Poetisiert die Städte!

Ein Tonträger der Beatpoeten mit Slam Poetry und Electrodub

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Motto "Poetisiert die Städte!" auf der Rückseite der CD verkündet plakativ die Botschaft. Dabei ist es nur die knappe Zusammenfassung des Gesamtkonzepts, das dem Werk zugrunde liegt und in schlecht lesbaren, kleingeschriebenen roten Buchstaben auf schwarzem Hintergrund auf der CD-Hülle abgedruckt ist: "Beat trifft Poetry trifft dich ins Gesicht. Die Beatpoeten Jan Egge Sedelies und Costa Carlos Alexander kombinieren politische Lyrik mit mal melancholischen, mal treibenden Elektroklängen. Brecht würde dazu tanzen. Das kannst du auch!" Es schwingt viel Optimismus in den Zeilen und auch in den Klängen auf der CD mit. Aber was kann man erwarten? Braucht man das?

Die Beatpoeten haben zehn "Songs" - oder sind es Gedichte? - zusammengebastelt, die man eher als Texte mit musikalischem Hintergrund bezeichnen könnte. Das Ganze wurde auf eine CD mit Beatnik-Layout gepackt, ein ordentliches Booklet mit den Texten der Songs dazu - fertig. Die einzelnen Tracks werden von den Texten getragen. Die Musik erscheint anfangs eher als bloße Untermalung. An manchen Stellen verkehrt sich aber dieses Verhältnis und die Musik fordert ihren Teil an berechtigter Aufmerksamkeit ein - eine eigenständige elektronische Musik irgendwo zwischen Dub und Trance. Gleich der erste Text "Leben im Bücherschrank" liefert eine ironische Collage, die immer auf dem schmalen Grad zwischen Kunst und Banalität balanciert: "Adorno & Horkheimer werfen sich beängstigte blicke zu, Brecht schreibt panisch an einem Gedicht herum, Rühmkopf sucht nach einem Blättchen & Bakunin hält sich den bauch vor lachen. Einige ewige lyrikzirkler kritzeln schon wieder seiten voll zu mauern in köpfen & Heiligendamm, zu orkanen in Deutschland & tornados in Afghanistan & Bukowski trinkt brüderschaft mit Asterix & Gaston."

Das name dropping erzeugt eine merkwürdige Atmosphäre aus kritischer Reflexion und banalem Aufzählreim, die sich aber in dem Stakkato der Worte auf der Ebene des Vortrags beziehungsweise Sprechgesangs in Poesie auflöst. Getragen durch die Zeilen der "Gedichte" wird der Leser in die Welt der Beatpoeten entführt. Zwischen mitreißender Vortragskunst und trashigem Abendspektakel bewegt sich dieser Tonträger, dessen Faszination sich nach mehrmaligem Hören immer mehr erschließt. Es ist kein einfaches Hörerlebnis, das den Rezipienten erwartet. Hörtipp ist neben dem Opener "Leben im Bücherschrank" der dichte Text von "The Clash" - Ähnlichkeiten mit der gleichnamigen Punkband sind zu vermuten - London calling!

Ein interessantes Wechselspiel aus programmierter Musik und lässig gestylten Texten im ruppigen Slam Poetry Style ist den beiden Beatpoeten gelungen. Dabei scheint es ihnen vor allem um den initialen Effekt für einen kreativen Prozess gegangen zu sein - denn versteht man den Ausruf "Poetisiert die Städte!" im Sinne eines künstlerischen Konzepts oder eines Manifests, stehen der Leser beziehungsweise der Hörer und der Künstler plötzlich den modifizierten Aussagen eines Joseph Beuys gegenüber: Jeder ist ein Künstler! Was kann man lobenswerteres erwarten? Und um die Frage vom Anfang zu beantworten: Ja, das braucht man, unbedingt!


Titelbild

Beatpoeten: Unterwegs.
Sprechstation Verlag, Berlin 2008.
63 min,
ISBN-13: 9783939055075

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