Für immer und ewig?

Über David Foenkinos neuen Roman „Unsere schönste Trennung“

Von Frauke SchlieckauRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frauke Schlieckau

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich lieben sich der charmante, aber ungeschickte Franz, dessen Leben nur mit Hilfe von Büchern funktioniert und die zielstrebige, charakterstarke Alice. „Ihre Liebe funktioniert über Wörter, sie finden und verfehlen sich durch die Sprache und den Irrwitz der absurdesten Situationen.“ Trotzdem verbringen die beiden ihr Leben vor allem damit, sich zu trennen.

In einer tragisch-komischen Mischung schildert Autor David Foenkinos aus der Sicht von Franz eine französische On-Off Beziehung, ohne zu vertuschen, dass, obwohl es sie scheinbar gibt, die alle Zeiten überdauernde Zuneigung, moderne Beziehungen zahlreichen Proben ausgesetzt sind und bei dem Versuch, diese zu bestehen, oftmals – oder zumindest vorübergehend – kapitulieren. Alice scheitert an dem Versuch, sich von ihren Eltern zu distanzieren und zu Franz zu stehen, obwohl dieser alles andere als der ideale Schwiegersohn zu sein scheint. Franz scheitert an der Affäre mit der attraktiven Verlagskollegin Céline, deren Verführungskünsten er nicht widerstehen kann.

Miteinander geht es scheinbar noch weniger als ohne einander. Eine bittere Erfahrung, die das Paar über den Verlauf mehrerer Jahrzehnte macht, in denen sich die beiden immer wieder begegnen, zueinander finden und sich erneut voneinander lösen.

Die Geschichte von Alice und Franz ist romantisch, weil sie nicht im klassischen Sinn romantisch ist. Sie ist wahr und sie zeigt, dass sich zwischenmenschliche Beziehungen mitunter einfach nicht in eine Schublade stecken lassen, sondern oftmals genau bei dem Versuch, sie zu kategorisieren, zerbrechen. Es ist daher kein Zufall, dass die Beziehung das erste Mal in tausend Scherben zerspringt, als Alice versucht, Franz in ihre Familie einzuführen: „Beim Kaffee brannte mir dann die Sicherung durch. ,Da fällt mir ein, ich weiß nicht mal wie ihr zwei Euch kennengelernt habt‘ fragte (Alices Vater). ,Wir waren auf einer Party …‘, fing Alice an. ,Naja Party, das ist nicht ganz der richtige Ausdruck‘ unterbrach ich sie. ,Wir waren in einem Swingerclub. Zwei Schwarze nahmen Alice von vorn und hinten, da funkte es gleich zwischen uns‘. Nach einem langen Augenblick sah Alice ihren Vater an. Er schien wirklich erschüttert zu sein, was sie zu folgendem Verhalten veranlasste. Sie schrie, doch nicht einmal so laut, vielmehr unterkühlt: ,Du gehst – Du gehst jetzt sofort.’“

Auch dass Franz’ Affäre mit Céline genau dann zu Tage kommt, als dieser endlich nach der Versöhnung und einem gemeinsamen Leben auf Probe mit Alice vor dem Traualtar steht, passt in das beschriebene Muster: „Die Braut flüchtete, und der Bräutigam heftete sich an ihre Fersen. In meinem Kopf war zu jenem Zeitpunkt nur Leere. Wie mein Leben von nun an aussehen würde, daran dachte ich noch nicht, nur daran, Alice einzufangen, ihr alles zu erklären, sie zurückzuholen. Sie rannte, so schnell sie konnte. Die Autos bremsten scharf vor ihr, sie hätte leicht überfahren werden können: […] Ich rannte weiter, mir ging die Luft aus, die schlaflose Nacht steckte mir in den Knochen, ich kam fast um in dieser Hitze. In der Ferne sah ich immer noch die Umrisse der Frau, die niemals die meine werden würde, denn mir wurde klar, daß alles aus war, daß ich dem Schatten einer Fremden nachjagte.“

Jahrelang scheint es, als ob dass das Ende der Geschichte wäre, bis sich die beiden, längst mit anderen verheiratet, erneut begegnen und feststellen, dass die Anziehungskraft zwischen ihnen nicht im geringsten nachgelassen hat. „Unsere schönste Trennung bringt einen mit typischen Foenkinos’scher Leichtigkeit zum Lachen und rührt zu Tränen. Man amüsiert sich über das, was einem das Herz zusammenschnürt. Ein skurriles und unglaublich verschrobenes Buch, voller ulkiger Perspektiven, das seine Referenz an Woody Allen, Alfred Jarry und Albert Cohen nicht versteckt.“ Das Beste an der Geschichte von Alice und Franz aber ist, dass Foenkinos es trotz der negativen Prognose, die er für die moderne Liebe aufstellt, nicht schafft, darauf zu verzichten, am Ende von „Unsere schönste Trennung“ doch noch einen Hinweis auf eine möglicherweise schicksalhafte und für die Zukunft bestimmte Verbindung einzuflechten, die einen fast, aber auch nur fast, über die Unmöglichkeit einer dauerhaften Partnerschaft hinwegtröstet.

Titelbild

David Foenkinos: Unsere schönste Trennung. Roman.
Übersetzt aus dem Französischen von Christian Kolb.
Verlag C.H.Beck, München 2010.
196 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-13: 9783406598401

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