Vom Stapel gelassen
Eine „Nachlese“
Von Walter Delabar
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDie Schriften Karl Kraus’ gehören wohl zu den wichtigsten Quellen für die Literatur- und Kulturgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts. Der Autor der „Fackel“, dessen Polemiken ebenso berühmt sind wie dessen sprachkritische Glossen. Der jede Stilblüte aufspürte, die im vielfältigen Blätterwald des deutschsprachigen Raums so zahlreich sprossen. Dass Sprache nicht nur irgendein Medium ist und damit auch ein bisschen beliebig, war seine feste Überzeugung. Dass sie schließlich Ausdruck der Persönlichkeit und ihres Verhältnisses zur Welt ist, kommt hinzu.
Die vorliegende Ausgabe der Digitalen Bibliothek, bereits 2007 erschienen, enthält die von Kraus selbst veranlassten Publikationen, so die editorische Notiz, und eine Auswahl aus der schließlich von ihm allein verfassten Zeitschrift „Die Fackel“. Die CD-Rom folgt damit der von Christian Wagenknecht besorgten und bei Suhrkamp verlegten Ausgabe der Schriften Kraus’ und macht sie, wer sie nicht am Bildschirm durchsehen will, damit vor allem durchsuchbar. Eine CD-Rom der „Fackel“ (2007 in der 2. Auflage) ist im Übrigen gleichfalls von Zweitausendeins auf den Markt gebracht worden.
Das ist nichts fürs breitere Publikum, auch wenn es davon lernen könnte. Praktisch ist eine solche CD-Rom allemal. Und wer sich zum Beispiel die Kraus-Ausgabe oder die alte Fackel-Ausgabe, die 2001vor Urzeiten vertrieben hat, ins Regal stellt, der kauft sich auch eine solche CD-Rom, die ebenso wenig oder ebenso intensiv genutzt wird wie die Buchausgabe.
Die Nutzbarkeit ist wie immer recht hoch, wer sucht, der findet, erst recht, wenn man weiß, was zu suchen ist. Aber das ist das alte Problem.
Der Verbrecher Verlag in Berlin widmet sich seit einiger Zeit dem Werk von Rudolf Lorenzen, der als Journalist und literarischer Autor in den 1960er-Jahren einigermaßen bekannt gewesen ist, heute aber wohl kaum noch als Größe gehandelt wird. „Bad Walden“ geht auf eine Auftragsarbeit des ZDF zurück, die 1980 gesendet und 1981 als Roman bearbeitet im Druck erschien („Grüße aus Bad Walden – Mord auf Super 8“).
Der Verlag legte bereits vor einiger Zeit eine Neubearbeitung vor, die, so der Verfasser, eigentlich ein völlig neues Buch ist. Immerhin sei seine Idee damals vom Sender und vom Verlag nicht verstanden worden. Jetzt also der neue Versuch, das damals schon bereits gedachte Bedrohungsszenario auszuarbeiten, das nun, so der Verlag in seinem Klappentext, „allgegenwärtig“ ist.
Dem sei nicht widersprochen, aber es gibt Bücher, für die einem trotz allem Bemühen das Sensorium fehlt.
In den Niederlanden war der Roman „Die Zelle“ von Charles den Tex ein Erfolg, er wurde viel gelesen und mit einem Preis, dem „Gouden Strop“ (dem Goldenen Schlips) versehen. Die Geschichte eines „jungen Amsterdamer Unternehmensberaters“ rührt an eines der zentralen Themen unserer Zeit: Datensicherheit, das Recht auf Intimität und auf Unversehrtheit der Person.
Das wird in diesem Fall nun nicht als klassischer Thriller mit Bezug auf 9/11 inszeniert, sondern an einem alltäglichen Problemfall: Der junge Amsterdamer Unternehmensberater wird Zeuge eines Unfalls. Statt dass er jedoch über den Hergang des Unfalls befragt wird, beginnen umfängliche Verhöre. Er muss feststellen, dass er angeblich in einen anderen Unfall „mit Todesfolge“ verwickelt war. Mit einem Auto, das ihm nicht gehört, wie er meint, und an einem Ort, wo er zu diesem Zeitpunkt nicht war, wie er sich sicher ist.
Die Polizei sieht das ganz anders und setzt ihn fest. Zum Glück kommt er wieder frei und setzt sich nun auf die Fährte dieser merkwürdigen Verwechslung, die aber, wie er feststellen muss, gar keine war.
Denn offensichtlich hat jemand sich seiner Identität, um sich Autos zu kaufen oder auch Gewächshäuser. Damit muss er sich nun herumschlagen, und hat seine größte Mühe damit, denn die Polizei sieht das Problem nicht, sie sieht nur einen zweifelsfrei Schuldigen, und damit hat es sich erstmal. Die Mühle, die sich daran anschließt, ist ja weitgehend bekannt.
Für den Autor jedoch ist das eine ausreichende Idee, um einen „kühnen“ Roman zu schreiben, der wohl kritisch gemeint ist und aufklärerischen Anspruch hat.
Aber Kraus war spannender.
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