Musikalität und Brillanz

Karl-Heinz Otts furioser Roman "Ob wir wollen oder nicht"

Von Anton Philipp KnittelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anton Philipp Knittel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Auf die 20 Titel umfassende Longlist für den Deutschen Buchpreis 2008 hat es Karl-Heinz Ott mit seinem dritten Roman zu Recht geschafft. Denn dem mittlerweile 51-jährigen gebürtigen Ehinger Schriftsteller, der unter anderem mit dem Alemannischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde, ist mit "Ob wir wollen oder nicht" ein packender und fesselnder Roman gelungen, ein Krimi, der im eigentlichen Sinne keiner ist und auch keiner sein will.

Was genau im kleinen Dorf Dornbach im Südschwarzwald, das auch schon bessere Tage gesehen hat, passiert ist, bleibt letztlich im Unklaren. Fest steht nur: Der gut 50-jährige Ich-Erzähler Richard, Alt-68er und ehemaliger Tankstellenpächter, wird an "einem fast hochsommerlichen Herbstmorgen" verhaftet und landet im Gefängnis, "angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchten Totschlags". Und das alles, wie sich allmählich herausstellt, obwohl - oder gerade weil - Richard nichts getan hat. Mehr sei von der an drei Tagen spielenden Geschichte mit beklemmender Sogwirkung nicht verraten.

Ausgehend von der Frage "Warum ausgerechnet ich?" entfaltet Otts Held - nicht zuletzt aufgrund der beängstigenden Stille in der Gefängniszelle in Freiburg - in einem grandiosen inneren Monolog ein faszinierendes Panorama, in dem Komik und Schrecken kaum noch zu unterscheiden sind. Und das alles in einer fein ziselierten Gedankenmusik, die lange nachklingt.

Nach dem autobiographischen Erstling, dem Mutter-Sohn-Roman "Ins Offene" (1998), und dem 2005 erschienenen und mehrfach ausgezeichneten "Endlich Stille", einem psychologischen Pas de deux, legt der in Freiburg lebende Karl-Heinz Ott nun mit "Ob wir wollen oder nicht" nicht nur die Weiterentwicklung und das Gegenstück von "Endlich Stille", sondern vor allem einen großen Wurf, eine wahre Lesefreude, vor. Entstanden ist ein Roman, der nicht nur die Fragen nach Schuld und Sühne literarisch neu vermisst, sondern vor allem, wie auch die Vorgängerwerke, mehr durch sprachlichen Rhythmus, Musikalität und Brillanz besticht. Es ist ein Text, den wir, einmal zur Hand genommen, nicht mehr zur Seite legen können, "ob wir wollen oder nicht".


Titelbild

Karlheinz Ott: Ob wir wollen oder nicht. Roman.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008.
206 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783455401080

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch