Böse trifft ein jeder Scherz

Wilhelm Busch in Gernhardts Auswahl

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Tendenz, unsere Klassiker auf das Besinnliche, Erbauliche und Heitere zurechtzustutzen, drückt sich gern in Hausbüchern aus. Robert Gernhardt verfolgt mit seiner Wilhelm-Busch-Auswahl die gegenteilige Absicht: "In ihr habe ich einige der mir liebsten, komischsten, kompromisslosesten, katastrophalsten und in Wort und Bild inspiriertesten Episoden aus Wilhelm Buschs Werk zusammengestellt." Es sind "kalte Geschichten" in des Wortes wörtlicher und übertragener Bedeutung, die Gernhardt hier zusammengestellt hat. Meister Zwiel zum Beispiel stirbt den Kältetod; das kalte Gemüt (und Ende) von Kaspar Schlich wird in der lehrreichen Bildergeschichte von "Plisch und Plum" (1882) erzählt; und selbst der Feuertod der "frommen Helene" (1872) wird kalten Herzens inszeniert.

Die Bilderposse vom "Eispeter" - "der Vater weint, die Träne friert" -, gehört ebenfalls hierher (und ist als Leporello schön in den 185. Band der "Anderen Bibliothek" eingebunden). Getreu der Devise "Jeder Mensch ist ein Abgrund - und sei er noch so klein", beschreiben die Kindergeschichten von Wilhelm Busch den "Einbruch der Barbarei in jedes geordnete Gemeinwesen": Da ist zum Beispiel "Julchen" aus der Tobias Knopp-Trilogie, deren zerstörerisches Wirken in Form von munteren Bildsensationen zelebriert wird, und da sind Max und Moritz, jene Bösewichter, deren Ende grausam, grausam ist. Selbst die Tiergeschichten - Fipps, der Affe! - flottieren zwischen absurden Himmelfahrten und derben Notwehrexzessen hin und her.

Vom kalten Blick kündet auch die Compact-Disc, die Gernhardt besprochen hat. Diese kommentierte CD-Auswahl belegt, dass der Wortkünstler Busch selbst dann zur Geltung kommt, wenn auf seine Zeichnungen - des Mediums wegen - verzichtet werden muss. Die Texte pur tragen erstaunlich gut und werden nuanciert und ideenreich begleitet von Frank Wolff, der seinem Cello den ätherischen Flügelschlag des Schmetterlings ebenso zu entlocken weiß wie das gefährliche Summen der Hornisse. Von der Inspirationskraft des Altmeisters künden die beiden Hommagen bzw. Paraphrasen in der Nachfolge Buschs, die Gernhardt aus eigener Feder beigesteuert hat, sowie ein Nachwort und ein Gespräch mit Heiner Boehncke, in welchem Gernhardt ironisch vorführt, dass Wilhelm Busch mit seinen komischen Mitteln praktisch die gesamte moderne Malerei vorweggenommen hat.

Titelbild

Wilhelm Busch: Da grunzte das Schwein, die Englein sangen.
Herausgegeben von Robert Gernhardt.
Eichborn Verlag, Frankfurt 2000.
350 Seiten, 29,70 EUR.
ISBN-10: 3821841850

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