Eine wie alle

Hajnalka Nagys Untersuchung „Ein anderes Wort und ein anderes Land“ zum Verhältnis von Wort, Welt und Ich in Ingeborg Bachmanns Werk

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Werk der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann ist seit ihrem vorzeitigen Tod in den frühen 1970er-Jahren immer wieder und unter allen denkbaren Aspekten untersucht worden. Schätzte das Feuilleton zu ihren Lebzeiten vor allem die Lyrik, so galt das Interesse der Literaturwissenschaft in den letzen Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts vornehmlich ihren Erzählungen, Prosa-Fragmenten und dem einzig vollendeten Roman „Malina“. Erst in den letzten Jahren wandten sich die Forschenden wieder stärker Bachmanns Lyrik zu. Die Gründe für dieses sowohl anhaltende wie wechselhafte Interesse sind schnell ausgemacht. Sie liegen zum einen in der ganz außergewöhnlichen Qualität des Œuvres der Literatin und zum anderen in der Publikationspraxis ihrer Erben, die ganz nach Gusto immer mal wieder gestatten, aus dem umfangreichen Nachlass Bachmanns diese oder jene Papiere zur Veröffentlichung freizugeben. Zunächst die Fragmente aus dem Umfeld des „Todesarten“-Projekts, dann „letzte, unveröffentlichte Gedichte“ und den einen oder anderen Briefwechsel etwa mit Celan sowie die „Kritischen Schriften“.

Dies hielt die Forschung auf Trapp. Eine der jüngsten Arbeiten zu Bachmann befasst sich nun mit dem „Verhältnis von Wort, Welt und Ich“ im Werk der Schriftstellerin. Die Verfasserin Hajnalka Nagy leuchtet darin den „Problemhorizont des Bachmann’schen Œuvres anhand der verlorenen Einheit zwischen Ich, Sprache und Welt“ aus, um „jenen ‚Ritualen‘, jener ‚neuen Gangart‘ der Sprache auf die Spur zu kommen, die das Schreiben und die dichterische Existenz“ in Bachmanns „neue Poetik des Magischen retten“. Dies unternimmt Nagy auf zweifache Weise. Indem sie zum ersten mittels einer Motivanalyse aufzeigt, wie sich Bachmanns ProtagonistInnen aus der „erstarrten Ordnung der Gesellschaft“ lösen können, und zum zweiten herausarbeitet, „wie Bachmann eine neuartige Schöpfung der Sprache jenseits der symbolischen Bedeutungskonstitution verwirklicht“.

Auch das zentrale Anliegen der Untersuchung erwächst aus einer zweifachen Wurzel: zum einen aus den, „Möglichkeiten der Überwindung der Binarität des sprachlichen Zeichens in den Texten“; zum anderen aus der Absicht, „das poetisch-utopische Denkmotiv einer ‚nicht bezeichnenden Zeichenhaftigkeit‘ als das Modell einer ‚neuen Sprache‘“ herauszuarbeiten. Damit werde nicht nur ermöglicht, „die Motive das traditionelle Modell des Subjekts, die herkömmlichen Sinnbilder der patriarchalischen Ordnung oder die alten Bedeutungskonstitutionen und Sinngebungen der ‚schlechten‘ Sprache zu hinterfragen“, sondern auch die „inszenierten“ und die, wie Nagy sagt, die „reelen“ (gemeint ist offenbar die „realen“) „Dichotomien“ in Bachmanns literarischen Werken zu „unterlaufen“, um so die Ergebnisse „einiger feministisch angelegter Bachmann-Interpretationen“ zu deplausibilisieren.

Ohne Herausragendes zu leisten oder im Gegenteil weit hinter die üblichen Forschungsstandards zurückzufallen, reiht sich Nagys Arbeit eher unauffällig in die aus durchaus guten Gründen lang und länger werdende Liste der Sekundärliteratur zu einer der bedeutendsten NachkriegsautorInnen im deutschen Sprachraum ein.

Titelbild

Hajnalka Nagy: Ein anderes Wort und ein anderes Land. Zum Verhältnis von Wort, Welt und Ich in Ingeborg Bachmanns Werk.
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2010.
245 Seiten, 36,00 EUR.
ISBN-13: 9783826042416

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