Leib- und Seelentröster
Hermann Bausingers Porträtskizzen über Dichtertheologen in der Essay-Sammlung „Seelsorger und Leibsorger“
Von Anton Philipp Knittel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDass der emeritierte Tübinger Professor der Empirischen Kulturwissenschaft Hermann Bausinger auf angenehme Weise belehrend und unterhaltsam sein kann, ist bekannt. Eine große Fangemeinde ist dem nunmehr 83-Jährigen spiritus rector der modernen Volkskunde deshalb auch seit langem treu. Mit seinen Porträtminiaturen über die fünf Dichtertheologen und Theologendichter Johann Peter Hebel, Wilhelm Hauff, Eduard Mörike, Friedrich Theodor Vischer und Heinrich Hansjakob gelingen Bausinger – wenngleich sie bis auf den Text über Vischer in veränderter Form bereits publiziert wurden – ebenso eindringliche wie plausible Charakterskizzen.
Die so unterschiedlichen Autoren, von denen nur Johann Peter Hebel und der in Haslach im Kinzigtal geborene Pfarrer Heinrich Hansjakob „dem geistlichen Beruf treu geblieben sind“, verbinden in ihren Texten zeitlebens die Sorge um Leib und Seele. So bringt der „geistreiche und sachlustige“ Volksaufklärer Hebel in seinen Erzählungen und Sachartikeln meist leibliche und seelische Bedürfnisse „ohne dogmatische Enge“ zusammen.
Der 1807 in Ludwigsburg geborene Vischer, Professor für Ästhetik und deutsche Literatur in Tübingen, dem es nicht zuletzt mittels sportlicher Gymnastik darum zu tun ist, „aus einem geteilten Menschen einen ganzen zu machen“, strebt ebenso eine einzigartige Verbindung von Seelsorge und praktischer Leibsorge an wie auch der Leibsorger par excellence, der badische Pfarrer Hansjakob, der sich aus sozialer Anteilnahme besonders um „materielle Nöte und wirtschaftliche Bedingungen“ seiner Pfarrkinder kümmert. Ebenso haben die leiblichen Dinge beim hypochondrisch-melancholischen Mörike, dem „Genie der Freundschaft“, wie auch dem „Magentröster“ Hauff ihren festen Sitz im Leben.
Dies zeigt Bausinger prägnant und pointiert in seinen Dichter-Miniaturen. Sie sind dazu angetan, den Leser selbst „sachlustig“ werden zu lassen und mit dem Bausingerschen belehrenden Vergnügen im Gepäck die Texte eines Hauff, Mörike, Vischer, Hebel und Hansjakob wieder zu lesen.
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