"Vater steht immer hinter dir"

Torsten Körner hat eine Biografie Götz Georges geschrieben

Von Stefanie HartmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Hartmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Vater steht immer hinter dir" sagte Götz George tröstend zur Mutter, als die Familie die Nachricht vom Tod des Vaters erhielt. Dies gilt auch für den Sohn selbst, der sich in der Arbeit immer auch mit der Arbeit des Vaters auseinander setzte, von seiner Kindheit im Künstler-Haushalt zehrte und in der Öffentlichkeit aufgefordert wurde, nicht nur zur künstlerischen Arbeit, sondern auch zur politischen Rolle des Vaters im "Dritten Reich" Stellung zu nehmen.

Heinrich George, der - nach mehreren kurzen Verhaftungen durch die Sowjets- schließlich dauerhaft festgenommen wird, stirbt, als Götz gerade mal acht Jahre alt ist, im ehemaligen KZ Sachsenhausen an den Folgen einer Blinddarmentzündung. Heinrichs Frau Berta Drews und die Kinder müssen das Haus in Wannsee an amerikanische Besatzer abtreten. Putzi, so Götz' familiärer Kosename, freundet sich nach Kriegsende mit Amerikanern an und verschafft der Familie damit Zugang zu Lebensmitteln und Zigaretten. Für Berta bleiben bis 1948 Rollenangebote aus, da ihr Mann zu den Verfemten gehört.

Von 1947 bis 1950 lebt George in einem Kinderheim im Allgäu. Hier erprobt er beim Sport, insbesondere beim Skifahren, seine Waghalsigkeit, die ihm bei den späteren Filmstunts zu Gute kommt. Zurück in Berlin gelangt er eher zufällig auf die Bühne, als ein Kollege des Vaters eine Kinderrolle mit ihm besetzt. Es wird ein Erfolg, ein zu früher Erfolg, der ihm für die nächsten sieben Jahre aufgrund der Anspannung ein Magengeschwür beschert. Dennoch - die Karriere beim Film und im Theater hat begonnen. Er arbeitet in den folgenden Jahren mit Regisseuren wie Heinz Hilpert, dreht anspruchsvolle Filme wie Staudtes zu Unrecht vergessenen Nachkriegsfilm "Kirmes" (1960), der die Verlogenheit eines Dorfes in der Eifel illustriert, aber auch Karl-May-Filme, in denen er vor allem seinen körperlichen Einsatz trainiert - sämtliche Stunts macht er, wie in allen folgenden Filmen, selbst.

In den 1970er-Jahren nutzt er den Wandel des Mediums: Zunächst in Nebenrollen stellt er in den neuen Krimiserien zwielichtige, halbseidene Charaktere dar - bis er 1981 mit Horst Schimanski eine neue, gänzlich unkonventionelle Ermittlerfigur, mit aus der Taufe hebt. Er distanziert sich im Laufe der Jahre von der Figur in dem Maße, wie Sender und Drehbücher dafür sorgen, dass der Charakter Schimanski glatter und die Stoffe unpolitischer werden.

Amüsant ist die Geschichte zu dem Film mit George, in dem er selbst gar nicht zu sehen ist. Jean-Luc Godard, Regisseur des Kultfilms "Außer Atem", gewinnt in Artur Brauner einen Co-Produzenten für einen Film in Rom. George reist an, aber der Film ist überraschenderweise schon fertig gestellt. Er findet sich unter Avantgardisten, Kommunisten, Verweigerern des kommerziellen Kinos wieder, unter ihnen Daniel Cohn-Bendit. Brauner ahnt den Betrug und Godard filmt zur Tarnung einen Tag mit George und steckt ihn dann zwei Wochen ins Hotel. Resultat: Der Film wurde nie im Kino gezeigt, lediglich in wenigen Filmclubs. Götz George sucht der Zuschauer vergeblich. "Das war Götz Georges bescheidener Beitrag zum Kino der proletarischen Weltrevolution." Cohn-Bendit und Brauner können sich heute übrigens nicht mehr an diese Episode erinnern.

Mit einem weiteren Regisseur kommt er ebenfalls nicht zusammen: Rainer Werner Fassbinder, der sich durchaus für George interessiert, einige Rollen mit dessen Bruder Jan bereits besetzt hat, verärgert Götz George, als er bei einem Treffen in einer Kneipe, statt auf die Fragen des Schauspielers einzugehen, sich intensiv mit einem Flipperautomaten beschäftigt (aus Schüchternheit?). Man stelle sich vor: Fassbinders "Berlin Alexanderplatz" mit Götz George in der Hauptrolle (wie Jahrzehnte zuvor der Vater)...

Die Rolle des Amon Göth in "Schindlers Liste", lehnt er ab, da er sich nicht vertraut genug mit der englischen Sprache fühlt.

Im Zentrum der Biografie steht die Theater, Kino- und Fernseharbeit Georges, und damit entgeht das Buch der Gefahr, dem Schlüssellochjournalismus zu erliegen und sich an Klatschgeschichten, die es reichlich zu dem Mimen gibt, zu ergötzen. Andererseits gerät so die Biografie phasenweise zu einer Aneinanderreihung von Analysen und Kritiken, ohne dass man viel über den Menschen erfährt. Dass die Biografie von dem sonst eher publicityscheuen George autorisiert wurde, lässt vermuten, dass der Schauspieler Einfluss darauf genommen hat, was und in welcher Weise Eingang in das Werk genommen hat. In einem Interview mit der "Welt" hat er dann auch den Grund für seine scheinbare neue Offenheit genannt: "Jetzt muss ich wahrlich nicht mehr mit der Presse reden und kann immer auf die Biografie verweisen: Hier, lest nach, da steht alles über mich drin." Hätte Körner mehr O-Töne einfließen lassen - denn dass es zahlreiche Gespräche gab, daraus macht er keinen Hehl - wäre die Biografie persönlicher, lebendiger geworden, ohne dabei weniger diskret zu sein.

Gerade bei der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Heinrich Georges zeigt sich die Befangenheit des Autors. Mag die Verurteilung Heinrich Georges durch die Öffentlichkeit bisweilen in der Tat zu pauschal erfolgt sein, so ist die Rechtfertigung Körners, dass ein Typ wie er, der auf die Rolle des Geschlagenen, der deutschen Seele, des Mannes als Eiche, abonniert war, nun mal nur die Rollen spielen konnte, die er unter den Nazis spielte - während sich zum Beispiel Heinz Rühmann in Komödien verstecken konnte - allzu einfach. Trotzdem zeigt aber gerade Körners Biografie, dass sich der Sohn Götz in seinem Beruf sehr wohl mit dem Vater auseinander gesetzt hat.

Körner ist dort am besten, wo er sich von den Fakten löst und Stimmungen inszeniert, etwa wenn er anhand des berühmten Familiengemäldes von Beckmann die Konstellationen der Beteiligten analysiert oder wenn er die Atmosphäre einer nicht enden wollenden Tournee-Reise beschreibt. Die Anekdoten dagegen, die Esprit versprühen könnten, wie die missglückte Zusammenarbeit mit Godard, bleiben hölzern. Dabei ahnt man - und weiß es aus Talkshows - dass Gespräche mit George vor Lebendigkeit strotzen können.


Titelbild

Torsten Körner: Götz George. Mit dem Leben gespielt. Biographie.
Scherz Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
480 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783502150299

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