Die große Bärin

Luise F. Pusch beschenkt uns mit einem weiteren Glossenband

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das neue Jahr hat ausnahmsweise einmal gut angefangen. Jedenfalls in einer Hinsicht, erschien doch schon in den ersten Wochen ein neuer Band mit Glossen von Luise F. Pusch. Wiederum ist der Titel staatstragend, diesmal sogar monarchistisch. Nach "Die Eier des Staatsoberhauptes" nun also "Der Kaiser sagt ja". Vermutlich aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit ziert nach dem weiblichen Wesen des letzten Umschlages diesmal eines des anderen Geschlechts den Band. Räumte Pusch in ersterem mit einem verbreiteten Irrtum über das Geschlecht eines bundesdeutschen Hoheitszeichens auf, so diesmal mit einem nicht minder verbreiteten über dasjenige eines bekannten Sternbildes des nördlichen Nachthimmels.

Einige der Glossen des neuen Bandes sind zwar schon etwas älter, die meisten stammen jedoch aus den letzten Jahren, ja Monaten. Auch mag es sein, dass es in den ersten Texten etwas familiärer zugeht als zuletzt. Darum sind sie aber nicht weniger lesenswert. Wie stets wartet Pusch mit einem bunten Themenstrauß auf, aus dem so manche erhellende Erkenntnis hervorblüht. So stellt sie diesmal eine "kleine Bärjungfrau" vor, klärt über "die feministische Relevanz des Themas Götz George" auf, verrät, "was Wikipedia nicht verrät", erläutert, "warum der angeblich schönste Tag im Leben Hochzeit genannt wird", führt vor Augen, was Literaturbetrieb und katholische Kirche gemein haben, und kritisiert "Gesundheitssendungen", die den Zuschauenden "nahe legen, für teures Geld ihre Gesundheit zu gefährden, unter Schmerzen und mit erheblichem Zeitaufwand." Und sie zeigt, wie "Dianas Verbot [...] in der Männerkunstgeschichte genüsslich mattgesetzt" wird, wobei trotz des royalistischen Titels einmal nicht die Königin der Herzen gemeint ist.

Am Beispiel eines Komponistinnen-Lexikons klärt Pusch zudem die Frage, ob überhaupt separate Lexika für Frauen (beziehungsweise solche, die ausschließlich über Persönlichkeiten weiblichen Geschlechts informieren) angebracht sind. Eine Frage, die auch schon von literaturkritik.de in ihrer allerersten Ausgabe am Beispiel des "Metzler-Autorinnen-Lexikons" aufgeworfen wurde. Puschs Antwort lautet, dass Frauen, in diesem Falle Komponistinnen, in beide Lexika gehören, sowohl in ein "allgemeine[s]" geschlechterübergreifendes wie auch in ein "spezielle[s]", in dem nur sie aufgeführt sind. Denn "[s]chließlich haben Frauen Jahrhunderte an Vernachlässigung aufzuholen und können gar nicht präsent genug sein". Nicht nur, dass Pusch und die MitarbeiterInnen von literaturkritik.de öfter von den gleichen Fragen umgetrieben werden, in einem klugen Text über die literarischen Sexphantasien eines alten Mannes bedenkt sie sogar eine in literaturkritik.de erschienene Rezension kritisch.

Puschs Glossen lassen sich wie stets einfach nur grinsend, kopfnickend oder auch mal laut lachend lesen. Doch das Salz in der Suppe solcher Bände sind vielleicht gerade die Kontroversen, die sie auszulösen vermögen. Auch und insbesondere in der feministisch/lesbischen community. Und natürlich hat Pusch auch diesmal die eine oder andere Lesespeise peppig gewürzt. So dürfte zumindest Gloria Steinem in der US-Fernsehserie "The L-World" anders als Pusch kaum einen "Softporno" sehen, wie es deren schon viel zu viele gibt. Sonst hätte diese großartige Feministin und Herausgeberin des "MS"-Magazines die Serie sicher nicht mit einem Gastauftritt in der Episode "Lacuna" (dt. "Leben geben & lieben lassen") beehrt. Selbstverständlich hat Pusch dennoch gute Argumente für ihre Sichtweise.

Dass "[b]edeutende Männer, die brillante Frauen auch nur neben sich dulden", ausgesprochen "selten" sind, dürfte hingegen wohl keinen Widerspruch provozieren. Etwas Stirnrunzeln ruft allerdings hervor, dass Pusch ausgerechnet Auguste Rodin als eines der Beispiele dieser Raritäten nennt. Sicher, Camille Claudel und er bildeten anderthalb Jahrzehnte so etwas wie ein Paar. Fünfzehn Jahre, in denen Rodin seine mehr als kongeniale Gefährtin allerdings mit Füßen zu treten pflegte, was mit dem Begriff "dulden" doch allzu dezent umschrieben ist. Werner Spieß vertrat vor einiger Zeit in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sogar die Auffassung, "kein anderer" habe "den egoistischen Verkehr mit einer selbstbewussten, genialen Frau brutaler [verkörpert]" als eben Rodin. Auch musste Simone de Beauvoir zum Glück nicht wirklich "den selben Preis" wie Claudel für die hochherrschaftliche Duldung an der Seite eines 'großen' Mannes zahlen. So blieb es der französischen Philosophin immerhin erspart, die letzten dreißig Jahre ihres Lebens in einem - wie es zu Claudels Zeiten hieß - Irrenhaus zu verbringen. Und auch die von Pusch in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnte Hillary Clinton wird diesem Schicksal hoffentlich entgehen.

Wie sich aus Puschs Weblog ersehen lässt, schreibt sie auch nach dem Erscheinen des vorliegenden Bandes weiterhin fleißig ihre Glossen. Dies lässt hoffen, dass das kommende Jahr ebenso gut beginnen möge wie dieses, nämlich wiederum mit einem neuen Band der zungen- beziehungsweise federfertigen Feministin. Wer bis dahin den einen oder anderen Abend grinsend im Bett verbringen möchte, ist mit Puschs jüngstem Glossenband (oder einem ihrer zahlreichen anderen Bücher) bestens bedient. Denn wie pflegt doch eine der klügsten LiteraturkritikerInnen der deutschen Fernsehlandschaft zu empfehlen: "Nehmen Sie ein gutes Buch mit ins Bett. Bücher schnarchen nicht."


Titelbild

Luise F. Pusch: Der Kaiser sagt Ja und andere Glossen.
Wallstein Verlag, Göttingen 2009.
144 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783835304550

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch