Schlecht gemachter Klassiker

Bertolt Brechts Film "Kuhle Wampe" in einer neuen DVD-Edition

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Manchmal muss man die "Klassiker" einfach noch mal lesen oder sehen, um zu sehen, wie schlecht sie eigentlich sind. Bertolt Brechts einziger richtiger Film, "Kuhle Wampe" - das muss doch was ganz Herausragendes sein! Dachte man lange. Jetzt ist er bei Suhrkamp noch einmal erschienen, in einer hübschen Ausgabe mit DVD und kleinem Büchlein dazu, und man merkt in jeder Szene, wie grausig schlecht dieser Film doch gemacht ist.

Da gibt es gleich zu Anfang quälend lange Einstellungen von sausenden Rädern, wenn die Männer arbeitssuchend durch die Stadt fahren, von einer Fabrik zur nächsten. Das hatte man dann schon längst verstanden und wird nur noch gelangweilt. Da gibt es die hölzernsten Dialoge der Filmgeschichte, wenn die Filmfamilie so tut, als wenn sie miteinander reden würde, und man bei jeder Silbe merkt, dass die Laiendarsteller einfach nur die vorgeschriebenen Sätze aufsagen. Ob sie sie auch verstehen, weiß man nicht.

Dann verfolgt man die Unterhaltungen der beiden "Liebenden", in der eine Abtreibung angedeutet wird (Riesenskandal damals), und man merkt bei jedem Satz, dass Brecht und Dudow eigentlich nur eine Absicht damit verfolgten, nur eine Idee, aber nichts Lebendiges auf die Leinwand bringen wollten. Am Schluss gibt es noch die berühmte Diskussion in der S-Bahn, an deren Schluss das Solidaritätslied von Hanns Eisler ertönt - und man merkt sofort, dass es nur darum geht, den Bürger zu "entlarven". Ein richtiger Austausch von Argumenten findet nicht statt.

Dieser Film ist eigentlich nur ein Dokument der Hilflosigkeit. Während Lubitsch seine grandiosen Komödien drehte und es auch in Deutschland schon richtige Filme mit richtigen Schauspielern gab, setzten Brecht und Dudow auf "proletarische" Laiendarsteller und verhunzten damit eine eigentlich gute Idee: nämlich einen sozialkritischen Film zu drehen, der das Leben der kleinen Leute während der Weltwirtschaftskrise schildert. Zuviel Absicht und zu wenig Kunst lautet das Fazit. Schon Siegfried Kracauer hatte an dem Streifen die plumpe Gegenüberstellung der "resignierenden Erwerbslosen-Kleinbürger und der hoffnungsvollen Arbeiterjugend" kritisiert. Daran hat sich nichts geändert. Nur die Musik, die ist und bleibt grandios und modern. Also: Eine CD mit Hanns Eislers Musik kaufen statt der DVD.


Kein Bild

Bertolt Brecht / Slatan Dudow: Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?
DVD mit einem Essay.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
19,90 EUR.
ISBN-13: 9783518135020

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