Villa Kunterbunt

Die Kulturzeitschrift "Büch(n)er"

Von Frank MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wer die Welt vernünftig ansieht", schreibt Hegel einmal, "den sieht sie auch vernünftig an: Beides ist in Wechselbestimmung." Das meint: Nur wer gescheite Fragen stellt, erhält auch ebensolche Antworten. Wer sich seinem Gegenstand dagegen unsystematisch und ohne thematische Beschränkung nähert, dem misslingt in der Regel die Strukturierung des Mannigfaltigen und Kontingenten oder, in der Sprache der Systemtheorie, die "Komplexitätsreduktion". Ein derartiges Frageversäumnis muss sich wohl oder übel auch die junge Frankfurter Kulturzeitschrift "Büch(n)er" vorwerfen lassen. Man könnte begrüßen, dass "Büch(n)er" darauf verzichtet, den Leser mit den für den jeweils aktuellen Monat zusammengefassten Rapports über die gerade anhängigen Feuilleton-Scharmützel zu behelligen und so nach der Auffassung der Kritik die Verbandelung mit dem Zeitgeist entschieden vermeidet. Dass sich aber aus dem Heft beim besten Willen kein wie auch immer geartetes Programm (außer eben dem Blick auf das 'Ganze' der Kultur) herauslesen lässt, lässt solche Lobgesänge schnell wieder verstummen.

Der Mangel an ordnender Kraft wird in "Büch(n)er" durch inhaltlich-thematische Verzettelung geahndet. Da gibt es die Rubrik mit dem Bücherkoffer, in der in jedem Monat aufs Neue das alte Gedankenspiel bemüht wird, welches Buch, respektive welche Auswahl von Büchern uns unbedingt auf die einsame Insel begleiten müsste, da gibt es den kommentierten "Schlüsseltext des 20. Jahrhunderts" oder die Songwritern wie Bob Dylan, Tom Waits, Townes van Zandt u. a. gewidmete "Neue Frankfurter Anthologie". Die Buchbesprechungen hingegen sind in einem behelfsmäßigen "Bazar" zusammengedrängt, da der "Büch(n)er" die 80 Seiten des Heftes mit allerhand Kurzweiligem füllt: dem literarischen Kalender, den Bildern zu einer Bremer Auststellung über den "Blauen Reiter", dem Bericht über 'ungewöhnliche' Buchhandlungen, Fotografien, Anschauungsmaterial aus deutschen Kunsthochschulen und dem "Büch(n)er Comic". Das blättert sich schnell durch und hält nicht einmal bis zur nächsten Ausgabe vor.

Eher durch Zufall stolpert der Leser, den man sich schon aufgrund der zahlreichen regionalen Bezüge günstigerweise am Erscheinungsort beheimatet wünscht, zwischen den bunten Bildchen und einem ausführlichen Bericht über einen Rundgang durch die Innenstadt Kairos über die lesenswerten Essays Uwe C. Steiners, Reinhard Olschanskis und Hermann Kestens. Die damit zugestandene Vorliebe des Rezensenten für den gedruckten Text offenbart zugleich das Grunddilemma der Zeitschrift auch in allen anderen Bereichen: "Büch(n)er" bringt alles, aber von jedem zuwenig.

Kein Bild

Werner Ost / Ulla Bayerl (Hg.): Büch(n)er. Kulturzeitschrift. Januar und Februar.
Büchner Verlagsgesellschaft, Frankfurt 2000.
80 Seiten, 6,10 EUR.
ISSN: 14368633

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