuchung. Indem sie einen früheren Film, auf den das Remake als Wiederverfilmung Bezug nimmt, nicht als Original sondern als Premake bezeichnet, "enthierarchisiert" sie die Beziehung beider Filme zu einander und macht den Blick "auf die gegenseitige Verschaltung der Filmversionen" und auf das "Antwort- und Weiterverarbeitungsschema" des Remakes frei. "Das Originalitätskonzept wird somit durch das der Intertextualität abgelöst."

Statt also zu erörtern, welche Version die bessere sei, nähert sich Oltmann den Remakes mit dem Organon der Cultural Studies und begreift sie als "rereading/rewriting eines kulturellen Textes"; mithin als eine "neue Version, die in komplexe Verhandlungen mit dem Vorgängerfilm tritt". Ein Remake, so Oltmann, "passt eine Story unter Rückkopplung an den Vorgängerfilm veränderten historischen und kulturellen Gegebenheiten und Kontexten an". Dabei geht sie davon aus, dass Produktionen von Remakes "irritierende und ungelöste Anteile" der Premakes, wie etwa deren "Inszenierung von gender trouble", "aufgreifen und verhandeln". Somit versteht Oltmann den "filmische[n] Transferprozess" eines Remakes "im weiteren Sinn als Übersetzung", die "mit kultureller Aneignung zu tun" hat.

Oltmanns Verständnis zufolge fungieren Remakes als "metanarrative Kommentare zur Konstruiertheit filmischer Texte". Ihre kulturwissenschaftliche Vorgehensweise bezieht nicht nur die "Nachwirkungen" des Premakes auf das Remake ein, sondern verfolgt auch "die entgegengesetzte Richtung": "die Re-Lektüre, das rewriting, das dieser frühere Text durch spätere Texte erfährt". Diese "Lektürehaltung" bezeichnet sie mit dem Neologismus "preposterous reading".

Der aus neohistorischer Vorgehensweise und performationstheoretisch informierter Gender und Queer Studies "kombinierte" Ansatz ihrer Studie fokussiert auf den Gender-Diskurs und beleuchtet Männlichkeit und Weiblichkeit als "historisch variable Kategorien" am Beispiel verschiedener, zwischen 1930 und 1960 in Hollywood entstandener romantischer Komödien, wobei die Autorin Geschlecht mit "im Anschluss an und in kritischer Auseinandersetzung mit Butler und der Butler-Rezeption" nicht biologisch versteht, sondern als in den Diskursen nicht nur verhandelt, sondern auch performativ erzeugt. Ihre Lektüren zielen insbesondere auf die "Inkongruenzen im doing gender der Filme" sowie auf queere "Gender-Positionen", "die den heteronormativen Repräsentationscode durchkreuzen und stören."

In drei Hauptkapitel untersucht Oltmann drei Premake-Remake-Paare: "The Front Page" (1931) und "His Girl Friday" (1940), "The Awful Truth" (1937) und "Let's Do It Again" (1953) sowie "Holiday Inn" (1942) und "White Chrismas" (1954). An ihnen zeigt sie, "dass die zweiten Filmversionen den Premakes gegenüber keineswegs durchgängig Modernisierungstendenzen bezüglich ihrer Gender-Repräsentationen aufweisen". Vielmehr muss sie mehrfach einen "Hang zur Vereindeutigung polyvalent angelegter Gender-Konstellationen, zur Eingemeindung transgressiver Gender-Performances" konstatieren.

Oltmanns erhellender Untersuchung ist vielfältiges Lob zu zollen. Sie überzeugt mit einem hohen theoretischen Reflexionsniveau, stringenter Argumentationsführung, lückenlosen Belegen und Quellenangaben sowie mit innovativen Erkenntnissen. Wenn es überhaupt etwas zu monieren gibt, dann die gelegentlichen Redundanzen, die bis hin zu weithin identischen Passagen reichen, für die hier nur ein Beispiel genannt sein soll. Zu Beginn ihres Vergleiches der Filme "The Awful Truth", "Let's Do It Again" schreibt Oltmann: "Die Screwball Comedies, die Ironie und Respektlosigkeit, mit denen diese Filme Hollywoods romantisches Liebesideal durchstreichen, wirken in ihren Remakes weiter. Der gender trouble, den die Screwball Comedies gerade nicht lösen, sondern den sie, im Gegenteil, mit Verve inszenieren, taucht in den 50er-Jahre-Filmen als unfinished business wieder auf und durchkreuzt eventuelle konservative Umschriften dieser Filme." Vierzig Seiten später, am Ende des Abschnittes heißt es weitgehend gleichlautend: "Das Irritationspotential der Screwball Comedies, die Ironie und Respektlosigkeit, mit denen diese Filme Hollywoods romantisches Liebesideal durchstreichen, wirken in ihren Remakes weiter. Der gender trouble der Screwball Comedies taucht in den 50er-Jahre-Filmen als unfinished business wieder auf und durchkreuzt konservative Lektürevorgaben dieser Filme."


Titelbild

Katrin Oltmann: Remake - Premake. Hollywoods romantische Komödien und ihr Gender-Diskurs.
Transcript Verlag, Bielefeld 2007.
353 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-13: 9783899427004

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch