Nicht tot zu kriegen

Michaela Karl hat eine ebenso konzise wie informative Geschichte der Frauenbewegung geschrieben

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vor gerade mal zwei Jahren hat Michaela Karl ein denkbar informatives Buch über die englische Suffragettenbewegung vorgelegt. In ihrem neuen Werk erweitert sie nun die Perspektive und fasst die Historie der amerikanischen und europäischen Frauenbewegungen der letzten beiden Jahrhunderte ins Auge. Den Schwerpunkt ihres theoretische und ideologische Fragen nur am Rande berührenden Überblicks bildet die Entwicklung des deutschen Feminismus inklusive der „institutionalisierten Frauenbewegung in der DDR“. Die französische und die US-amerikanische treten hingegen eher in den Hintergrund, von der englischen wird überhaupt nur die Erste Welle nachvollzogen.

Bei ihrem Unternehmen, eine Karte des „steinigen Weges“ zu skizzieren, den die Frauenbewegung bislang beschritt, ohne dass sie bis heute ihr emanzipatorisches Ziel erreicht hätte, ist sich die Autorin sehr wohl bewusst, dass es nicht möglich ist, „eine einheitliche Geschichte dieser äußerst heterogenen Bewegung zu erzählen.“ War schon die Erste Frauenbewegung um 1900 nicht nur von nationalen Eigenheiten, sondern zudem und vor allem innerhalb der Staaten von Flügelkämpfen geprägt, so gilt das in noch stärkerem Maße für deren Zweite Welle in den 1970er- und 1980er-Jahren. Ganz zu schweigen von der Gegenwart, in der die Frauenbewegung zwar nicht mehr so machtvoll auf den Straßen erscheint wie ehedem, aber eine größere „Anzahl an Projekten“ schafft, zahlreichere Aktionen initiiert und mehr Texte von einer größeren „thematischen Vielfalt“ produziert als je zuvor.

Was nun die Erste Frauenbewegung betrifft, so unterteilt Karl deren bürgerlichen Teil nicht nur, wie meist üblich, in einen radikalen und einen gemäßigten Flügel, sondern fügt als dritten noch einen konservativen hinzu. Völlig neu oder gar abwegig ist das allerdings nicht. So groß die „Risse“ auch waren, welche die Trias der bürgerlichen Frauenbewegung durchzogen, so wirken sie angesichts des „Grabens“, der diese von der „proletarischen Frauenbewegung“ trennte, Karl zufolge doch recht „gering“. Damit bewertet die Autorin das Ausmaß der Diskrepanzen zwischen den Feministinnen und den sozialistischen Proletarierinnen zutreffend. Auch steht sie mit der Annahme einer proletarischen Frauenbewegung keineswegs alleine. Doch ist fraglich, ob sich überhaupt von einer solchen sprechen lässt, war „die Frauenfrage“ für die in der Arbeiterbewegung organisierten Genossen und Genossinnen und so auch für die „proletarischen Frauenrechtlerinnen“ doch nichts weiter als ein, wenn auch wichtiger „Nebenwiderspruch im Klassenkampf“, der im Zuge der erwarteten proletarischen Revolution quasi nebenbei mitgelöst würde. Daher gründeten die Sozialistinnen anders als die Angehörigen der bürgerlichen Frauenbewegungen auch keine eigenständigen Organisationen, sondern blieben „organisatorisch stets eng mit der Arbeiterbewegung verbunden“.

Neben dieser zwar grundsätzlichen, aber doch nicht allzu schwerwiegenden Kritik an der Behauptung einer „proletarischen Frauenbewegung“, bleiben zwei, drei weitere Punkte zu monieren, von denen allerdings keiner so bedeutend wäre, dass er den Wert des Büchleins ernstlich schmälern würde. So fällt etwa die Darstellung der in der Weimarer Republik die Bühne des Geschehens betretenden ‚Neuen Frau‘ allzu despektierlich aus, wenn Karl darlegt, ausgehend von einer „kleinen Gruppe junger gebildeter Frauen“ sei der Typus zu „einer Art Modeerscheinung“ geworden, „der vor allem weibliche Angestellte nachzueifern suchten“, und damit insinuiert, dass nicht einmal das Konzept der ,Neuen Frau‘ modern gewesen sei, sondern sich nur so geben habe.

Gravierender ist aber, dass Karl, wenn auch nur beiläufig, die misogyne Rede von der Prostitution als „ältestem Gewerbe der Welt“ übernimmt. Das ist in einem feministischen Überblick über die Frauenbewegung doch ein arger Fehlgriff.

Sachliche Fehler, wie etwa die Vermischung zweier Titel der Gründungsväter des Marxismus zu „Engel’s ‚Ursprung der heiligen Familie‘“ sind selten, und in diesem Falle auch eher lustig als ärgerlich. Und dass Karl weitgehend auf Quellenbelege verzichtet, ist zwar bedauerlich, kann aber nicht ernsthaft kritisiert werden. Denn eben darum ist das Werk als Sachbuch ausgewiesen und nicht als Fachbuch.

Das Fazit fällt ungeachtet der vorgebrachten Kritikpunkte insgesamt sehr positiv aus. Man darf sich – insbesondere die Fakten betreffend – im Ganzen konzis und gut informiert fühlen. Und die allerwichtigste Aussage ihres Buches lässt sich so und so ohne weiteres unterschreiben: „Der Feminismus ist lebendig wie eh und je.“ Warum auch sonst sollten Maskulinisten und AntifeministInnen jeder Couleur tagaus, tagein voller Inbrunst und Zorn mit allen erdenklichen Knüppeln auf ihn einprügeln? Er ist einfach nicht tot zu kriegen.

Titelbild

Michaela Karl: Die Geschichte der Frauenbewegung.
Reclam Verlag, Stuttgart 2011.
264 Seiten, 6,00 EUR.
ISBN-13: 9783150187883

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